I. Geschichtliches. 35
so ist klar, dass der Askese schon damals keine geringere Macht zugeschrieben
wurde, wie in der klassischen Sanskritlitteratur, in der uns die Asketen als
allmächtige Zauberer entgegentreten. Während ursprünglich der ekstatische
Zustand, in dem der Mensch sich in höhere Sphären^.u erheb^« glaubt; haupt-
sächlich durch Fasten und andere Kasteiungen erstrebt wurde, verlegte man
bei der fortschreitenden Verinnerlichung des geistigen Lebens in Indien den
Schwerpunkt immer mehr auf die Meditation und Versenkung. _ Damit wuchs
der Begriff des Yoga (etymologisch »Anschirrung«, d. h. Anspannung der
geistigen Kräfte durch Concentration des Denkens auf einen bestimmten Punkt)
aus dem des Tapas heraus. Das Tapas oder die leibliche Askese wurde zu
einem Hilfsmittel zur Förderung des Yoga oder der geistigen Askese, wenn
auch naturgemäss die beiden Begriffe nicht immer von einander geschieden
sind. Das Wort yoga tritt in der angegebenen Bedeutung erst beträchtlich
später auf als tapas. Aber das Alter des eigentlichen Yoga darf deshalb
nicht unterschätzt werden; denn neuere Untersuchungen haben gelehrt, dass
der Buddhismus nicht allein von dem theoretischen Sämkhya, sondern auch
von der praktischen Yoga-Lehre ausgegangen ist, der Buddha eine Reihe von
Begriffen entlehnt hat2. Anhänger der Yoga-Lehre sind auch bereits im Brah-
majäla Sutta erwähnt3.
Gough4 sucht die Entstehung der Yoga-Praxis auf den.Einfluss der rohen
Völkerschaften zurückzuführen, mit denen die eingewanderten Arier verschmol-
zen, und beruft sich dabei auf Tylor's Primitive Culture I, 277, wo ausge-
führt ist, dass bei wilden Völkern die durch Meditation, Fasten, Narkotisirung,
Erregung oder Krankheit hervorgerufene Ekstase ein in hoher Wertschätzung
gehaltener Zustand sei. Ich brauche nach dem eben Gesagten diesen Ge-
danken keiner eingehenderen Erwägung mehr zu unterziehen; denn was Gough
für eine Entlehnung in historischer Zeit hält, ist in der That ein Erbteil aus
dem grauesten Altertum des indogermanischen Stammes.
Wenn Räjendraläla Mitra 5 meint, dass in Indien das Object der Ver-
senkung natürlich zuerst die Gottheit in dieser oder jener Form gewesen sei,
so ist das eine unbewiesene und meines Erachtens unrichtige Annahme, gegen
welche die Geschichte des Yoga (s. unten IV § 1) spricht. Nach der tech-
nischen Erklärung6 ist yoga »die Unterdrückung der Functionen des Denk-
organs« — d. h. derjenigen Functionen, die auf den Einflüssen der Aussenwelt
beruhen —, oder positiv gewendet »die Beschäftigung mit einem einzigen
Princip« (eka-tattvä-'bhyäsay', unter dem zuerst und vorzugsweise der Ätman
verstanden wurde. — Vereinzelt wird das Wort yoga auch im Sinne von yogin
»Anhänger des Yoga-Systems« gebraucht8.
1 Oldenberg, Religion des Veda 401—407 u. sonst, Deutsche Rundschau XXII
211. — 2 KB. I, 470 fr., Jacobi, Nachr. der Gbtt. Ges. d. Wiss. 1896, 45 ff. —
3 S. Ph. 6, Anm. — 4 Philosophy of the Upanishads 18, 19. — 5 Yoga Aphorisms
p. XII. — 6 Yogasütra I, 2; Vyasa macht in seinem Commentar darauf aufmerk-
sam, dass sarva nicht in dem Compositum ritta-vrtii-nirodha enthalten ist. — 7 Yogas.
I, 32. — 8 BRYV. s. v. I, z.
§ 3. Die ältesten Erwähnungen von Yoga-Lehren in der brah-
manischen Litteratur. Hier scheint der Yoga zum ersten Male Taitt. Up.
