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Furtwängler, Adolf
Beschreibung der geschnittenen Steine im Antiquarium — Berlin, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.3974#0006
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VI Vorwort und Geschichte der Sammlung.

Die Stoschische. Sammlung enthielt Steine und Glaspasten; alle waren Intagli. Kameen
waren gar keine in der Sammlung. Sie war gebildet mit besonderer Rücksicht darauf, in
möglichst vollständiger Weise die antike Mythologie und Historie sowie die Alterthümer, die
Sitten und Gebräuche der Alten zu illustriren. Um grössere Vollständigkeit zu erzielen nahm
Stosch eine grosse Anzahl moderner Glaspasten in seine Sammlung auf. Diejenigen Pasten,
die Winckelmann für modern hielt, oder wol besser diejenigen, die das ihm vorliegende alte
Stoschische Verzeichniss als modern kenntlich machte, bezeichnete er in seiner Beschreibung
einfach als „päte de verre", die anderen, die antik sein sollten als „päte antique". Tölken
ist Winckelmann in dieser Scheidung blindlings gefolgt, obwol er sich sonst in seiner Vorrede
über diesen sehr erhaben fühlt. Tölken hat von seinem Verzeichniss einfach alle die bei
Winckelmann als „päte de verre" bezeichneten Pasten ausgeschieden, dagegen alle als „päte
antique" beschriebenen auch als wirklich antik aufgenommen, ohne den Versuch zu machen
durch eigene Kritik über Winckelmann oder besser dessen Gewährsmann Stosch hinaus-
zukommen.

Mich hat die Untersuchung der Stoschischen Pasten zu dem überraschenden Resultate
geführt, dass einerseits einige der bei Winckelmann als „päte de verre" verzeichneten, von Tölken
demnach als modem ausgeschiedenen Stücke zweifellose Antiken sind (so W. III 101 = 9860
meines Cataloges; ferner W. III 348 = 4938 und W. IV 80 = 5043), dass aber andererseits
eine sehr grosse Menge der bei Winckelmann als pätes antiques gegebenen, von Tölken ruhig
als antik mitaufgenommenen Pasten modern sind. Von diesen habe ich auf S. 334 fr No 9423
bis 9725 ein Verzeichniss gegeben. Es sind nicht weniger als 302 Stück. Diese Pasten haben
meist eine etwas rauhe Oberfläche, die offenbar absichtlich hergestellt ist, um den Anschein
antiker Corrosion zu erwecken. Diese Absicht wird bei flüchtiger Betrachtung auch erreicht.
Es bedarf eines durch lange Uebung geschulten Auges, um den Unterschied sogleich zu erkennen.
Bei genauer Untersuchung ist die echte antike Corrosion von jener nachgeahmten aber glücklicher-
weise immer sicher zu unterscheiden.

Als ein charakteristisches Beispiel für Winckelmann's und Tölken's Verhalten zu den
Stoschischen Pasten sei das folgende angeführt. In der städtischen Sammlung zu Leipzig
befindet sich ein sehr merkwürdiger griechischer Chalcedon der Epoche um 400 v. Chr., ein
durchbohrter rechteckiger an der Oberseite fünfseitig facettirter Stein. Sowol diese fünf Seiten
als die Unterseite sind gravirt. Hiervon hatte Stosch sich Glaspasten machen lassen und sie
seiner Sammlung eingereiht. Winckelmann beschreibt nun davon das Bild der Unterseite unter
Classe I No 135 als „päte de verre", natürlich, wie fast immer, ohne Angabe, wo das Original
sich befindet; denn Stosch hatte dies bei seinen modernen Pasten offenbar nur in den seltensten
Fällen notirt. Die Pasten der fünf Oberseiten jenes Steines (die in einem einzigen Glasfluss
abgegossen waren) beschreibt Winckelmann unter Classe VII No 80 als „päte antique". Die
Folge war, dass Tölken natürlich jene Paste der Unterseite als modern ausschloss, die der
fünf Oberseiten aber als antik aufnahm in seine Classe VIII No 40. Es zeigt dies Beispiel
ebenso die ungenügende Unterlage für Winckelmann's Arbeit, wie die Urtheilslosigkeit Tölken's.

Von jenen modernen Stoschischen Pasten, die Tölken als antik aufgenommen hat,
sind die Originale noch in vielen Fällen nachweisbar; manche sind z. B. nach Steinen der
Florentiner Sammlung gemacht. Häufig findet man bessere Abdrücke der Originale, nach
denen jene Stoschischen Pasten gemacht sind, in der grossen Cades'schen Sammlung.

Es versteht sich, dass die Stoschische Sammlung auch eine grosse Anzahl von Steinen
neuerer Zeiten enthielt. Das Winckelmann'sche Verzeichniss giebt nur 40 Stück (Steine und Pasten)
ausdrücklich als „gravures modernes" in Classe VIII; ausserdem aber nennt es verschiedene
Steine „copies". Natürlich sind aber viele Steine bei Winckelmann als antik beschrieben, die
neuere Arbeiten sind. Tölken hat 517 Stück der Stoschischen Sammlung ausgesondert und
in seinen Catalog nicht aufgenommen, theils als moderne Arbeiten, theils als (wie die metallenen
Ringe, Medaillons und Münzen) zu anderen Rubriken gehörige Antiken1). In dem vorliegenden
neuen Cataloge sieht man S. 323fr. No 8831—9416 die modernen vertieft geschnittenen Steine
zusammengestellt; unter diesen sind alle diejenigen, welche in Klammer eine Tölken'sche und

') Tölken, Verzeichniss, Vorrede S. XIII. XXVI. XXX. Sendschreiben S. 14 Anm. 4.
 
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