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24Ö Tafel 108 Argonauten und Niobiden. Krater im Louvre zu Paris

Stellungen und Bewegungen, der Gesichtsausdruck giebt den Giebeln nichts nach.
Für uns, die wir mit der gesamten Malerei der grossen Zeit griechischer Kunst so
unendlich viel verloren haben, ist es wichtig, wenigstens den Wert dessen, was wir
noch besitzen, nicht zu. unterschätzen.

Dass unser Maler seine Vorbilder gerade unter den Schöpfungen Polygnots und
seiner Genossen sucht, das lässt sich, sicherer als durch den Krater von Orvieto, durch
den Rest1) eines anderen Werkes von ihm erweisen. Die hier in Fig. 88 wieder-
gegebenen Fragmente in Berlin stammen ohne Zweifel von der Hand unseres Meisters.
Und ebenso zweifellos ist, dass sie von der Kentaurenschlacht im Theseion ab-
hängen. Unter der völlig dem Apollon in der Niobidenszene entsprechenden Gestalt,
sieht man die Reste eines platt am Boden liegenden Kentauren; der apollinische
Jüngling kämpft weiter gegen einen zweiten Kentauren. Von der Kentauromachie
im Theseion erfahren wir durch Pausanias gerade nur soviel, dass die Lapithen in
noch unentschiedenem Kampf mit den Gegnern dargestellt waren und dass Theseus
allein schon einen Kentauren erlegt hat. So oft haben wir uns darüber zu beklagen,
dass an einer Antike das punctum saliens fehlt, darum freuen wir uns, dass der
kleine Scherben zufällig den entscheidenden Rest der Darstellung enthält, welchen
ebenso zufällig Pausanias gerade am Gemälde des Theseion der Erwähnung wert
hielt. Damit es uns nicht zu gut geht, erlaubt die Überlieferung leider nicht zu
entscheiden, ob die Kentauromachie von Polygnot oder von Mikon ausgeführt war;2)
nur dass einer der Meister des polygnotischen Kreises ihr Urheber war, können
wir mit gutem Gewissen behaupten.

Allein von der Darstellung auf der Hauptseite des Orvietaner Kraters wird
entsprechend dem Vorschlag des ersten Herausgebers meist angenommen, dass sie
von dem Gemälde des Mikon im Anakeion zu Athen inspiriert sei. Über dieses
Wandgemälde wissen wir aus der Überlieferung nur im allgemeinen, welches sein
Gegenstand war: die Argonauten, und gelegentlich erfahren wir noch, dass in dem
Bild die Töchter des Pelias und Akastos mit seinen Rossen zu seilen waren. Weder
von den Peliaden noch von Akastos noch seinen Rossen findet sich eine Spur auf
dem Krater. Die Anwesenheit der Peliaden macht nur soviel sicher, dass die Szene
des Wandgemäldes in Jolkos spielt. Allein dass es sich um die Rückkehr der
Argonauten oder um eine Versammlung derselben vor der Abfahrt handle, wird durch
das wenige Wissen, das uns über das Gemälde zur Verfügung steht, recht unwahr-
scheinlich. Wenn, wie Robert den Peliaden zulieb annimmt, der Palast des Pelias im
Bilde selbst zu sehen war, so würde Akastos, der als Bruder der Peliaden von eben
diesem Palaste herkommt, nicht auf einem Wagen die kurze Strecke zurücklegen.
Noch weniger aber würde das Gespann die Rückkehr der Argo erwarten. Welcher
Moment der Argonautensage Mikon als Thema gestellt war, bleibt zum mindesten
zweifelhaft.

Aber sehen wir nun zu, ob die Heldenversammlung auf dem Krater sicher
aus Argonauten zusammengesetzt ist. Über jeden Zweifel erhaben kann man die
Deutung nur bei zwei Gestalten im Bild nennen, bei Athena und Herakles. Und
ein weiteres macht die Komposition völlig klar, dass Herakles, der so absichtlich in

*) Berlin. Furtwüngler, Vasensammlung, 2403. Die Abhängigkeit der Vase vom Bild
Theseion hat zuerst Robert^ Mnnuhonscli lacht, 49, erkannt.

3) Rcbeiih MarnthonschUcht, 47, entscheidet sich für Polygnot,
 
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