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Die Gartenkunst — 4.1902

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Zimmermann, Wilhelm: Die königlichen Gärten Oberbayerns in kunstgeschichtlicher und kritischer Beleuchtung, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0179

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IV, 10

DIE GARTENKUNST

178

Deutsche Gärten in Wort und Bild.

Die königlichen Gärten Oberbayerns in kiuistgeschicht-
licber und kritischer Beleuchtung

von W. Zimmermann,

weiland kgl. bayer. Hofgärten-Ingenieur,
bearbeitet und herausgegeben
von

J. Trip, Stadtgarten-Direktor in Hannover,
und

H. Schall, kgl. Hofgärten-Ingenieur in München.
(Fortsetzung.)
(Hierzu 1 Plan und 3 Ansichten.)

l.inderhof.

Bei Besprechung von Linderhof wird sich Eftners
Thätigkeit auf wesentlich anderem Gebiete zeigen.

Im stillen, vom Verkehr ziemlich altgeschlossenen Gras-
wangthal, das Ettal bei Oberammergau mit dem in Tyrol
liegenden Plansee verbindet, lag noch in den ersten Re-
gierungsjahren König Ludwigs 11. einsam ein bescheidenes
Jagdhäuschen neben einem Einödhofe, abseits von Flufsbett
und Strafse. Die Ortlichkeit trügt zwar durchaus den
Charakter unserer Alpenthäler und ist auch von stattlichen,
bis in den Hochsommer im Schneeschinucke erglänzenden
Berghäuptern eingeschlossen, kann jedoch nicht zu den aus-
erwählten Partien der bayerischen Alpen gezählt werden.

Der König hat auch anderen Ortes mehrfach eine
Vorliebe für die Unwirtlichkeit und öde Gröfse derartiger
einsamer Bergthäler bekundet, die zumal im Winter sich
zu einer den Städter leider meist unbekannten Erhaben-
heit steigert.

Hei häufigem Verweilen des Königs in dem nicht mehr
zu .lagdausfliigen benutzten Häuschen scheint bald der
Wunsch entstanden zu sein, hier mit der stillen Einsamkeit
der Bergwälder und den kahlen Felsen die üppigste Pracht
der Spät-Renaissance in Hauten und Gartenanlagen in un-
mittelbaren Gegensatz zu bringen. Die ersten diesbezüg-
lichen Vorarbeiten ziehen einen nur unwesentlich modifi-
zierten Plan von Versailles in Betracht und zwar unter
Anordnung der Hauptachse entlang der Thalrichtung.

Um die enormen Schwierigkeiten, die die Verwirk-
lichung dieser Idee im Gefolge gehabt hätte, aber wohl
kaum Ursache am Fallenlassen derselben waren, voll zu
verstehen, sei erwähnt, dafs die immerhin eine gewisse
ebene Bodenfläche zeigendeThalsohle von dem. den Linderhof
aufzunehmenden Gelände durch einen inmitten des Thaies
sich hinerstreckenden Hügelzug getrennt ist. Das Terrain
für die Gesamtanlage liegt somit in Gestalt allmählich aus-
laufender Wiesenabhänge am Fulse der nördlichen Thal-
wand, und nur ein kleiner Teil des Gartens lehnt sich be-
sagtem Hügelrücken an, ohne die eigentliche Thalsohle zu
erreichen.

I Kirch diese seitlich schiefe Terrainlage wären sehr
umfangreiche Abgrabüngen und Anschüttungen nötig ge-
worden, wie auch, wenngleich in geringerem Mafse, durch
die sehr erhebliche Niveausenkung der Längsachse. Frei-

Pie Gartenkunst.

lieh wäre, durch letzteren Unistand bedingt, eine grandiose
Terrassierung des Gartens nötig geworden, die ihm ein
von seinem französischen Vorbilde wesentlich abweichendes
Gepräge gegeben hätte. Die durch mächtige Freitreppen
und Terrassenmauern mehr zum Ausdrucke gebrachte Ver-
tikalentwiekelung hätte den Garten vielleicht in seinem
Hauptaufbau den Prunkgärten der Hochrenaissance Italiens
näher gebracht. Immerhin ist das Verwerfen dieses Planes
schon deshalb als ein grofser Gewinn zu begriifsen, weil
in der später zur Ausführung gelangten Idee individuelles
Selbstentfalten seitens der hier schaffenden Kräfte an Stolle
des freien Kopierens einer aller Welt bekannten alten
Kunstschöpfung trat, die überdies mit dem Geiste un-
seres Jahrhunderts in gar zu grofsem Widerspruche steht.

Dafs der Plan anderweitig doch zur Ausführung kam
ist bekannt.

Uie Ausführung des rüstig geförderten Werkes nach
neuen Entwürfen fällt in die Jahre 1869 bis 75 und
war Park und Garten etwa 1880 als ganz Vollendel anzu-
sehen. (Vergl. den Plan S. 180/181.)

Nach Fixierung einer die Thalrichtung rechtwinkelig
schneidenden Hauptachse vom Waldessaum der ziemlich
steil abfallenden Bergwiese durch den Grund des Neben-
thales Iiis zum Kamm des mittleren Höhenzuges empor
ist das Schlöfschen fast in der tiefsten Lage placiert. In
seinem Rücken fallen rauschende Kaskaden auf figuren-
geschmückte Marmorstufen von der Höhe herab, während
vor der Fassade sich mehr Raum zur Entfaltung der man-
nigfachsten Elemente eines prunkvollen Renaissancegartens
darbietet. Eine imposante dreifache Terrassenanlage erhebt
sich jenseits des grofsen Fontänenbassins an dem Abhänge
des Hügels, überragt von den Bergwäldern und kahlen
Felsenwänden der fernen, das Thal begrenzenden Bergo.

l'iu sich nicht zu weit in die Details des Schlofsbaues
zu verlieren, mag Iiier nur in aller Kürze darauf hinge-
wiesen sein, dafs es Oberbaudirektor v. Dollmanns Ver-
dienst ist, wenn trotz des ganz allinähligen und stückweisen
Entstehens der einzelnen Gemächer, die anfänglich einen
Annex zum alten Jagdhäuschen bildeten, nach Versetzung
dieses letzteren der Bau sich zu einem durchaus harmonisch
gegliederten Gesamtbilde auswuchs. Die geringe Höhe des
Unterbaues mit dem Vestibüle ist wohl eins der auf die
Entstehungsart zurückzuführenden Übel — ein schwereres
ist das ungünstige Verhältnis zwischen dem Schlosse und
dem .mächtigen Terrassen werk ihm gegenüber — z. T. wohl
eine Folge des mangelnden persönlichen Einverständnisses
zwischen Effner und Dollmann. Es darf behauptet werden,
dafs die Gartenarchitekturen, abgesehen von der nicht
genügenden Rücksichtnahme auf den Schlofsbau, sich der
sonstigen Situation trefflich durch angemessene Gröfsen-
verhältnisse anpassen, was vom Schlosse infolge der ob-
waltenden Zwangslage vielleicht nicht, in dem Mafse gesagt
werden kann.

Die üppige Bewaldung des Hügels krönt besonders

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