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Die Gartenkunst — 3.1901

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Nr. 12
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Zimmermann, Wilhelm; Trip, Julius [Hrsg.]; Schall, H. [Hrsg.]: Die königlichen Gärten Oberbayerns in kunstgeschichtlicher und kritischer Beleuchtung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22265#0247

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280

i) I E GARTENKÜNSl'

1Ü, 12

nur konsequent gewesen, dafs der Gharakter eines modernen
Gartens in Italien von deni eines solchen in Rufsland und
wiederum eines in der Schweiz, oder in den Niederlanden
völlig verschieden sei.

Da aher das neue Prinzip und der neue üarten
in England entstanden, so war es auch die eng-
lischeNatur, der englische Landschaftscharakter,
w e 1 c h e m i t i h m d i e R u n d e d u r c h d i e W e 11 m a c h t e n.

Die Natur Englands, wenige Gegenden ausge-
nommen, ist durchaus sanften Charakters. In
leisen Schwingungen steigt und fällt das Land und
hebt sich zu Hiigeln und leichten Höhen.

Noch heute gilt deshalb diese E rscheinungs-
form der Natur als die allein in Gärten kiinstlich
darstellbare.

Erst nachdem man sich mit dem Neuen einigermafsen
vertraut gemacht hatte, entstanden die noch heute beson-
ders mustergiltigen, grofsartigen Werke ohne sentimentalen
Anhang. Professor Hirschfeld in Kiel brachte die Wirkung
der verschiedenen Gartenscenerien auf den seelischen Zu-
stand des Beschauers in ein förmliches philosophisch-
ästhetisches System.“*)

Palke sagt: Ihm war der Garten eine Anstalt, Be-
wegungen dor Seele zu erregen.

Unser genialer Altmeister Piirst Pückler-Muskau liefs
seine der heimatlichen Natur nachgebildeten, ja sogar
speziell das lokale Kolorit der Lausitz tragenden Schöpf-
ungen nur durch sich selbst wirken, verschmähte vollends
alle auf Rührung abzielenden Spielereien und fiigte nur
wenige solche Baulichkeiten hinzu, die einem praktischen
Zweck zu dienen wenigstens scheinen.

Dabei ist freilich nicht zu vergessen, dafs Pücklers
Thatigkeit etwa 40 Jahre nach Erscheinen von Hirschfelds
Werk begann.

Der aufmerksame Besucher des Parks zu Muskau wird
z. B. herausflnden, dafs die mächtige Bogenbrücke iiber
den tiefen Hohlweg weniger an und für sich nötig war,
als vielmehr einen wirkungsvollen Rahmen für den iiber-
raschend schönen Durchblick zu bilden bestimmt ist, der
sich dem Hindurchwandelnden aufthut.

In unsern Tagen ist das Interesse an einem solchen
Sichselbstbethätigen an der Landschaftsbildnerei weiteren
Gesellschaftskreisen fremd geworden. Der weite uns über-
kommene Park wird als etwas Bestehendes, ziemlich der
Natur zu Dankendes angesehen, seiner sanitären Bedeutung
wegen hochgeschätzt und mit Preude an dem vielen Griin
kritiklos besucht.

Die höchste Anerkennung flndet vielfach der über-
ladene Kurpark mancher vornehmen Bäder, der um so ge-
schmackverderbender wirkt, als seinen Extravaganzen von
den Besuchern eine unverdiente Verbreitung zu teil wird,
wo dies nur nimmer die Mittel erlauben.

Um heute bei hohen Gönnern ein dauerndes Interesse
für den wohldurchdachten Park als Kunstprodukt zu
erwecken, bedarf es der Erscheinung eines hervorragenden
Gartenkünstlers, wie der hier in Betracht kommenden
von Effners.

*) Theorie dor Gartenkunst 1779—85.

Piir Miinchen und dessen weitere Umgebung ist durch
die Thätigkeit dieses Mannes eine dritte Bliitezeit der
Gartenkunst entstanden, die ferne davon, das Bestehende
und Überlieferte zu verdrängen, dem Gartenfreunde neue
Anregung in wirklicher Vereinigung von Kunst- und Natur-
genufs bietet. Wir flnden hier nicht nur eine pietätvolle
Duldung der überkommenen Kunstformen, sondern iiber-
einstimmend mit dem das Schöne älterer Perioden aner-
kennenden Allgemeinbestreben der iibrigen Ktinste auch
eine Neuverwendung von, der Renaissance entstammenden
Motiven zu symmetrischen Gärten und Gartenteilen.

Dafs das im einsamen Gebirgsthal gelegene Schlöfschen
Linderhof, inmitten eines weiten Parks, im engeren Kranze
von reizenden regelmäfsigen Gärtchen umgeben ist,
ist an sich nicht lediglich die Konsequenz des dem Schlofs-
bau eigenen Stils. Es diirfte sich auch bei jeder wesentlich
anderen Gestaltung des Baues meist symmetrische An-
ordnung in den dem Hause zunächst gelegenen Garten-
teilen empfehlen,-und es wird sich die Gartenkunst durch
dieses Entlehnen architektonischer Pormen wahrlich nichts
vergeben, da der Einflufs menschlicher Kunstthätigkeit hier
durchaus in Erscheinung treten soll.

Nur zu oft werden heute regelmäfsige Arrangements,
seien sie neu oder überliefert, als eine veraltete, fast
lächerliche Porm hingestellt. Die Gartenkunst wird sich
erst auf dem richtigen Wege beflnden, wenn die symme-
trischen Gartenformen, die alle Wechsel der Zeit und die
Geschmacksrichtung aller Völker tiberdauert haben, am
richtigen Platze wieder ebenso treffend und sicher ange-
wandt werden, als die freien Ziige des Landschaftsgartens
auf der ihm zugehörigen Flur.

Täglich sehen wir in den Vorgärten eleganter Villen-
strafsen der Grofsstädte unter übermäfsig grofsen Bäumen
kleinste und allerkleinste Miniatur-„Landschaften“, deren
Charakteristikum eine gewaltsam unsymmetrische Boden-
gestaltung und Bepflanzung ist, ohne dafs sie irgend eine
andere ästhetische Befriedigung als die an der Accuratesse
und Sauberkeit gewähren. Mit der in den letzten Jahr-
zehnten ungeheuer anwmchsenden Zahl eleganter Haus-
schmuckgärtchenisteine Vervollkommnungder vonden bahn-
brechenden Meistern aufgestellten Prinzipien kaum zu ver-
zeichnen. Es gab vielmehr die Fülle der zur Ausführung
kommenden Arbeiten der Behandlung mehr eine handwerks-
mäfsige Schablonenhaftigkeit. Es ist diese in räumlicher
Beschränkung sich bethätigende „Landschaftsgärtnerei“
auch schlimm genug daran, ihrer Bezeichnung entsprechend
zu wirken.

Eine gewisse Gleichförmigkeit ist bei diesen Gärten
kaum zu vermeiden. „Nachahmung der Natur“ kann hier
nur leere Phrase sein, und das mitgebrachte Rezept für die
Flächeneinteilung und Bepflanzung bildet die einzige Richt-
schnur, meistens nur im Detail durch den Geschmack des
Ausführenden variiert.

Anders die ausgedehnteren Parks, an deren Wert wir
auch einen ganz anderen Mafsstab legen können. Hier
werden uns eine Menge hervorragender, eine eigene
künstlerische Idee zeigender Schöptungen das beschämende
Zugeständnis einer allgemeinen Verflachung der Garten-
 
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