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Die Gartenkunst — 1.1899

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Schultz, Benno G. F.: Künstliche Felsanlagen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0016

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6 DIE GARTENKUNST I, 1

Künstliche Felsenanlagen.
(Benno Gr. F. Schultz.)

L

Zur Verschönerung von Gärten und Parkanlagen, so-
wie zur Erinnerung und Freude an genufsreich verlebte
Tage im Hochgebirge beim Anblick einer herrlichen Flora
— gehören unstreitig künstliche Felsenanlagen oder Ge-
steinsgruppen, welche in ihrem plastischen Aufbau und
Umfang sehr verschieden sein können. Solche Anlagen
sollen ja nur ein Abglanz des Ganzen sein und eine oder
mehrere Gebirgsformationen im kleinen darstellen. Unter
Gebirgs-Formationen versteht man schlankweg den In-
begriff von Gebirgsgliedern, die überall in ihren
Eigenschaften und Bildungsvorgängen im wesentlichen
sich gleich bleiben. Die Formation ist entweder sedi-
mentär, d. h. geschichtet, durch Meerwasser gebildet,
oder sie ist eruptiv oder emporgehoben, entstanden
durch unterirdische Gewalt. Zur Sedimentformation ge-
hören z. B. der Kalkstein, Schiefer und Sandstein,
welche sich durch tafel- und plattenförmige Lagerung
charakterisieren, man nennt diese Gesteine Schichten-
gesteine und die von ihnen gebildeten Gebirge Schichten-
gebirge. So gehört z. B. zu den landschaftlich schönsten
Schichtenbildungen das Elbsandsteingebirge, bekannt als
„Sächsische Schweiz". — Die Eruptivformation ist ein
vulkanisches Gebilde, also ungeschichtet und heifst Massen-
gestein , es gehören zu demselben Basalt, Phonolith,
Trachyt, Lava und Tuffstein. So ist z. B. das landschaft-
lich schöne Siebengebirge bei Bonn a. Rh. ein Basalt-
gebirge, der Hohentwiel bei Singen ein vulkanischer
Phonolitkegel. Als dritte und älteste Formation ist zu er-
wähnen die Primitiv- oder Urformation^durch platonische
Kräfte gebildet, bestehend aus Gneifs und Granit nebst
Abarten, beide bekannt als das härteste Ur-Massengestein.
Das sächsisch-böhmische Erzgebirge ist ein Gneifsgebirgo;
das 5 Meilen lange und 4 Meilen breite Fichtelgebirge be-
steht aus Granit, die Urgebirgsalpen sind Granitfelsen
und Wohnsitz der zierlichsten und schönsten Alpenpflanzen.
Beim Aufbau einer gröfseren Felsen-^ oder Alpenanlage
kommen alle Gesteine der vorgenannten Formationen zur
Verwendung. Gestaltung, Umfang und Höhe soll unregel-
mäfsig, mehr lang wie breit und in ihrer gröfseren Ab-
dachung nach Osten und Westen gerichtet und mit vielen
Einschnitten und Einbuchtungen versehen sein, die Gipfel-
höhe soll neben kleineren Erhebungen in Form von Kuppen,
Spitzen und Zacken 6 m nicht übersteigen.

Die Alpenanlage im Botanischen Garten zu Innsbruck
ist von mittlerer Gröfse und stellt im Umrifs die Gebirgs-
formation Tirols dar.

