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Die Gartenkunst — 2.1900

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Hampel, Carl: Oragnisations- und Lehrplan der Gärtner-Lehranstalt zu Wildpark-Dahlem
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0158

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146 DIE GARTENKUNST * II, 8

Wert für die Aneignung praktischer Kenntnisse und Er-
fahrungen liegen dürfte, als in der Forderung im Lehrplan,
wird jeder objektiv Beurteilende kaum anzweifeln können.

Und nun bedenke man die lange Zeit, die zwischen
dem Abgang von der Schule und dem Eintritt in die
Anstalt liegt, und das für junge Leute, die nur das Ein-
jährigen-Zeugnis haben, also in allen Disziplinen noch nicht
diejenige Festigkeit besitzen, die sie nicht vieles innerhalb
dieser Zeit verlernen liefs.

Beschämend für den jungen Mann, welcher die Gärtnerei
erlernen und die Lehranstalt besuchen will, ist der Grund,
welcher den Vorteil der 4jährigen praktischen Vorbildung
darin sieht, dal's wegen des dadurch erreichten reiferen
Lebensalters das bisherige Internat fortbleiben kann. 1 »aniit
erklärt der Organisationsplan den Gärtner gewissermafsen
in eine niedere Menschenklasse. Denn während der
Landwirt z. B., welcher das Einjährigen-Zeugnis hat, nach-
dem er 2 Jahre gelernt hat, die landwirtschaftliche Hoch-
schule als Student besuchen kann, er hierfür also reif be-
funden wird, mufs deijenige, welcher Gärtner wird, um
diese Befähigung zu besitzen, d. h. über sich selbst zu
wachen, erst älter werden, also 4 Jahre lernen.

Und wie schön klingt es nicht, dafs ihm die Kosten durch
diese längere Vorbildungszeit erleichtert werden. Ich habe
bisher immer noch gefunden, dafs eine Ausbildung und alles
was dazu gehört, Geld kostet, und so ist es auch hier: sie
erhöhen sich durch das längere Hinausziehen.

Und diese Fürsorge, wie sehn eil wandelt der Organisations-
plan sie in das Gegenteil um!: „Die Aufnahme von Schülern
findet alljährlich im Oktober statt." Hier ist also auf die
thatsächlichen Verhältnisse gar keine Rücksicht genommen
worden, auch zeigt sich hieran, dafs an dem ganzen Or-
gan isations- und Lehrplan Fachleute nicht mitgearbeitet
haben können. Wie schwer wird es den Studierenden
werden, mit dem Oktober Stellungen zu erhalten, also zu
einem Zeitpunkte, wo man in den Gärtnereien anfängt, die
Kräfte zu verringern. Warum ist man von der Aprilauf-
nahme zurückgegangen, wo die Krlangung einer Stellung
nicht entfernt die grofsen Schwierigkeiten hat, wie im
Oktober?

Nun auf den Lehrplan selber eingehend, fällt es darin
auf, dafs die Zulassung zu den 3 verschiedenen Kursen
von einer nach dem 1. Jahr abzulegenden Prüfung abhängig
gemacht wird. Da nun aber der Lehrplan im ersten Jahr
ein ganz allgemeiner ist, ohne jedwede Rücksichtnahme auf
die 3 Kurse (1. Landschaftsgärtnerei, 2. Obstbau, 3. gärt-
nerischen Pflanzenbau), so ist es mir nicht recht klar, wie
man danach eine Prüfung abhalten will, von deren Aus-
fall die Zuweisung in das eine oder andere Fach abhängig
gemacht werden kann.

