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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 3.1926

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Fundberichte
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Römische Zeit
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Goessler, Peter: Cannstatt. Römisches Büstengefäß aus Bronze und Parallelen dazu
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https://doi.org/10.11588/diglit.43774#0105
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93

den gelegentlich vorkommenden zylindrischen Fuß (wie z. B. i Nr. n und
z a Nr. i der folgenden Liste) hatte sie nicht. Ueber der Schläfengegend sind
2wei dichte Oesen angegossen. Sie tragen die ebenfalls starken Ringe, in
denen der mit eingeritztem Tannenzweigmuster verzierte bogenförmige
Tragreifen hängt. Dieser hat in der Mitte oben einen durch ein ein-
graviertes Kreuz geteilten ovalen Knopf, der aus der für unteritalische
Ornamentik gebräuchlichen Rosette (siehe Pernice, Hellenist. Kunst in
Pompeji IV S. n, 16 f.) entstanden ist. Er endigt in einem in die Oesen
eingehängten Haken, den von oben her je ein wagrecht abstehender Enten-
schnabel schließt. Dem starken Lockenkranz, der über der Stirne in mehrere,
von einander getrennte flammenförmige Haarbündel, nach hinten in stark
geringelte Locken endigt, entspricht die untere Einfassung der Vorderseite
der Büste durch Akanthusblattkapitelle mit Innenritzung, also in der be-
kannten Antinousform. Das Köpfchen selber ist fleischig, insbesondere ist
die Bildung der Pausbacken durch Nachziselierung der den. Mund und das
Kinn einrahmenden Vertikalfalten noch hervorgehoben. Der Mund ist
wulstig, die Nase breit. Die Augen sind sorgfältig gebildet. Die Pupillen
sind tief gebohrt; von der sonst üblichen Silberplattierung der Augen ist
keine Spur zu sehen, so wenig wie an den Lippen. Die Bronze ist hart, der
Guß gut. Das Stück zeigt keinerlei Verbeulungen oder Verletzungen. Der
Stilcharakter weist auf hadrianische Zeit hin. Das ausdruckslose
Gesicht, die plumpen Zottellocken, die da und dort durch nachträglich
einziselierte Linien zu beleben versucht ist, die groben Akanthusblätter
zeigen eine provinzielle Arbeit des 2. Jahrhunderts, welche die z. T. gut
charakterisierten Einzelheiten nicht mehr zum vollen Gesamteindruck zu
vereinigen versteht. S. Germania. 1926, 40 f. mit Abb. 6; danach unsere
Abb. 53.
Solche bronzenen Gefäße kommen sehr zahlreich vor nördlich der Alpen,
in Gallien, Germanien, Britannien, Norikum, Pannonien; dann besonders auch
in Aegypten. Aus Italien ist mir nur ein Stück, gefunden in Ostia, also wohl
Import, bekannt geworden. Entstehung des Typus, seine Verbreitung und
vermutliche Zweckbestimmung — Aufbewahrung von Räucher-
körnern zu profanem Gebrauch — wird in der Festschrift
für W. Amelung (erschienen 1926) auseinandergesetzt. Hier füge ich eine Liste
der mir — meist aus der Literatur — bekannten Exemplare aus dem Gebiet
nördlich der Alpen an.
Zu unterscheiden sind: 1. Allgemeine Typen, Götter und Menschen
beider Geschlechter und jeden Alters, gelegentlich karikiert. 2.Ethnographi-
sch e Typen, vor allem Neger und Negroide. Da eine Reihe später zu Lauf-
gewichten hergerichtet ist (vgl. z. B. v. Sacken, Die antike Bronzen des
K. K. Münz- und Antiken-Cabinetes in Wien, Taf. 18, 4) und andere von
den Bearbeitern von Haus aus für Gewichte gehalten worden sind, daher
in der Literatur, die sie als Gewichte auzählt, nicht zu erkennen sind, so
erhebt die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dazu kommen viele
ohne Fundortsangabe. Das kunsthistorische Museum in Wien z. B. besitzt
nicht weniger als 15, darunter auch Doppelbüsten, meist ohne eine solche.
S. v. Sacken, Die Sammlungen des K. K. Münz- und Antiken-Cabinetes
S. 289 Nr. 725 ff. Hier sollen in der Hauptsache nur solche mit sicherer
Herkunft3) genannt werden.

*) Daher wird z. B. nicht erwähnt das vorzügliche antinousälinliche Stück der
Sammlung Loeb bei Sieveking, die Bronzen der Sammlung Loeb. 1913, T. 31; o, 15,
mit Henkel 0,26 m hoch.
 
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