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Die Gartenkunst — 3.1901

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Nr. 8
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Schoch, Gottlieb: Das Gehölzmaterial des Gartenkünstlers, 3
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166

DIE GARTENKUNST

III, 8

Urwaldes, die niemand gehören, vorhanden und der Staat
ist in der Lage, grofse Flächen der landschaftlich schönsten
Teile zu Nationalparks zu erklären und in ihrem Urzustande
zu erhalten.

Der Formenreichtum der Gehölze wechselt in den ver-
schiedenen Gebieten sehr. Am ärmsten ist Mitteleuropa
und damit Deutschland als Folge der störenden Binfliisse
währ.end der Diluvialperiode und der wiederholten Ver-
gletscherung unseres Gebiets. Reicher an Formen sind
schon Südeuropa mit dem Oriont, am reichsten jedoch
Ostasien und Nordamerika.

Trotz der einheitlichen Grundstimmüng, welche den
Laubholz- und Nadelholzwaldungcn der nördlich gemäfsigten
Zone innewohnt, finden wir doch einen grofsen Reichtum
physiognomisch verschiedener Gestalten. Schon in dem
gering bedachten Mitteleuropa sehen wir neben Bichen,
ßuchen, Riistern, Linden, wolche die Grundlage unserer
Laubwälder bilden, noch Formen hinzutreten, welche Vor-
klänge des Charakters tropischer Gewächse bringen. So
die Bäume mit gefledertem Laube (Bschen), die Schling-
gewächse (Waldrebe, Gaisblatt). Weitere Formen erscheinen
in den Birken, Ahorn, Weiden, Pappeln u. s. w. Die Nadel-
hölzer bringen Fichten, Tannen, Kiefern, Lärchen u. s. w.
Eine ansehnliche Reihe von Formen, wiewohl die kleinen
Bäume und Sträucher nicht berücksichtigt sind! Die aus-
ländischen Gehölze gliedern sich teils unseren heimischen
Formen an, teils bringen sie selbständige neue Erschei-
nungen. In den Gleditschien, dom Götterbaum, den
Akazien u. s. w. als Fiederbäumen ist der an die Tropen-
weit anklingende Baumcharakter schon viel energischer
ausgedriickt, ebenso in den grofsblättrigen Gestalten der
Magnolien, Trompetenbäume, Tulpenbäume u. a. m., wie
in den zahlreichen Schlingsträuchern. Auffallend und
neu ist die Erscheinung der amerikanischen Scharlach-
eichen, die durch die leucht.ende Fä.rbung der Herbst-
belaubung wie viele der amerikanischen Gehölze von
wunderbarer Wirkung sind. Entsprechend bereichert werden
auch die Formen der Nadelhölzer. Neben Formen, welche
unsere heimischen Grundtöne, wie z. B. die der Tannen
und Fichten voller Wechsel und Bedeutung zum Ausdruck
bringen, t.reten neu die Cypressen, Lebensbäume, Hemlocks-
tannen u. s. w., wie auch der vorweltliche Ginkgo biloba hinzu.

Der Formenreichtum der kleinen Bäume und der
Sträucher bis zu den niedrigen fufshohen Gestalten herab ist
so aufserordent.lich grofs, dafs wir darauf verzichten wollen,
einzelnes herauszuheben. Wenn sie auch von wesentlich
geringerer Bedeutung fiir den scenischen landschaftlichen
Aufbau sind, so können doch auch sie an geeigneten Stellen
zu augenfälliger Wirkung gebracht werden, wenn man
durch die Breite der Verwendung die fehlende Höhe ersetzt.

