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Die Gartenkunst — 8.1906

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Schulze, Otto: Wie ich mir den kleinen Garten denke
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0033

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Vlll, 2

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eine oder zwei Blumensörten, aber in einer Farbe, kon-
trastierend zur Farbe des Hauses. So mein Nachbar links:
nur gelbe Tulpen, später gelbe Rosen — bodenwüchsigo
und hochstämmige — dann noch später (Herbst) gelbe
Astern, Dahlion oder Chrysanthemen. Mein Nachbar rechts:
weifso Hyazinthen, dann grol'so Kamillen, im Herbste ge-
sprenkelte Lilien, Tigerlilien. Ich selbst: im Frühling blaue
Stiefmütterchen, im Sommer grofser Rittersporn, im Herbst
blaue Staudenaster oder Skabiosen. Die über die Nach-
barn hinaus anschliefsendon Gärten könnten haben: im
Frühling roten Goldlack, im Sommer purpurrote Echinacea,
im Herbst grol'so Trollblume. Und weiter, immer in gleicher
Zeitfolge: blaue Hyazinthen, bläue Glockenblumen, blaue
Lupinen; weil'se japanische Anemonen, grol'se weifso Akelei,
weil'se Chrysanthemen.

Das sind natürlich nur Vorschläge, die, so glaube
ich, nicht immer der gärtnerischen Kunst gerecht zu
werden vermögen. Doch ich vertraue eben, dal's sich
auch der Vorgartenbesitzer nicht ganz der Mithilfe des
Gärtners entziehen wird, .und dais einzelne Übergänge
ohne grol'se Opfer in Topfkulturon möglich sein worden.
Ich kann mich so recht hineindenken in solche Fluchten
dominierender Farben, begleitet von dazu gestimmtem
Grün, wie es jeder Blume zugesollt ist. Diese grol'sen,
ein- oder zweibeetigen Vorgartenrabatten ein einziger,
regenbogenartig schillernder Farbenstreifen mit sattgrünen
Trennungsstrichen der schmalen Grenzhecken.

Anders dürfte der Vorgarten der Zukunft kaum aus-
schauen. Etwas Ähnliches ist mir aus versteckt liegenden
Blumengärten grofser Gärtnereien, alter Parkanlagen bei
unbewohnten Schlössern (Brühl) in Erinnerung geblieben,
auch in Sanssouci sah ich 1885 etwas Verwandtos. Aber
wieder lebendig geworden sind mir diese Lösungen erst
wieder auf der letzten „Gartenbauausstellung zu Darm-
stadt" in den Gärten von Professor J. M. Olbrich in
Darmstadt und von Gartenarchitekt Heinrich Henkel da-
selbst. Daraufhin habe ich nochmals zahllose Straßen-
fronten unter Prüfung ihrer Fassaden und Vorgärten ab-
geschritten und gefunden, dafs noch herzlich wenig Ver-
ständnis für den absoluten Charakter dos Vorgartens
herrscht, der nicht immer gärtnerischer Kunst seine Ent-
stehung verdankt und meistens im Zeichen der Knauserei
und mangelhafter Pflege steht. Es eignet sich, wie das
in Darmstadt von den oben genannten Künstlern glänzend
bewiesen worden ist, eben nur der kleine Garten zum
Farbengarten und auch zu weiter nichts, wenn man nicht
geradezu Spielereien mit allen möglichen Schrullen und
Seltenheiten zulassen will. Hierbei werde ich immer an
Terrarien- und Aquarienbesitzer erinnert, die meistens
auch lieber Exoten züchten wollen, als der heimischen
Fauna ihre Aufmerksamkeit in speziellen Beobachtungen
nnd Studien zu schenken.

