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Furtwängler, Adolf
Die antiken Gemmen: Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum (Band 2): Beschreibung und Erklärung der Tafeln — Leipzig und Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.824#0264
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2S8

BESCHREIBUNG DER TAFELN

Victoria gelenkt; von ihm ist Tibcrius {in Toga,
bekränzt, mit Scepter) im Begriffe herabzusteigen. Zur
Seite steht Germanicus als Jüngling mit Flaumbart,
im Panzer, die linke an den Schwertgriff gelegt, die
Rechte in die I [üfte gestützt. Beide bücken auf Augustus.
Gemeint ist ohne Zweilei der Moment, wie Tiberius bei
seinem Triumphe im Jahre 12 n. Chr., bevor er zum
Capitol einbog, vom Wagen stieg, um sich dem Vater
zu Füssen zu werfen (Sueton, Tib. 20).

Im unteren Streuen wird ein Tropaion (Helm,
Rock, Schild mit Skorpion) errichtet von zwei römischen
Soldaten in der Tracht höherer Offiziere (im griechischen
Panzer mit Schärpe wie bei Germanicus). Ihnen stehen
zwei Gehilfen, Jünglinge in blossem Leibschurze-, bei.
Am Boden ein Panzer und links undeutliches Geräte.
Hier sitzen zwei Gefangene mit auf den Rücken ge-
fesselten Händen, ein bärtiger Mann in Hosen, mit
nacktem Oberkörper, der trotzig emporblickt, und eine
trauernd den Kopf auf beide Hände stützende Frau
mit gelöstem Haare. Ich erkenne in ihnen Germanen
mit Bezug auf die Siege des Tiberius in Germanien.
Weiter rechts wird ein zweiter Gefangener zum Tropaion
herbeigeschleppt, der knieeud um Gnade fleht; auch
er trägt I losen und hat den Oberkörper nackt, doch
um den Hals hat er den gallischen torques und sein
Kopftypus ist von dem des Germanen wohl unter-
schieden; sein dünnerer Bart fiiesstvom Kinn länger herab.
Er ist wahrscheinlich ein keltischer Pannonier und
bezieht sich auf den von Tiberius niedergeschlagenen
pannonischen Aufsland (6—9 n. Chr.), Hinter ihm seine
Frau. Beide werden an den Haaren gerissen von zwei
Männern in nichtrömischer Tracht; der eine hat mittels
eines Kopftuchs aufgebundenes Haar, ein Fell über
dem Chiton, hohe Stiefel und zwei Wurflanzen; der

andere, in Exomis, trägt einen breiten Hut, die make-
donische Kausia. Diese beiden Männer beziehe ich auf
die thrakischen Hilfstruppen der Römer im pannoni-
schen Aufstand, die unter König Rhoemetalkes durch ihr
rasches Eingreifen von entscheidender Bedeutung waren.
Der Kameo erstrebt nicht bunte Farben Wirkung,
sondern begnügt sich mit dem Gegensatz von hell und
dunkel. Die Arbeit ist vorzüglich; docli im Vergleich
zu den Meisterwerken der Ptolemäerzeit etwas flau und
ohne grossen kraftvollen Zug Es besteht hier genau der-
selbe Unterschied, den wir schon zwischen der Meduse
Taf. LH, 6 sowie der Meduse der Tazza Farnese gegen-
über der aus augusteischer Zeit Taf, LH, 4 bemerkt haben.
Dafür zeigt die Gemma Augustea eine ausserordentlich
geschickte, weiche, jede Schärfe und Härte vermeidende
Modellierung mit den zartesten Übergängen. Besonders
gelungen sind die nackten Oberkörper des Augustus
und des sog. Caelus, ferner die Köpfe eben dieser
Personen und die der beiden balligen Barbaren, auch
der des Mannes im makedonischen Hut. In diesen
Köpfen bekundet sich so sehr dieselbe Ausdrucks- und
Arbeitsweise wie an der Meduse Taf. LH, 4, dass man
beide Werke derselben Hand zuschreiben möchte. Da
nun aber auch der mit Dioskurides Name signierte
Kameo Taf. HI, 5 ganz dieselben Eigenschaften zeigt
und in Schnitt, Material und in der vollendet weichen
Modellierung des Nackten dem Wiener Kameo überaus
nahe steht, so darf dieser, wie v. Schneider richtig
vermutet hat, dem Dioskurides zugeschrieben werden;
dass dies grossartige Werk der Glyptik von dem be-
vorzugten Hofsteinschneider des Augustus herrührt, ist
ja ohnehin wahrscheinlich, wird aber durch den Ver-
gleich mit dem signierten Berliner Kameo beinahe zur
Gewi>sheit erhoben.
 
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