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Die Gartenkunst — 2.1900

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DIE GARTENKUNST

171

väter der deutschen Gartenkunst: Lenne und Fürst Pückler-
Muskau.

Welch gewaltige Ausdehnung dieser Park besitzt, erhellt
schon aus der Gesamtlänge der Wege von 23, früher sogar 25
Kilometer, unter denen besonders originell der ringsum nahe
der Grenze hinführende Rasenweg ist.

Charakteristisch für die Verwaltung des Parkes ist die
gröfse Pietät, mit welcher sowohl die innere Schlofseinrichtung
als auch die Grundzüge des Parks in derselben Gestalt erhalten
werden, welche der Schöpfer der Kronbesitzung ihnen ur-
sprünglich bestimmt hat. Dies geschieht namentlich auf Wunsch
der Grofsherzogin von Baden, welche seit dem Ableben des
Kaiser Wilhelm I. darüber verfügt.

Das Anwesen steht unbewohnt, wird jedoch vom jetzigen
Kaiser vielfach bei Wagen- und Schlittenpartien, auch in Ge-
sellschaft fremder Monarchen, besucht.

Der Park hat zahlreiche Aussichten, die fast alle nach Westen
gerichtet sind und daher sich am vorteilhaftesten bei Morgen-
beleuchtung präsentieren. Dieselben kommen namentlich recht
zurGeltung, seit Herr Nietner sie gänzlich freigelegt hat. während
noch vor einigen Jahren der Blick statt über saftige Wiesen
über mühsam durch Schnitt niedrig gehaltene Bäume (sogen.
Perrücken-Bäume) führte, welche trotz aller entgegengesetzten
Anstrengungen immer höher wurden und nie schön waren.

Charakteristisch ist der Aufbau der Gehölzgruppen in den
lichteren Teilen des Parkes. Dieselben gehen alle bis hart
an die Wege, entbehrten von vornherein des niedrigbleibenden
Unterholzes und bestehen aus dicht gepflanzten Hainbuchen
mit Markierung der ursprünglich höchsten Wipfel durch Eichen.
Natürlich ist deshalb heute sehr viel dünnes Stangenholz vor-
handen, welches auszulichten jedoch nicht gestattet wird.

Die ursprünglich angelegten reichen Blumen-Parterres, so-
genannte Mosaik-Parterres, unmittelbar am Schlofs haben später
cementierten Terrassen weichen müssen, welche teilweise mit
Orangen und Lorbeeren in Kübeln, sowie anderen Topf-
gewächsen dekoriert werden. Man hat von der Schlofsterrasse
aus besonders schöne Sichten nach dem Marmorpalais und der
russischen Kapelle. Im Vordergrund beherrscht die Vegetation
der herrliche Baumriese, eine populus canadensis, die Fürst
Pückler-Muskau als ganz alten Baum bekanntlich mehrmals
verpflanzt hat, was damals gewaltig imponierte, und welche
den Architekten immer ein Stein des Anstofses gewesen ist,
weil sie, von der Havel aus gesehen, teilweise das Schlofs
verdeckt.

Die nächste Umgebung des Schlosses trägt das eigenartige
Gepräge, welches die Kaiserin Augusta den von ihr gern be-
suchten Anlagen stets gegeben hat, so z. B. den Koblenzer
Rhein-Anlagen. Eine Sammlung kostbarer Bronzen und
Skulpturen fafst einen hinterm Schlosse vorbeiführenden graden
Weg ein, worunter namentlich sehr naturgetreue Vogel- und
Tiergestalten bewundert wurden. Der bergab führende Weg
ist mit 2 Reihen rundgestutzter Linden aus einem Garten
Voltairs bepflanzt, stöfst am untern Ende auf einen dekorativen
Springbrunnen als point de vue, der sehr viel Wasser wirft,
und führt das Auge in seiner verlängerten Achse weiter in
eine allerdings nachträglich geschaffene Lichtung des an-
grenzenden waldartigen Gehölzbestandes — eine reizende Ab
wechslung in dem meist natürlich landschaftlich gehaltenen
Garten.

Der erwähnte Waldbestand entbehrt leider besonders
schöner Einzelstämme. Er weist meist Bäume mit 2 bis 3
dünnen Stämmen auf, weil vor den Anlagen des Schlofsparks
dieser Wald als Schälwald nutzbar gemacht worden ist und
die 10jährigen Stämme stets unten gekappt wurden.