Soll durch umfangreiche über 6 m hohe Felsenan-
lagen ein Gebirgszug nachgeahmt werden, so darf der
künstliche Aufbau nicht plötzlich, sondern nur allmählich
ansteigen, er soll, wie das erhabene Vorbild der Natur, in
landschaftlicher Beziehung auf den Beschauer einwirken,
in ihm das Gefühl der Freude und des Wohlgefallens er-
wecken. Solche Anlagen, welche die verschiedenen For-
mationen zur Anschauung bringen sollen, müssen zwischen

den einzelnen Gesteingsruppen Steige und Stufen erhalten,
um bequem zu denselben gelangen zu können. Ferner müssen
Steilwände, Geröll- oder Schutthalden, sowie Thäler nach-
geahmt werden; durch Wasserleitung läfst sich zur Be-
lebung des Ganzen eine Quelle anbringen, welche von der
Höhe herabrieselnd, in ein Sumpfbeet oder Wasserbecken
mündet. Als sehr wirkungsvoll dürfen Alpenwiesen oder
Matten nicht fehlen, für welche sich am besten sanfte Ab-
hänge und muldenförmige Einsenkungen eignen; sie können
für ausgedehnte Alpenanlagen 5 qm grofs, an verschiedenen
Stellen angebracht, entsprechend kleiner sein. Alpen-
matte ist eine Wiese, die gemäht wird, daher Mahde
oder Matte, Alpenweide ist eine Trift, auf der das Vieh
weidet.

Alp, Alpe bedeutet in der Gebirgssprache soviel
wie hohe Wiese oder Hochwiese. Fluh heifst in der
Schweiz ein Felsstock, in Tirol werden Felskegel Kogel
oder Kofi genannt; bekannt sind ja z. B. der anmutige
Gamsk'arkogel bei Wildbad Gastein, sowie der Grau-
kogl, aus dem die berühmten heifsen Quellen fliefsen,
und der Ankogl mit seinem gewaltigen Gletscher als
großartiger Thalschlufs des Anlaufthaies. Grofse Felsen-
anlagen können eingeteilt werden in Mittel- und Hochge-
birge, in Voralpen, Mittel- und Hochalpen, in geographischer
Hinsicht stellt man dar Alpen der Pyrenäen, des Kaukasus
und Taurus, des Libamn- und Himalaya-Gebirges und
der Gebirge Nordamerikas.

Als Beispiele dieser Art seien die Felsenanlagen in
den königl. botanischen Gärten zu Berlin und München
erwähnt. Die einfachste Anlage ohne geognöstischeRück-
sicht bei Verwendung der Gesteine ist die aus Fels-
hügeln, welche aus Steinen, wie sie gerade zur Hand
sind, in beliebiger Höhe, höchstens bis zu 1 m, etwa in
Form eines flachen Höhenzuges gebildet und bepflanzt wird;
eine solche Anlage verdient aber kaum die Bezeichnung
„Alpinum".

Bei Anlage von Felspartien, gleichviel welcher
Gröfse, kann nicht oft genug betont werden, dafs diese
einen hellen, sonnigen Standort in einem Garten oder
in der Parkanlage erfordern, dafs sie nach allen Seiten
hin freistehend sein müssen und nicht von hohen Bäumen
und Gebäuden eingeengt und beschattet werden dürfen. Auf
die Nichtbeachtung dieser Fundamentalregel sind ledig-
lich die Mifserfolge zurückzuführen; die Anlagen wurden
als kostspielig befunden, nicht wieder erneuert und ge-
rieten in Verfall und Vergessenheit. Gewifs sind an
sich Alpenanlagen kostspielig und werden es noch im
höheren Grade sein , wenn einerseits die Gesteine nicht
mit Sachkenntnis an passender Stelle hergerichtet und
aufgebaut, andrerseits die meist empfindlichen Alpen-
pflanzen ohne Verständnis, Sorgfalt und Ausdauer gepflanzt
und gepflegt werden. Die Alpenanlagen sind eben keine
Kartoffelfelder, die Alpenpflanzen echte Luft- und Sonnen-
kinder!

Früher glaubte man durch schattige Standorte
den Gebirgs- und Alpenpflanzen eine Wohlthat zu er-
weisen, in der irrtümlichen Voraussetzung, dafs durch die
geringere Einwirkung der Sonnenwärme bezw. durch die
 
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