DIOMEDES
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gesichert. Auch einen zweiten auffälligen Zug der Münchner Statue ver-
missen wir an der Pariser; es fehlen letzterer jene zwei kleinen flachen
Querfältchen, welche wir dort oberhalb des Restes einer Stütze auf dem
Gewände sehen; diese Fältchen gehören aber wieder in dieser Art nur
dem hellenistisch-römischen Stile an.1 Die ganze Faltenpartie auf der
Schulter ist am Pariser Exemplar etwas einfacher, mit weniger effektvollen
Tiefen, durchweg etwas strenger behandelt. Hierin ist sie offenbar treuer
als die Münchner. Aus dem Fehlen des Schwertes aber dürfen wir nur
schliessen, dass es am Originale nicht so gebildet war wie an der Münchner
Kopie, nicht aber dass es auch dort gar nicht vorhanden war. Denn wir
wissen ja bestimmt, dass dergleichen Dinge an älteren griechischen Original-
werken immer besonders angesetzt wurden. Ein wirkliches, der originalen
Bronzestatue umgehängtes Schwertband und Schwert bot aber dem Kopisten
keine Kunstform dar, welche nachgebildet werden konnte; er musste sich
eine solche, wenn er jene Zuthat in seine Kopie überhaupt aufnehmen wollte,
schon selbst schaffen, so wie es der Münchner Kopist that. Ob an dem
Pariser Exemplare nicht einst ein Schwertgurt von anderem Materiale um-
gelegt war, können wir gar nicht wissen, namentlich da der herabfallende
Teil des Gewandes, wo vielleicht Spuren der Befestigung waren, nicht
antik ist2. Einen Mittelweg schlug der Verfertiger der erhaltenen Marmor-
kopie des Harmodios ein, indem er das dem Bronzeoriginale umgehängte
wirkliche Schwertband durch ein gemaltes ersetzte und die Schwertscheide
aus anderem Materiale anfügte. Denselben Fall aber, den wir am Münchner
Diomed statuieren, die plastische Bildung des Schwertbandes im Marmor
in einer vom Kopisten gewählten Gestalt, begegnet uns z. B. an einer Replik
des borghesischen Ares in Dresden,3 die ein mit Ranken verziertes Wehr-
gehänge zeigt, das den anderen Kopieen fehlt; auch hier ist anzunehmen,
dass das Original ein wirklich umgehängtes Schwertband hatte.
Die Münchner Kopie hat das Original also durch die plastische Aus-
führung des Schwertbandes im Marmor und durch jene leichte Umbildung des
Gewandes effektvoller und dem späteren Geschmacke zusagender zu machen
gesucht. Hierzu passt nun sehr gut, was wir ferner nachweisen können.
Sie hat nämlich die Haare zwar sehr sorgfältig gebildet und keineswegs
durch Nachlässigkeit verflacht wie die Pariser Kopie, wohl aber, ganz wie
bei den Falten, durch tieferes Einarbeiten eine stärkere Schattenwirkung
erzielt als das Original sie hatte.
Dies geht aus einer dritten Kopie des Kopfes hervor, die mir aller-
dings nur in einem alten Mengs'schen Abgüsse des Dresdener Museums
Flasch hat diese offenbar nicht bemerkt, indem er a. a. O. S. 9 versichert, das Gewand
sei frei von „naturalistischen Details und Zufälligkeiten".
Vorn ist nur der obere auf Schulter und Brust aufliegende Teil alt, hinten auch der
herabfallende Zipfel.
3 Becker, Augusteum Taf. 35.
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gesichert. Auch einen zweiten auffälligen Zug der Münchner Statue ver-
missen wir an der Pariser; es fehlen letzterer jene zwei kleinen flachen
Querfältchen, welche wir dort oberhalb des Restes einer Stütze auf dem
Gewände sehen; diese Fältchen gehören aber wieder in dieser Art nur
dem hellenistisch-römischen Stile an.1 Die ganze Faltenpartie auf der
Schulter ist am Pariser Exemplar etwas einfacher, mit weniger effektvollen
Tiefen, durchweg etwas strenger behandelt. Hierin ist sie offenbar treuer
als die Münchner. Aus dem Fehlen des Schwertes aber dürfen wir nur
schliessen, dass es am Originale nicht so gebildet war wie an der Münchner
Kopie, nicht aber dass es auch dort gar nicht vorhanden war. Denn wir
wissen ja bestimmt, dass dergleichen Dinge an älteren griechischen Original-
werken immer besonders angesetzt wurden. Ein wirkliches, der originalen
Bronzestatue umgehängtes Schwertband und Schwert bot aber dem Kopisten
keine Kunstform dar, welche nachgebildet werden konnte; er musste sich
eine solche, wenn er jene Zuthat in seine Kopie überhaupt aufnehmen wollte,
schon selbst schaffen, so wie es der Münchner Kopist that. Ob an dem
Pariser Exemplare nicht einst ein Schwertgurt von anderem Materiale um-
gelegt war, können wir gar nicht wissen, namentlich da der herabfallende
Teil des Gewandes, wo vielleicht Spuren der Befestigung waren, nicht
antik ist2. Einen Mittelweg schlug der Verfertiger der erhaltenen Marmor-
kopie des Harmodios ein, indem er das dem Bronzeoriginale umgehängte
wirkliche Schwertband durch ein gemaltes ersetzte und die Schwertscheide
aus anderem Materiale anfügte. Denselben Fall aber, den wir am Münchner
Diomed statuieren, die plastische Bildung des Schwertbandes im Marmor
in einer vom Kopisten gewählten Gestalt, begegnet uns z. B. an einer Replik
des borghesischen Ares in Dresden,3 die ein mit Ranken verziertes Wehr-
gehänge zeigt, das den anderen Kopieen fehlt; auch hier ist anzunehmen,
dass das Original ein wirklich umgehängtes Schwertband hatte.
Die Münchner Kopie hat das Original also durch die plastische Aus-
führung des Schwertbandes im Marmor und durch jene leichte Umbildung des
Gewandes effektvoller und dem späteren Geschmacke zusagender zu machen
gesucht. Hierzu passt nun sehr gut, was wir ferner nachweisen können.
Sie hat nämlich die Haare zwar sehr sorgfältig gebildet und keineswegs
durch Nachlässigkeit verflacht wie die Pariser Kopie, wohl aber, ganz wie
bei den Falten, durch tieferes Einarbeiten eine stärkere Schattenwirkung
erzielt als das Original sie hatte.
Dies geht aus einer dritten Kopie des Kopfes hervor, die mir aller-
dings nur in einem alten Mengs'schen Abgüsse des Dresdener Museums
Flasch hat diese offenbar nicht bemerkt, indem er a. a. O. S. 9 versichert, das Gewand
sei frei von „naturalistischen Details und Zufälligkeiten".
Vorn ist nur der obere auf Schulter und Brust aufliegende Teil alt, hinten auch der
herabfallende Zipfel.
3 Becker, Augusteum Taf. 35.