Die „Runde Passion" hängt der Form, den Dimensionen und der Rahmung 15
nach mit der in Leiden eifrig gepflegten Glasmalerei zusammen. Lucas wird von
van Mander in der Überschrift der vita nicht nur als „schilder" und „plaet-snijder",
sondern auch als „glaes-schrijver" betitelt. Ob er mit eigener Hand auf Glas ge-
malt habe, bleibt zweifelhaft. Sicherlich hat er Vorlagen für Glasmalerei geschaf-
fen. Wenn nicht Engelbrechtsen selbst, so war sein Sohn Pieter Cornelisz, wie viele
erhaltene Visierungen bezeugen, als Spezialist auf diesem Felde tätig, und er war,
wieder nach van Manders Aussage, mit Lucas befreundet und regte den Genossen
an, auf Glas zu malen. Mit der „Runden Passion" verfolgt der Stecher die unge-
wöhnliche, aber sinnvolle Absicht, den Glasmalern, nicht einem Glasmaler, Vor-
lagen zu bieten. Daß er gerade 1509, weder früher noch später, derartiges unter-
nommen hat, spricht dafür, daß er damals mit Engelbrechtsens Werkstätte in Ver-
bindung stand. Unter den Entwürfen für Rundscheiben, die von Pieter Cornelisz
bekannt geworden sind, gibt es freilich keine datierte mit einer früheren Jahres-
zahl als 1517.
Durch Engelbrechtsen war die Gemeinde daran gewöhnt worden, die Passion
Christi als eine kriegerische Exekution zu erleben, im Besonderen körperliche Pein,
Gewaltanwendung, großmächtige Befehlshaber, rohe Schergen zu erblicken, sowie
die sich im Schmerze windenden Frauen und die Schächer an Kreuzen mit ver-
renkten Gliedmaßen. Was dem alten Meister Lebenswerk war, wurde für Lucas
Episode. Der lernbegierige Schüler sucht es dem erfolgreichen Meister gleich zu
tun an männlicher Aktivität. Immerhin bleibt seine Erzählung dem Drum und
Dran zugewendet. Wo sich Gelegenheit dazu bietet, bereichert er die Gruppen
durch mehr oder weniger aufmerksame Zuschauer, fügt der Brutalität und dem
Leiden Neugier und Schadenfreude hinzu. Er zerlegt den Strahl des Geschehnisses
und der tiefste Punkt in der gestuften Teilnahme liegt in der unwissenden Gleich-
gültigkeit der Kinder. In Dürers „Passion" fehlt dieser Einschlag des Zufälligen,
des Genrehaften, des Spielerischen, während unter den Holländern auch der Mei-
ster von Delft dem Kinde reichlichen Platz einräumt auf der Passionsbühne. Das
Kompositum ist jedesmal der Rundform glücklich eingepaßt. Sind die Bewegungen
lebhafter geworden, so haben die Köpfe an Ausdruck eingebüßt. Lucas gewinnt
nie etwas, ohne zu opfern, er bezahlt Erkenntnisse mit Instinktverlust. Im Trachten
nach Würde gibt er dem an der Säule stehenden Heiland (B. 61) eine gefallsüchtige
Pose. Kalkulierende Absichtlichkeit wird hie und da spürbar. Künstlich und über-
nommen wirkt der Kontrapost.
Indem wir uns das Verhältnis, das zwischen Lucas und Engelbrechtsen bestand,
klar zu machen suchen, überzeugt davon, daß es nie so eng war, wie in der Zeit
um 1509, wünschen wir lebhaft, zu wissen, welche Werke gerade damals in der
fruchtbaren Werkstätte ausgeführt wurden. Dank stilkritischer Bemühungen ist
Engelbrechtsens „Werk" angewachsen, erscheint sogar erstaunlich umfangreich bei
Berücksichtigung des durch die Bilderstürme in Holland vernichteten Bestandes.