In der grofsen Formenreihe der Gehölzgestalten besitzt
der Gartenkünstler eine unerschöpf liche Quelle fiir die Dar-
stellung seiner Naturscenen in unendlich wechselnder Stim-
mung. Sei es, dafs er die einzelne Gestalt massig und
damit kräftig zur Geltung bringt, sei es, dafs er rnehr oder
minder reich die Gestalten mischt, sei es, dafs er die Höhen
breit und gleichmäfsig aufbaut, sei es, dafs er auch hier
mehr oder minder wechselnde Abstufungen, kürzere oder

breitere Übergänge wählt, sei es, dafs er auf. enger oder
breiter Grundfläche ruhig und grofs oder in mehr oder
minder schroffem Wechsel die Gestalten sich entwickeln
läfst, — die aus der Verschiedenheit des Naturcharakters
und der Verschiedenheit der Anordnung möglichen Ab-
wechselungen im scenischen Gehölzaufbau und in den
beabsichtigten Wirkungen sind so unendlich viele, dafs
lcein Gartenkünstler während der längsten Schaffenszeit sie
annähernd erschöpfen könnte. Das gilt natürlich nur für
den Gartenkünstler, der sein Material beherrscht und es
künstlerisch zielbewufst anwendet. Wer seine ungezählten
Gehölzformen ziel- und regellos mischt, verzichtet von
vornherein auf jede Stimmung und künstlerische Wirkung,
und wer aus Bequemlichkeit sich auf wenige Formen be-
schränkt, der wird langweilig und eintönig in seinen
Werken. Der Gartenkünstler dagegen, der sicher mit
seinem Gehölzmaterial arbeitet, vermehrt die Wirkung seiner
Gehölzscenen um ungezählte Abstufungen und vertieft den
Eindruck derselben. Er flndet eine endlos fliefsende Quelle
anregender Studien bei seinem Schaffen, von ebenso langer
Dauer wie das Schaffen selbst, wodurch die Freude und
das Interesse an diesem erhöht wird.

Zur Vollständigkeit unserer Betrachtungen ist es jedoch
nötig, darauf hinzuweisen, dafs die Empflndung der Ab-
hängigkeit von seinern Material sich dem Gartenkiinstler
nirgends so sehr aufdrängt als bei den Gehölzen. Während
in allen anderen Künsten zwar die Technik dem Material
angepafst sein mufs, mit dem der Künstler arbeitet, dann
aber innerhalb dieser Schranke der Künstler dem Material
die bleibende feste Form giebt, findet der Gartenkiinstler
hier eine unendliche Reihe Naturformen vor, unter denen
er nur die Auswahl treffen und seinen Zwecken entsprechend
verwenden kann. Dazu sind es Formen, die in dauernder
Umwandlung und Entwickelung begriffen sind. Dieser
Umstand, dafs er mit lebendigem Material bildet, giebt
seinen Schöpfungen einen besonderen Reiz, erhält sie jung
und neu, läfst das persönliche Moment bei den Garten-
schöpfungen scheinbar zurücktreten, — der Laie übersieht es
wohl ganz, — verlangt aber auch, dafs der Gartenkiinstler sie
dauernd kiinstlerisch iiberwachen mufs, um sie vor dem
Verwildern zu bewahren. Es ist daher mit der Auswahl der
Gehölzformen und dem Anpflanzen nicht abgethan. Hiermit
legt er nur die Keime. Dem Arbeiten der Natur entsprechend
ist die Zahl dieser gepflanzten Keime viel gröfser, als bei
der späteren Ausbildung erhalten bleiben können. Bei der
weiteren Entwickelung mufs dann das Minderwertige und
alles, was die zu erhaltenden Gestalten beeinträchtigt,
rechtzeitig entfernt werden. Der durchgreifende und ver-
ständige Gebrauch der Axt darf daher nicht verabsäumt
werden. Es ist weniger nachteilig, wenn man etwas zu
weit hier eingeht, als wenn man zu ängstlich dabei verfährt.
Diese spätere Pflege in der Entwickelung ist ebenso wichtig
wie die erste Anlage und verlangt ebensowohl ein künstle-
risch gebildetes Auge.

Das vorher erwähnte Gefühl der Abhängigkelt vom
Gehölzmaterial wird sich beim Gartenkünstler in dem Mafse
verringern, wie er durch eindringendes Studium mit diesem
Material verwächst und es zu beherrschen lernt. Das,
 
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