Mit klarem Umriß, in Seitenansicht, hebt sich die mehr damenhafte, als teuflisch
verführerische Frau vom Grund ab. Der unter der modischen Kleidung wirkende
Leib mit den starken Wölbungen der Brüste und des Bauches erinnert an das
Schönheitsideal Dürers, der zu dieser Zeit für Lucas der Vermittler der ersehnten
und nebelhaft fernen Renaissance war, wie übrigens etwa zur selben Zeit auch für
Jan Gossart. Das Italienische war den Niederländern in Dürers Übersetzung leich-
ter lesbar als im Originale. Der ausdruckslose Kopf des hl. Antonius besteht im
Wesentlichen aus Stirn und Bart.
Die stecherische Arbeit hat an Sauberkeit, Besonnenheit und Geschmeidigkeit
gewonnen, dabei an Tonreichtum eingebüßt. Indem Lucas Profil und Silhouette
betont, hier, wie auch in der „Frau mit der Hindin", wendet er sich vom Maleri-
schen zum Graphischen. Ganz oder teilweise heben sich die Figuren reliefartig
vom weißen Papiergrund ab. Das Örtliche wird nun nicht mehr ausführlich dar-
gestellt, vielmehr ökonomisch angedeutet und untergeordnet.
13 Die Bekehrung Pauli (B. 107), als der Zug eines Heeres mit reichem Personale,
bot eine neue und schwere Aufgabe, die den Gestaltungswillen des Meisters antrieb.
Breit ausgemalte Nachwirkung des dramatischen Vorfalls, der in der Ferne bei-
läufig mit schwachem Effekte dargestellt ist. Paulus, erschöpft und geblendet, wird
von den Genossen an der Spitze des Heerbannes geführt, der, aus der Tiefe um eine
Felsmasse biegend, nach rechts zieht. Die Bemühung richtet sich vorwiegend auf
die trubelige Mannigfaltigkeit riesiger Bewegung und ist angeregt durch Engel-
brechtsen, der um 1509 stärker als früher und als später auf Lucas eingewirkt
hat, was die „Runde Passion" schlagend bestätigt.
Engelbrechtsen war, nach van Manders Aussage, der zweite Lehrer des jungen
Lucas. Der Biograph sagt dies minder bestimmt in der vita des Lehrers als in der
des Schülers. Ob wir nun dieser Angabe Glauben schenken und annehmen, daß
Lucas um 1509, also in normalem Lehrlingsalter, in Engelbrechtsens Werkstätte
tätig gewesen sei, oder andersartiges, mehr lockeres Verhältnis für wahrscheinlich
halten, jedenfalls liegt die episodische Annäherung des jungen an den älteren
Meister für die Stilkritiker zu Tage.
Mit der Vorstellung von Ateliergemeinschaft verträgt sich freilich schlecht der
Umstand, daß Lucas zur selben Zeit Kupferstiche ausgab mit seiner Signatur,
die doch so etwas wie ein Meisterzeichen, wie eine Handelsmarke war.
Lucas hatte in den Anfängen das Thema der Passion gemieden, wie denn die
Bibel ihm mehr Historie als Erbauung bot. Engelbrechtsens „Werk" belehrt uns,
daß gerade dieses Thema der Gemeinde in Leiden am Herzen lag und für Altare
und Andachtstafeln bevorzugt wurde. In der „Runden Passion" (B. 57/65) wagt
sich Lucas an die hohe, mit ikonographischer Tradition belastete Aufgabe, wobei
er sich den Vorstellungen näherte, an die seine Landsleute gewohnt waren. Es galt
hier, gegebene Motive mit geistiger Durchdringung und seelischer Anteilnahme
zu beleben, zu erneuern. Dies war nicht seine Sache. Vorzugsweise ist es ein selten oder nie
verbildlichter Vorgang, der seine Phantasie anregte, seine Begier reizte, Persönliches
zu leisten. Ihm entsteht die eigene Bildform jeweils aus dem eigenen Bildgedanken.