H, 4 in dem Satze yoga ätmä »Concentration ist sein (des Erkennenden) Leib«
genannt zu sein; eigentliche Yoga-Lehren aber begegnen uns erst in der
zweiten Schicht der Upanisads, und zwar in den nämlichen Werken, in denen
wir auch die ältesten Anführungen von Sämkhya-Lehren vorfinden1, wie sich
jetzt mit Leichtigkeit aus Jacob's Concordance to the principal Upanishads
ersehen lässt; d. h. in der Katha, MaitrI und Svetäsvatara Upanisad. In dem
(allerdings wohl später hinzugefügten2) Schlussverse der Kath. Up. ist schon
3*
O ■
so ist klar, dass der Askese schon damals keine geringere Macht zugeschrieben
wurde, wie in der klassischen Sanskritlitteratur, in der uns die Asketen als
allmächtige Zauberer entgegentreten. Während ursprünglich der ekstatische
Zustand, in dem der Mensch sich in höhere Sphären^.u erheb^« glaubt; haupt-
sächlich durch Fasten und andere Kasteiungen erstrebt wurde, verlegte man
bei der fortschreitenden Verinnerlichung des geistigen Lebens in Indien den
Schwerpunkt immer mehr auf die Meditation und Versenkung. _ Damit wuchs
der Begriff des Yoga (etymologisch »Anschirrung«, d. h. Anspannung der
geistigen Kräfte durch Concentration des Denkens auf einen bestimmten Punkt)
aus dem des Tapas heraus. Das Tapas oder die leibliche Askese wurde zu
einem Hilfsmittel zur Förderung des Yoga oder der geistigen Askese, wenn
auch naturgemäss die beiden Begriffe nicht immer von einander geschieden
sind. Das Wort yoga tritt in der angegebenen Bedeutung erst beträchtlich
später auf als tapas. Aber das Alter des eigentlichen Yoga darf deshalb
nicht unterschätzt werden; denn neuere Untersuchungen haben gelehrt, dass
der Buddhismus nicht allein von dem theoretischen Sämkhya, sondern auch
von der praktischen Yoga-Lehre ausgegangen ist, der Buddha eine Reihe von
Begriffen entlehnt hat2. Anhänger der Yoga-Lehre sind auch bereits im Brah-
majäla Sutta erwähnt3.
Gough4 sucht die Entstehung der Yoga-Praxis auf den.Einfluss der rohen
Völkerschaften zurückzuführen, mit denen die eingewanderten Arier verschmol-
zen, und beruft sich dabei auf Tylor's Primitive Culture I, 277, wo ausge-
führt ist, dass bei wilden Völkern die durch Meditation, Fasten, Narkotisirung,
Erregung oder Krankheit hervorgerufene Ekstase ein in hoher Wertschätzung
gehaltener Zustand sei. Ich brauche nach dem eben Gesagten diesen Ge-
danken keiner eingehenderen Erwägung mehr zu unterziehen; denn was Gough
für eine Entlehnung in historischer Zeit hält, ist in der That ein Erbteil aus
dem grauesten Altertum des indogermanischen Stammes.
Wenn Räjendraläla Mitra 5 meint, dass in Indien das Object der Ver-
senkung natürlich zuerst die Gottheit in dieser oder jener Form gewesen sei,
so ist das eine unbewiesene und meines Erachtens unrichtige Annahme, gegen
welche die Geschichte des Yoga (s. unten IV § 1) spricht. Nach der tech-
nischen Erklärung6 ist yoga »die Unterdrückung der Functionen des Denk-
organs« — d. h. derjenigen Functionen, die auf den Einflüssen der Aussenwelt
beruhen —, oder positiv gewendet »die Beschäftigung mit einem einzigen
Princip« (eka-tattvä-'bhyäsay', unter dem zuerst und vorzugsweise der Ätman
verstanden wurde. — Vereinzelt wird das Wort yoga auch im Sinne von yogin
»Anhänger des Yoga-Systems« gebraucht8.
1 Oldenberg, Religion des Veda 401—407 u. sonst, Deutsche Rundschau XXII
211. — 2 KB. I, 470 fr., Jacobi, Nachr. der Gbtt. Ges. d. Wiss. 1896, 45 ff. —
3 S. Ph. 6, Anm. — 4 Philosophy of the Upanishads 18, 19. — 5 Yoga Aphorisms
p. XII. — 6 Yogasütra I, 2; Vyasa macht in seinem Commentar darauf aufmerk-
sam, dass sarva nicht in dem Compositum ritta-vrtii-nirodha enthalten ist. — 7 Yogas.
I, 32. — 8 BRYV. s. v. I, z.
§ 3. Die ältesten Erwähnungen von Yoga-Lehren in der brah-
manischen Litteratur. Hier scheint der Yoga zum ersten Male Taitt. Up.
H, 4 in dem Satze yoga ätmä »Concentration ist sein (des Erkennenden) Leib«
genannt zu sein; eigentliche Yoga-Lehren aber begegnen uns erst in der
zweiten Schicht der Upanisads, und zwar in den nämlichen Werken, in denen
wir auch die ältesten Anführungen von Sämkhya-Lehren vorfinden1, wie sich
jetzt mit Leichtigkeit aus Jacob's Concordance to the principal Upanishads
ersehen lässt; d. h. in der Katha, MaitrI und Svetäsvatara Upanisad. In dem
(allerdings wohl später hinzugefügten2) Schlussverse der Kath. Up. ist schon
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