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und Lucas. Die Kreuzschraffierung ist ein dem Holzschnitte ungemäßes Mittel.
Der autonome Holzschnitt im 15. Jahrhundert vermeidet Kreuzlagen. Der Zeich-
ner, der selbst den Schnitt ausführte, wußte, weshalb er Kreuzlagen vermied.
Zumal die rechtwinklig sich kreuzenden Züge in des Leideners Schnitten erscheinen
stilwidrig. Original im engsten und strengsten Sinn ist der Holzschnitt nur im
15. Jahrhundert, und das Vermeiden oder sparsame Verwenden der Kreuzlagen
etwa in Dürers Baseler Illustrationen läßt die Nachwirkung der gesunden Tradition
erkennen.
Während Jacob Cornelisz. zufrieden beharrt bei seiner rauhen Formensprache,
wandelt sich Lucas mit der ihm eigenen Unbeständigkeit. Von dem kernigen,
knorrigen Vortrage wendet er sich früh zu einer wellig gleitenden Manier und
läßt, getragen von der Zeitströmung, den Amsterdamer Rivalen hinter sich. Frei-
lich bei gleichzeitigem Schaffen war der Leidener beträchtlich jünger als der
Amsterdamer und gehörte zu einer anderen Generation.
Der älteste Holzschnitt, der dem „Werk" des Meisters angefügt worden ist,
73 ohne daß Widerspruch dagegen laut wurde, der hl. Martin in dem am 31. März
1508 erschienenen Breviarium Traiectense, steht für sich. Lucas war 14 oder 15
Jahre alt, wenn anders das Geburtsdatum richtig überliefert ist. Nicht leicht machen
wir uns mit dem Gedanken vertraut, daß der Drucker den Auftrag einem Knaben
zugewendet habe.
In quadratischem Felde die gedrungene Gestalt des Ritters, breit, auf einem
schweren Rosse, dessen Beine in den nach vorn abschüssigen Erdboden wie ge-
rammt erscheinen, das schräg, verkürzt in den Raum gestellt ist, einen von Bau-
lichkeiten umgebenen Platze. Links ein Tor, in das ein Mann einreitet, so daß
nur der hintere Teil des Pferdes sichtbar bleibt. Der hl. Martin neigt sich dem Bett-
ler zu, der von rechts hastig heranhinkt und das Mantelstück ergreift, das der
Heilige abtrennt.
Die Zeichnung arbeitet straff das Wesentliche heraus. Wir haben Mühe, den
Meister wiederzuerkennen, der zur selben Zeit den Mahomet-Stich geschaffen hat.
Nichts von der aufspürenden, seelenkundlichen Beobachtung, die wir in den frühen
Kupferstichen bewundert haben. Damit will ich aber durchaus nicht die Autor-
schaft, was den Holzschnitt betrifft, in Frage stellen, vielmehr nur darauf hinweisen,
wie das biegsame Talent jeweils durch die Aufgabe — hier ein schlichtes, volks-
tümliches, in der Tradition geprägtes Thema — und durch das handwerkliche
Verfahren in diese oder jene Richtung gedrängt wurde. Mit Stämmigkeit und un-
schmiegsamer Derbheit ist dieser sein erster Holzschnitt der am meisten holz-
schnittmäßige unter allen, die Lucas geschaffen hat.
Im Jahre 1514 erschien wieder ein Breviarium Traiectense, reicher illustriert
von Lucas als das von 1508. Hier finden wir außer einem stattlichen Blatte mit dem
Gekreuzigten mehrere Schnitte von mittlerem Formate, dann in größerer Zahl
kleine mit den Evangelisten und Heiligen in ganzer Figur und noch kleinere mit
Halbfiguren. Das Datum 1514 darf keineswegs als gesichert gelten für alle diese
Schnitte. Manche von ihnen sind für andere, früher erschienene Bücher gezeichnet.

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