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verführerische Frau vom Grund ab. Der unter der modischen Kleidung wirkende
Leib mit den starken Wölbungen der Brüste und des Bauches erinnert an das
Schönheitsideal Dürers, der zu dieser Zeit für Lucas der Vermittler der ersehnten
und nebelhaft fernen Renaissance war, wie übrigens etwa zur selben Zeit auch für
Jan Gossart. Das Italienische war den Niederländern in Dürers Übersetzung leich-
ter lesbar als im Originale. Der ausdruckslose Kopf des hl. Antonius besteht im
Wesentlichen aus Stirn und Bart.
Die stecherische Arbeit hat an Sauberkeit, Besonnenheit und Geschmeidigkeit
gewonnen, dabei an Tonreichtum eingebüßt. Indem Lucas Profil und Silhouette
betont, hier, wie auch in der „Frau mit der Hindin", wendet er sich vom Maleri-
schen zum Graphischen. Ganz oder teilweise heben sich die Figuren reliefartig
vom weißen Papiergrund ab. Das Örtliche wird nun nicht mehr ausführlich dar-
gestellt, vielmehr ökonomisch angedeutet und untergeordnet.
13 Die Bekehrung Pauli (B. 107), als der Zug eines Heeres mit reichem Personale,
bot eine neue und schwere Aufgabe, die den Gestaltungswillen des Meisters antrieb.
Breit ausgemalte Nachwirkung des dramatischen Vorfalls, der in der Ferne bei-
läufig mit schwachem Effekte dargestellt ist. Paulus, erschöpft und geblendet, wird
von den Genossen an der Spitze des Heerbannes geführt, der, aus der Tiefe um eine
Felsmasse biegend, nach rechts zieht. Die Bemühung richtet sich vorwiegend auf
die trubelige Mannigfaltigkeit riesiger Bewegung und ist angeregt durch Engel-
brechtsen, der um 1509 stärker als früher und als später auf Lucas eingewirkt
hat, was die „Runde Passion" schlagend bestätigt.
Engelbrechtsen war, nach van Manders Aussage, der zweite Lehrer des jungen
Lucas. Der Biograph sagt dies minder bestimmt in der vita des Lehrers als in der
des Schülers. Ob wir nun dieser Angabe Glauben schenken und annehmen, daß
Lucas um 1509, also in normalem Lehrlingsalter, in Engelbrechtsens Werkstätte
tätig gewesen sei, oder andersartiges, mehr lockeres Verhältnis für wahrscheinlich
halten, jedenfalls liegt die episodische Annäherung des jungen an den älteren
Meister für die Stilkritiker zu Tage.
Mit der Vorstellung von Ateliergemeinschaft verträgt sich freilich schlecht der
Umstand, daß Lucas zur selben Zeit Kupferstiche ausgab mit seiner Signatur,
die doch so etwas wie ein Meisterzeichen, wie eine Handelsmarke war.
Lucas hatte in den Anfängen das Thema der Passion gemieden, wie denn die
Bibel ihm mehr Historie als Erbauung bot. Engelbrechtsens „Werk" belehrt uns,
daß gerade dieses Thema der Gemeinde in Leiden am Herzen lag und für Altare
und Andachtstafeln bevorzugt wurde. In der „Runden Passion" (B. 57/65) wagt
sich Lucas an die hohe, mit ikonographischer Tradition belastete Aufgabe, wobei
er sich den Vorstellungen näherte, an die seine Landsleute gewohnt waren. Es galt
hier, gegebene Motive mit geistiger Durchdringung und seelischer Anteilnahme
zu beleben, zu erneuern. Dies war nicht seine Sache. Vorzugsweise ist es ein selten oder nie
verbildlichter Vorgang, der seine Phantasie anregte, seine Begier reizte, Persönliches
zu leisten. Ihm entsteht die eigene Bildform jeweils aus dem eigenen Bildgedanken.
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