Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Gartenkunst — 4.1902

DOI Artikel:
Zimmermann, Wilhelm: Die königlichen Gärten Oberbayerns in kunstgeschichtlicher und kritischer beleuchtung, [8]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0147

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV, 8

DIE GARTENKUNST

141

Deutsche Gärten in Wort und Bild.

Die königlichen Gärten Oberbayerns in kunstgeschicht-
lieher und kritischer Beleuchtung;

von W. Zimmermann,

weiland kgl. bayer. Hofgärten-Ingenieur,
bearbeitet und herausgegeben
von

J. Trip, Stadtgarten-Direktor in Hannover,
und

11 Schall, kgl. Hofgärten-Ingenieur in München.
(Fortsetzung.)
(Hierzu 6 Abbildungen.*)

Die königlichen Wintergärten.

König Max erbaute in den Jahren von 1851—1854 auf
säulengeschmücktem Unterbau der Münchener Residenz
einen geräumigen Wintergarten, dessen Anlage vom Archi-
tekten Kreut er technisch so musterhaft durchgeführt
würde, dafs der Raum in gleichem Mafso angenehme Ge-
legenheit zu behaglichem Aufenthalte und Sichergehen,
als auch eine höchst geeignete Situation für das Gedeihen
der Pflanzen bot.

Den allerhöchsten Herrschaften, wie auch dem meist
zugelassenen Publikum ist der Garten durch Dezennien
eine Quelle des Genusses gewesen, bis die Errichtung des
viel besprochenen, aber nur von wenigen Bevorzugten ge-
sehenen sog. „neuen" Wintergartens König Ludwigs II.
ihn in zeitweise Vergessenheit brachte. Das indische
Zaubermärchen wollte man sehen, nicht den stets zu-
gänglichen herrlichen alten „Garten" mit seiner ober-
italienischen, üppigen Vegetation. Und wie hoch steht
sein Arrangement über dem der meisten „Wintergarten"
genannten Pflanzenmuseen mit den Seltenheiten der Tropen-
vegetation, deren pedantische Aufstellung oft nur an ver-
einzelten mehr oder weniger mifslungenen Partien erkennen
läfst, dafs ästhetische Gesichtspunkte überhaupt hier in
Frage kamen.

Nachdem schon im Jahre 1851 zahlreiche Orangen und
Oleander von Genua mit sehr geringem Erfolge bezogen
waren, wurden im Frühjahr 1853 von Toscolano am Garda-
see viele Lorbeer und Orangen und vor allem immergrüne
Eichen in hohen starken Exemplaren, sowie mancherlei
andere Gewächse herbeigeschafft, von denen besonders die
Eichen herrlich heranwuchsen. Diese geben neben anderen
Bäumen (z. B. Ficus exasperata) den beiderseitigen Kulissen
des Hauptbildes eine so vollkommene Garten- resp. Wald-
fülle, dafs sie gegen angrenzende Mauern und selbst gegen
die Glaswände feste Schattenmassen bilden. Ältere Lorbeeren
und die vorzüglichen Pittosporum, ferner japanische Mispeln,

*) Wir bringen in dieser Nummer S. 142 nachträglich die
bereits in der vorigen Nummer S. 121 erwähnte Ansicht über
das erste Projekt Zimmermanns zum architektonischen End-
punkt der Prinzregentenstral'se in den Maximiliansanlagen in
München, desgl. S. 148 ein zweites Projekt desselben.

Die Redaktion,

Die Gartenkunst,

Menispermen und Rhododendren etc. vertreten die Strauch-
vegetation.

Beim Pflanzentransport wurde aus Rücksicht auf geringere
Kostspieligkeit folgende uns jetzt seltsam erscheinende Route
gewählt: Zuerst auf dem Seewege von Livorno nach Amster-
dam, von dort nach Bamberg auf Flufsfahrzougen, und erst
von hier nach München per Bahn. Es erforderte dies einen
Kostenaufwand von 2184 fl., während der direkte Transport
über Verona und Bozen per Achse 3548 fl. gekostet hätte.
Hinzugefügt mag noch sein, dafs der Garten später auch noch
diejenigen oberitalienischen Gehölze erhielt, die den gehegten
Erwartungen zuwider im milden Aschaffenburger Klima am
Pompejanischen Hause nicht gedeihen wollten. Es waren dies
grofsenteils Pomeranzen, welche König Ludwig I. dortselbst
anpflanzen liel's. Unter der Leitung des Intendanten Seitz
wurden dieselben 1848 bei Gargnano am Gardasee ausgegraben
und verfrachtet und trotz der vielen Schwierigkeiten, welche
die kriegerischen Zustände während des Aufstandes gegen die
Österreicher herbeiführten, per Achse über den Brenner und
dann bis Aschaffenburg gebracht.

Ein steingefafster, reich mit Vasen geschmückter Spring-
brunnen und dahinter sich auf einigen Stufen erhebender
Pergolabau mit zierlichen Alabastersäulen und üppigem
Epheugeranke bildet den Schlufs des Gartens gegen Süden
(Abbild. S. 144), eine Anhöhe im Hintergründe des grofsen
Tafelplatzes mit hoch anstrebenden Palmen und Cypressen
nebst einem alten knorrigen Ficus den nach Norden (Ab-
bild. S. 145). Den Boden bildet, sanft gemuldet, ein über-
aus zarter Rasenteppich, der wohl der empfindlichste Teil
des Ganzen, nur kurze Zeit andauert und für jede Fest-
veranstaltung eigens hergestellt werden mufs. Zur Linken
verliert sich der Rasen unter locker vor- und zurück-
tretenden und ebenso zierliche Silhouetten bildenden,
geschlossenen Gehölzmassen, während auf der rechten
Seite eine mehr aufgelöste Pflanzung die Mittelbahn be-
gleitet und erst rückwärts an der Glaswand in dichterem
Baumbestand ihre Deckung findet. Das Prachtstück des
Gartens zum Schlufs: „Ein enormer Epheu, der aus mäch-
tigem Stamme seine üppigen Ranken in solcher Fülle unter
die weite Glasdecko spinnt, dafs die Sonnenstrahlen nur
spielend und huschend das zarte Rasengrün mit goldigen
Lichtern treffen."

Zierliche, locker ausgestreute Gruppen von Cyclamen
mit Adiantum, von Bricen, Lilien, Nelken etc. in vereinzelten
Trupps, schmücken an Festtagen hie und da den Rasen,
während Camellien, Rhododendren, Azaleen die Gebüsch-
ränder in ebenso leichter graziöser Weise mit lebhaften
Farben durchwirken.

Effner kann bei diesem Garten nicht von Anbeginn
an in Betracht kommen; doch hat er, nachdem sich im
Laufe der Zeit gezeigt, welche Gewächse in demselben
zur gesundesten Entwickelung gelangen, am Arrangement
des Ganzen sehr wesentlichen Anteil. Getreu den alten
Traditionen dieser besonders malerischen Gartenscenerie,
wird auch heute durch Herrn Hofgarten-Ober-Inspektor

22
 
Annotationen