Auch der Gärtner wartet ja immer gern mit Neuheiten
auf und ist interessiert daran, wie sie im heimischen
Boden und Wetter gedeihen. Ganz mit Recht, er weife
aber auch, was er dem Boden und seiner Lage zuwenden
darf und ist schlimmsten Falles bei der Hand, wenn
kritische Wendungen eintreten sollten. Aber noch viel

mehr, als ich oben geschildert habe, läl'st sich aus einem
solchen farbigen Vorgarten machen, wenn man die Kunst
zu ihm hereinbolt, sei es in Form einiger schöner monu-
mentaler Vasen, eines wirklichen Brunnens mit rieseln-
dem Wasser — nicht, wie so oft üblich, die grofse, be-
tonierte Waschschüssel —, eine Bank von Charakter, eine
Gartengruppo, wenn auch nur dauerhafte Kopie eines guten
Werkes oder sonst eine künstlerische Zugabe einer schönen
Terrakotta oder Majolika, auf denen der Blick ausruht
wenn er von seiner Streife über die Farbenwogen zurück-
kehrt. Und für die wenigen Schritte und Ruhepunkte sei
gewaschener Kiesel kleineren Kornes oder getrommelter
Marmor- oder Granitschlag auf die schmalen Steige ge-
breitet, nicht jenes unbeschreibliche Gemengsel, das an
den Füfsen hängen bleibt nach dem leisesten Regen.

Auch der kleine Hintergarten hat mein Interesse ge-
funden, obgleich er für mich nicht dieselbe kulturelle Be-
deutung wie der Vorgarten hat. Der Vorgarten ist Aristo-
krat oder sollte es wenigstens sein, der Hintergarten ist
Plebejer, Lumpensammler und Prügeljunge, günstigsten-
falls ein ehrsamer Tagelöhner. Man läfst ihn schon von
früh an arbeiten, er mul's sich selbst erhalten, d. h. was er
kostet, soll er auch wieder einbringen. Das ist an und
für sich gewii's nicht tadelnswert, wenn es mit einer gewissen
Klugheit und Herzonsgüte bewerkstelligt wird. Wer aber
so rechnet, dal's er aus seinem Hintergarton alles haben
will, was in einem mittleren Haushalt gebraucht wird,
der macht aus seinem Garten schliefslich nicht mehr als
ein eingezäuntes Stück Ackerland; das ist aber doch
schliefslich nicht erste und letzte Aufgabe des meistens
mit Hausgarten bezeichneten Hintorgartons. Ich bin ent-
schieden der Meinung, dal's man auch aus dem Hinter-
garten meistens mehr machon kann als man gewöhnlich
tut. Hat man auf Grund meiner Voraussetzung, dafs
der Vorgarten entschieden Blumengarten sein mul's, diesem
entsprochen, so kann der Hintergarten sehr wohl zu einem
Nutzgarten, Liebhaborgarten oder wieder auch für bestimmte
Kulturen aus Liebhaberei odor botanischem Interesse zu
einem sogenannten Schulgarton werden.

Aber für jode solcher Anlagen sollte man unbedingt
die Mitarbeit des Gärtners heranziehen, der, wenn er auch
nach Kräften betrebt bleiben mufs, auf besondere Wünsche
seines Auftraggebers einzugehen, seinen Erfahrungen und
seiner Technik den nötigen Respekt zu verschaffen hat.

Die Einschliel'sung des Hintergartens durch Mauern ist
durch mancherlei Gründe empfehlenswert, sie bieten —
ich lasse Sicherung ganz aulser Betracht — für Obst-
und Weinspaliere, die mit Sonne zu rechnen haben, gute
Anlagen. Dann kann aber auch der Hintergarten als
ganz für sich von den Nachbargärten losgetrennt betrachtet
werden; hier lebt eine kleine Welt für sich, und mancher-
lei privaten Arbeiten gönnt man nicht gerne mül'sige Zu-
schauer.

Zu allererst verlange ich für einen Hintergarten eine
vernünftige, praktische Aufteilung, eine wohltuende Ord-
nung für die sachkundige Bearbeitung und Pflege. Wenn
irgend möglich, wünsche ich hier einen wenig abfallenden
Stufen- oder Terrassengarten, dessen höchster Punkt am

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