Dem ganzen Lehrplan fehlt das Lebendige, das den
Studierenden zum eignen Nachdenken Anhaltende; hierauf
hä!te Bedacht genommen werden müssen und sollen. Hat
schon der Studierende durch die lange Zeit seit dem Ver-
lassen der Schule den damit verbundenen schulmäfsigen
Lernzwang verlernt, so wird er beim Eintritt in die Lehr-
anstalt gezwungen, sich wieder daran zu gewöhnen, und
ist dies kaum geschehen, dann überläfst man ihn im

2. Jahr dem freien Arbeiten. Es mag einzelne geben, die
diese Umwandlung schnell erfassen, die gröfsere Mehrzähl
aber wird nun der neuen Gewohnheit folgen und schul-
mäfsig weiter arbeiten und damit der Anstalt die Mittel-
mäfsigkeit sichern.

Warum der Schulzwang im ersten Jahr notwendig ist,
ist nicht recht zu verstehen, es sollte schon hier mit dem
freien Unterricht begonnen werden; auch hierin liegt eine
Erziehung und zwar die bessere fürs Leben, weil sie
mehr denkende Menschen schafft.

Warum für jedes der 3 Fächer nicht von vornherein
der Lehrplan aufgebaut ist, ist nicht recht einzusehen.
Die sämtlichen 3 Fächern gleichlautenden Disziplinen kommen
dabei doch zu ihrem Recht und zwar ohne eine Beschwerung
für den Lehrplan. In einem solchen Lehrgang läge ein
wahrer Segen. Oder man hätte sich wenigstens mit ■/» Jahr
gemeinsamen Unterricht begnügen und dann die Spaltung
eintreten lassen sollen.

Bezeichnend für die Auffassung im Lehrplan ist es,
dafs darin das Planzeichnen schon im 1. Jahre gelehrt
wird, also ohne alle und jede Kenntnis von dem Wesen
der Gartenkunst; während es doch notwendig ist, dem
Studierenden neben dem Planzeichnen das Verständnis
über das, was er zeichnet, durch Vortrag in der Gartenkunst
zum Bewufstsein zu bringen; es soll das Zeichnen also ein
denkendes sein.

Was der Lehrplan mit diesem Zeichnen ganz übersieht,
ist die aufsorordentliche Halbbildung, welche dadurch ge-
fördert wird und die alle diejenigen in die Welt hinaus-
tragen, welche entweder nach dem 1. Jahr die Lehranstalt
verlassen oder sich dem Obstbau oder Pflanzenbau zuwenden.
Und warum will man Leute mit diesem Zeichnen quälen,
die weder Lust und Talent dazu besitzen, oder einem
Studienzweig sich zuwenden, der seiner ganzen Beschaffen-
heit nach, dies nicht gebraucht, und dies alles, um augen-
scheinlich nur einen Lehrplan durchzuführen!

Dieselbe Unklarheit, nur in gesteigertem Mafse, bringt
der Lehrplan für das 2. Jahr für die Gartenkunst. Warum
hier der Ausdruck „Landschaftsgärtnerei" gewählt worden
ist, ist nicht verständlich. Während in „Gartenkunst" die
ganze Thätigkeit des Gartenkünstlers zum Ausdruck gebracht
wird, liegt in dem Worte „Landschaftsgärtnerei" immer nur
ein einseitiger Begriff und zwar ist darunter zu verstehen
die Ausübung der Gärtnerei in der Landschaft. Eine Lehr-
anstalt sollte sich einer solchen unbestimmten Bezeichnung
für ein Feld von weiter Ausdehnung nicht bedienen und
ist es deshalb zu empfehlen, den Ausdruck „Gartonkunst"
im Lehrplan zu wählen.

Ist schon die Klage über den Lehrplan für das 1. Jahr
grofs, so kann derjenige im 2. Jahr für die Gartenkunst
aufgestellte gar nicht befriedigen, wie wir gleich sehen
werden.

Der Plan lautet:
Theorie und Geschichte der Landschaftsgärtnerei 3 Stunden

Garten-Architektur..........2 „

Gehölzkunde und Gehölzzucht......3 „

Mathematik............2 „

Feldmessen und Nivellieren......4 „
 
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