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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 4): Denkmäler der neueren Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3504#0204
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Mexicanische Denkmäler.

Die Archaelogie hat sich seit etwa fünfzig Jahren zu einer Wissenschaft erhoben, deren Aufgabe es
ist, das Alter der Völker nach ihren Kunstdenkmälern zu bestimmen und sie darnach in die Geschichte
eintreten zu lassen. Es ist dies ein langwieriges und schwieriges Unternehmen, das viele Arbeiter
erfordert, mühevolle Forschungen nöthig macht und zu dem eben nur der Anfang gemacht worden
ist. Aber mit lebhaftestem Eifer und unermüdlichster Geduld verfolgt sie ohne Rast ihre schönen und
merkwürdigen Untersuchungen. Nachdem uns die Archaeologie in das asiatische, afrikanische und grie-
chische Alterthum eingeführt hat, eröffnet sie uns jetzt das Studium und die Erforschung der Länder und
Völker des neuen Continents, des nördlichen, mittleren und südlichen Amerikas.

Das Studium der Baudenkmäler Amerikas ist noch in seiner Kindheit. Wir kennen bis jetzt nur eine
kleine Zahl seiner Monumente, und was wir davon kennen ist eben auch nur beschränkt und sehr ober-
flächlich. Man hat uns die merkwürdigen Reste seiner Baudenkmäler nur von ihrer malerischen Seite
gezeigt, und wir besitzen bis jetzt weder Grundrisse, Durchschnitte, Aufrisse noch Details von ihnen;
wir können sie nur aus den Zeichnungen reisender Landschaftsmaler kennen lernen. Ueberdies haben
uns diese Reisenden nur einige der merkwürdigsten Baudenkmäler, die an gewissen Orten gruppirt ge-
funden werden, kennen gelehrt. Es liegt uns noch keine hinreichend zahlreiche Reihe derselben vor, um
sie mit chronologischer Sicherheit classificiren, um eine methodische Folge derselben nach ihren ver-
schiedenen Arten aufstellen zu können, um so weniger sind wir jetzt schon im Stande, aus ihnen Schlüsse
zu ziehen, die Licht über die Geschichte, die Religion und die Sitten der Völker verbreiten könnten, die
diese Denkmäler errichteten. Bei dem jetzigen Zustande der Kenntniss des amerikanischen Alterthums
können wir von dem letzteren nur in sehr allgemeiner Weise handeln.

Bei der Entdeckung Amerikas fand man die Bewohner desselben in einem Zustande der Barbarei,
der kein ursprünglicher, sondern der einer gewissen Civilisation gefolgt zu sein schien. Das Hauptresultat
aller neueren historischen Untersuchungen über den Zustand der Völker Amerikas vor der Entdeckung
des Christoph Columbus ist dieses, dass die spanischen Eroberer den östlichen Theil des neu entdeckten
Continents viel weniger civilisirt vorfanden als den westlichen Theil längs des Oceans. Diese westlichen
Völker selber lebten in Mitten von Spuren einer grösseren und vorgeschrittenen Vergangenheit, die uns
diese riesigen Denkmäler hinterliess, welche jetzt die Aufmerksamkeit Gelehrter und Künstler auf sich
ziehen. Historisch lassen sich vier Hauptpunkte als Sitze der ältesten amerikanischen Civilisation nach-
weisen: 1, die Gegend an den Quellen der Flüsse Columbia, Gila und Colorado; 2, das Hochplateau von
Mexico mit der Stadt Mexico, dem Centralpunkt des alten Königreichs Anahuac; 3, die Provinz Guatimala,
nördlich bis Chiapa; 4, das Land des alten Reichs der Inkas oder Peru. Diese vier Knotenpunkte alter
Civilisation unterscheiden sich wesentlich von einander sowohl nach ihren Monumenten, als nach ihren
Traditionen und nach dem Character ihrer Bewohner, jeder derselben war der Ausgangspunkt einer eigen-
tümlichen Civilisation.

Wir müssen uns hier auf die Denkmäler des Hochplateaus von Mexico beschränken, und wollen
gleich anfangs sagen, dass der heutige Zustand unserer historischen Kenntnisse feststellt, dass diese
Monumente nur aus dem Mittelalter datiren. Zu verschiedenen Zeiten desselben haben in Amerika Völker-
wanderungen von Norden nach Süden statt gefunden, in Folge derselben wurden im südlichen Theile von
Mexico, besonders aber auf dem Hochplateau Mexico, dem alten Anahuac, civilisirte und blühende Staaten
gegründet. Es herrschte dort der absoluteste asiatische Despotismus in der Hand einer zahlreichen und
grausamen Priesterschaft, die im Namen einer Religion, die Menschenopfer forderte, deren in solcher
Fülle veranstaltete, dass diese Opfer wahrhafte Menschen-Schlächtereien waren, und die Zahl der Geop-
ferten allen menschlichen Glauben übersteigt. Die amerikanische Priesterschaft, erinnert an die Thibets
und Japans. Das Costume der Priester, besonders ihr roth- und gelber Kopfputz, führt uns in den Kreis
der buddhistischen Culte, bei denen uns die Menschenopfer wie ein fremdes und gewaltsam aufgedrungenes
Element erscheinen. Da hingegen erinnern die colossalen Statuen, die Büssungen, die Geisselungen, die
Fasten, die Blumenopfer und die Vorliebe für die Blumen, die wir bei den alten Amerikanern wieder-
finden, wieder an dem Buddhismus, dem wir mit der modificirten Idee der Seelenwanderung und mit den
colossalen Baudenkmälern im nördlichen und südlichen Indien begegnen. Diese amerikanische Priester-
schaft hatte eben so ihre hieratischen Gesänge und eine alte Geheitnsprache.

Die Amerikaner verbrannten ihre Todten, wieder eine Annäherung an den Cultus Indiens! Nur unter
gewissen Umständen begrub man die Verstorbenen in monumentalen Gräbern auf einem kleinen Stuhle,
jepolli, sitzend; man legte ihnen dann die Werkzeuge, deren sie sich im Leben bedient hatten, zur Seite,
und stellte neben sie kleine Götzenbilder, wie man dies auch in Indien that. Diese Götzenbilder waren

Denkmäler der Baukunst "XVII. Lieferung.
 
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