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Die Gartenkunst — 3.1901

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Nr. 8
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Jung, Hermann Robert: Die Ausstellung der Darmstädter Künstler-Kolonie 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.22265#0174

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160

DIE GrARTENKUNST

III, 8

dieser Ausstellung an unser Ohr dringt, Laute, die unbe-
kannt und doch so traut wie eine Stimme aus längstver-
gangenen Tagen in der Seele ihren Wiederhall flnden. Aus
diesen Häusern weht uns ein Lufthauch heimatlicher Kunst
entgegen. Heimatliche Kuhst! Wie wenig Bedeutung be-
sitzen diese beiden Worte in unsereni Zeitalter mit seiner
Verflachung der Pormen, mit seiner banalen Schablone, mit
seiner mangelnden Individualität!

Einstmals war es freilich noch anders; eine eigene
Kunst, eine heimatliche Kunst umflutete das Stadtbild,
merklich gesondert von den üblichen Pormen in der be-
nachbarten Provinz. Das Haus des Nürnberger Patriziers
war verschieden im Innern und Äufseren von der Woh-
nung des Kölner Kaufherrn, das Hildesheimer Biirgerhaus
zeigte eine andere Bauart als das Strafsenbild von Worms.
So verschieden wie die Gestaltung der Wohnstätte, so
verschieden war auch das Wesen, die Eigenart und der
Kunstsinn ihrer Bewohner. Heute ist das eigenartig Indivi-
duelle in der Architektur fast vollständig verschwunden;
das 19. Jahrhundert hat in nivellierender Gleichförmigkeit
alle Spuren von Eigenart ausgetilgt, nur geringe Ueber-
bleibsel künstlerischer Hinterlassenschaft sind vereinzelt in
deutschen Landen erhalten geblieben. Die heutige Städte-
baukunst, nach bestimmten ästhetischen, hygienischen und

Verkehrsbedingungen aufgebaut, trägt einen internationalen
Charakter zur Schau, intolgedessen dem neuzeitlichen
Strafsenbild im Norden wie im Süden Europas fast überall
dieselbe Gleichförmigkeit anhaftet, welche noch in er-
höhterem Mafse zur Wirkung gelangen würde, wenn nicht
die in das Strafsenbild hineingezogene Natur, das Grün
der Anlagen und Baumpflanzungen angenehme Kontrasfe
in die steiflinige Architektur einwebte.

Insbesondere in dieser Beziehung bietet die Ausstellung
neue Vorbilder; wenn auch nicht eine direkte Nachahmung
zu erwarten ist, so wird doch aus der Fülle des Dar-
gebotenen viel Schönes entnommen werden, was befruch-
tend und zur Weiterentwickelung anregend auf die deutsche
Baukunst seine Wirkung ausübt.

Seit Jahresfrist hatten viele fleifsige Hände auf der
Mathildenhöhe eine emsige Thätigkeit entfaltet; zunächst
erschlofs das Stadtbauamt das grüne Gelände durch bequeme
mit dem weiteren Ausbau der Stadt in Verbindung stehende
Verkehrsstrafsen, massive Wohnhäuser im Villenstil wuchsen
in der Umgebung der gemeinsamen Arbeitsstätte der
Künstlerkolonie, dem Ernst Ludwig-Haus empor, an welche
sich die nur vorübergehend zu Ausstellungszwecken er-
richteten Gebäude (Spielhaus, Gemäldegalerie, Blumenhaus)
angliederten. —

Ernst Jjudwig-Haus auf der Ausstollung der Darmstiidter Künstler-Kolonie 1901. Links Ilaus Christiansen; reclits Haus Olbricli.

Originalaufnalime fitr „Die Gartenkunst“.
 
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