Die zeitliche Reihung der erhalten gebliebenen und bekannt gewordenen Bilder,
ist aber noch keineswegs gelungen und wird verwirrt durch Irrtümer, die im Schrift-
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nach mit der in Leiden eifrig gepflegten Glasmalerei zusammen. Lucas wird von
van Mander in der Überschrift der vita nicht nur als „schilder" und „plaet-snijder",
sondern auch als „glaes-schrijver" betitelt. Ob er mit eigener Hand auf Glas ge-
malt habe, bleibt zweifelhaft. Sicherlich hat er Vorlagen für Glasmalerei geschaf-
fen. Wenn nicht Engelbrechtsen selbst, so war sein Sohn Pieter Cornelisz, wie viele
erhaltene Visierungen bezeugen, als Spezialist auf diesem Felde tätig, und er war,
wieder nach van Manders Aussage, mit Lucas befreundet und regte den Genossen
an, auf Glas zu malen. Mit der „Runden Passion" verfolgt der Stecher die unge-
wöhnliche, aber sinnvolle Absicht, den Glasmalern, nicht einem Glasmaler, Vor-
lagen zu bieten. Daß er gerade 1509, weder früher noch später, derartiges unter-
nommen hat, spricht dafür, daß er damals mit Engelbrechtsens Werkstätte in Ver-
bindung stand. Unter den Entwürfen für Rundscheiben, die von Pieter Cornelisz
bekannt geworden sind, gibt es freilich keine datierte mit einer früheren Jahres-
zahl als 1517.
Durch Engelbrechtsen war die Gemeinde daran gewöhnt worden, die Passion
Christi als eine kriegerische Exekution zu erleben, im Besonderen körperliche Pein,
Gewaltanwendung, großmächtige Befehlshaber, rohe Schergen zu erblicken, sowie
die sich im Schmerze windenden Frauen und die Schächer an Kreuzen mit ver-
renkten Gliedmaßen. Was dem alten Meister Lebenswerk war, wurde für Lucas
Episode. Der lernbegierige Schüler sucht es dem erfolgreichen Meister gleich zu
tun an männlicher Aktivität. Immerhin bleibt seine Erzählung dem Drum und
Dran zugewendet. Wo sich Gelegenheit dazu bietet, bereichert er die Gruppen
durch mehr oder weniger aufmerksame Zuschauer, fügt der Brutalität und dem
Leiden Neugier und Schadenfreude hinzu. Er zerlegt den Strahl des Geschehnisses
und der tiefste Punkt in der gestuften Teilnahme liegt in der unwissenden Gleich-
gültigkeit der Kinder. In Dürers „Passion" fehlt dieser Einschlag des Zufälligen,
des Genrehaften, des Spielerischen, während unter den Holländern auch der Mei-
ster von Delft dem Kinde reichlichen Platz einräumt auf der Passionsbühne. Das
Kompositum ist jedesmal der Rundform glücklich eingepaßt. Sind die Bewegungen
lebhafter geworden, so haben die Köpfe an Ausdruck eingebüßt. Lucas gewinnt
nie etwas, ohne zu opfern, er bezahlt Erkenntnisse mit Instinktverlust. Im Trachten
nach Würde gibt er dem an der Säule stehenden Heiland (B. 61) eine gefallsüchtige
Pose. Kalkulierende Absichtlichkeit wird hie und da spürbar. Künstlich und über-
nommen wirkt der Kontrapost.
Indem wir uns das Verhältnis, das zwischen Lucas und Engelbrechtsen bestand,
klar zu machen suchen, überzeugt davon, daß es nie so eng war, wie in der Zeit
um 1509, wünschen wir lebhaft, zu wissen, welche Werke gerade damals in der
fruchtbaren Werkstätte ausgeführt wurden. Dank stilkritischer Bemühungen ist
Engelbrechtsens „Werk" angewachsen, erscheint sogar erstaunlich umfangreich bei
Berücksichtigung des durch die Bilderstürme in Holland vernichteten Bestandes.
Die zeitliche Reihung der erhalten gebliebenen und bekannt gewordenen Bilder,
ist aber noch keineswegs gelungen und wird verwirrt durch Irrtümer, die im Schrift-
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