In dreieinhalbstündiger Wanderung wurden von den vielen
besonders schönen Punkten des Parks noch besucht der
Flatowturm, der Felsensee, die alte Gerichtslaube, die Stern-
warte, die Louisenhöhe, die Generalbank.

Der Flatowturm ist eine genaue Kopie des Eschenheimer
Thors in Frankfurt am Main. Er ist im Innern vom alten
Kaiser bis ins kleinste Detail persönlich als Jagdaufenthalt
eingerichtet und auch mit einer Turmwarte versehen worden.
Die Aussicht nach den schönen Kuppeln von Potsdam ist von
hier besonders schön. Den Turm selbst umgiebt ein rundes, mit
Karpfen besetztes Wasserbassin.

Der reich gegliederte Felsensee ist mit Cement befestigt
und enthält 3 bewaldete Inseln. Er wird durch einen Wasser-
fall gespeist und weist an seinen Ufern herrliche Steinblöcke
von teilweise gewaltigen Dimensionen auf. Es war gewil's
ein eigenes Gefühl, an der Stätte zu weilen, welche mit dem
Privatleben des leutseligen Kaiser Wilhelms I. so - innig ver-
wachsen ist und den Schauplatz so mancher ganz bekannter
Episoden daraus abgegeben hat. Es war der 19jährige Sohn
des damaligen Hofgärtners Kindermann, welcher als ein-
jährig-freiwilliger Husar, in seinen Mufsestunden vorgenannten
Wasserfall bauend, mehrfach vom Kaiser persönlich wegen
Dienstversäumnis bei den vorgesetzten Offizieren entschuldigt
und, wie männiglich bekannt, einmal sogar persönlich zum
Dienst begleitet wurde, damit ihm aus der Verspätung keine
Ungelegenheit erwachsen sollte.

Die alte Gerichtslaube hat wohl immer mehr einen
ästhetischen, als einen praktischen Daseinszweck gehabt. Sie
bereichert die Landschaft durch ihre bekannte originelle Bau-
art um eine weitere schöne Form und gewährt zudem eine
herrliche Fernsicht aus ihrem Inneren. Vor ihr steht eine von
Lenne mit eigener Hand gepflanzte Linde.

Die Generalbank zeigt die Büsten der Helden von 1870/71,
als Mittelpunkt Fürst Bismarck. Eine Säule erinnert an die
Stiftung der 70er Orden und Ehrenzeichen durch den ersten
deutschen Kaiser.

Kleinere Denkmäler der verschiedensten Art und Form
sind durch den Park zerstreut; eines, gestiftet von Friedrich
Wilhelm IV., erinnert an den badischen Feldzug. Auch Denk-
steine auf Gräbern von Lieblingsrossen des Kaiser Wilhelm
und Friedrich wurden gezeigt, so von der Stute Sadowa,
welche der Kaiser im französischen Feldzuge ritt.

Es war auch instruktiv, einen kleinen Einblick in die Ge-
schäftsführung des gewaltigen Parks zu thun. Der ausge-
worfene Etat von 36000 Mk. ist sehr gering, da mufs sehr
sparsam gewirtschaftet werden, und es kann verhältnismäfsig
wenig Personal gehalten werden. Die Gartenschläuche sind
wohlfeile Zinkblechröhren, verbunden durch bewegliche Muffen.

Aus Sparsamkeitsrücksichten wird die grofse Fontäne,
deren Strahl direkt aus der Havel aufstieg und die charak-
teristisch für Babelsberg war, nicht mehr in Thätigkeit ge-
setzt. Desto reicher scheinen einst die bei der Neuanlage ver-
fügbaren Mittel gewesen zu sein, was namentlich die durchweg
vorzügliche Befestigung der Wege bekundet.

Wir waren bei unserer Wanderung in der Nähe des
Matrosenhauses am Hafelufer angelangt und bestiegen die
bereit gehaltenen Kähne zur Uberfahrt nach Potsdam. Vom
Wasser aus sahen wir noch das sogenannte kleine Schlofs, in
welchem Kaiser Friedrich erzogen worden ist, und landeten
nach erfrischender Wasserfahrt mit dem Bewufstsein, wenn
nicht alles, so doch einen grofsen Teil dieser herrlichen
Schöpfung der Gartenkunst gesehen und unsere Kenntnisse
daran bereichert zu haben.
 
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