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Die Gartenkunst — 8.1906

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Müller, Albert: Natur und Kunst im Gartenbau
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Winkler, Fr.: Rußlands berühmteste Gärten des 18. Jahrhunderts, [1]: ein Beitrag zur Geschichte der Gartenkunst in Russland
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0127

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116

DIE GARTENKUNST

VIII, 6

es wohlmeinenden Männer. Treten Sie ein in die Reihen
zur Wehr gegen eingewurzelte Irrtümer. Und wo die
eigene Kraft zur künstlerischen Gestaltung nicht ausreicht,
willigen Sie ein in die Arbeitsteilung, auf dafs Fachmann
und Künstler, Praktiker und Theoretiker gemeinsame Kultur-
arbeit verrichten.

Gärten des Auslandes.

Rurslands berühmteste Gärten des IS. Jahrhunderts.

Ein Beitrag zur Geschichte der Gartenkunst in Rufsland.
Von Fr. Winkler, Garteninspektor in Reval.

Wie auflast allen Kulturgebieten, so ist auch in bezog
auf die Gartenkunst Peter der Grofse als ihr eigent-
licher Begründer in Rufsland zu betrachten. Was unser
weites Reich vor diesem grofsen Reformator an gröfseren
Gärten besafs, ist nur von geringer Bedeutung. Die erste
von ihm ausgeführte gröfsere Gartenanlage war der in
seinem Lieblingsgesohmacke, im holländischen Stile, an-
gelegte Garten des kaiserlichen Sommerhofes zu
St. Petersburg, der heutige sogenannte Sommorgarten.
Er wurde im Jahre 1714 angelegt und ist auf einer Seite
von dem breiten Newastrom, zur Linken von der aus dem-
selben austretenden Fontanka und zur Rechten von einem
anderen, ebenfalls aus der Newa gebildeten Kanal, der
Moika, begrenzt. Dieser Gärten war, und ist es zum Teil
noch heute, mit vielen breiton Alleen, Teichen, Wasser-
künsten, Kaskaden, freien Plätzen und einer Menge mar-
morner Bildwerke geschmückt. Diese Statuen etc. wurden
zum gröfston Teil von den berühmten italienischen Bild-
hauern Corrad i n i und Tarsia hergestellt, aufserdem aber
enthielt dieser Prunkgarten viele echte marmorne Werke
des Altertums.

Zu der luxuriösen Einrichtung des Gartens gehörten
ferner eine mit vielen fremden Tieren angefüllte Menagerie,
verschiedene Lusthäuser, mit schönen Gewächsen durch-
wachsene Gitterwerke und ein Park mit vier Abteilungen,
worin die äsopischen Fabeln auf vergoldetem Blei als
Springbrunnen-Ornamente angebracht waren. Die nötige
Erklärung und Moral war diesen Kunstgegenständen auf
sogenannten Termen beigefügt.

Zur linken Seite des Eingangs stand der bescheidene
steinerne Palast, worin Peter I. mit seiner Gemahlin zu
wohnen pflegte. Mit diesem Garten durch eine Brücke
über einen Querkanal verbunden war noch ein zweiter,
nicht viel kleinerer Garten, den die Kaiserin Katharina I.
von einem schwedischen Gärtner hatte anlegen lassen und
der deshalb auch der schwedische Garten genannt
wurde. Dieser Garten wurde in der Folge von der Kaiserin
Elisabeth bedeutend verbessert. Zunächst liefs die Herr-
scherin ein neues Palais und einen prächtigen Pavillon auf-
führen, in denen sie im Sommer Wohnung nahm. Am
Palais war vor dem Schlafgemach ein niedlicher hängender
Garten angebracht.

Jenseits der Fontanka, letzterem Garton fast gegen-
über, lag noch der dritte Hofgarten, beim sogenannten

italienischen Palais, daher er auch der italienische
Garten genannt wurde. Er hatte eine über eine Werst
lange Ausdehnung und war mit anmutigen Laubengängen
durchzogen. Späterhin diente der Garten hauptsächlich
zur Erziehung von Gewächsen, Blumen und Früchten
aller Art für den Kaiserlichen Hof. Gleichfalls am Fontanka-
Kanal lag auch der Scheromotieffsche Garten, der
zwar klein war, aber mit seinen schattigen Bosketts, schönen
marmornen Statuen, Pavillons, einer Grotte und einem
bewohnbaren Gartenhaus aufserordentlich viel Anziehendes
hatte und zu den schönsten damaligen Gärten der Residenz
gezählt wurde.

Dasselbe gilt von den, gleichfalls im holländischen
Stile, mit greiser Pracht ausgestatteten Gärten des
Fürsten Menschikoff (jetzt adeliges Kadettenkorps),
dem Garten des Grafen Rusunowsky, dessen einer Teil
schon in natürlichem Stile gehalten war und vielen anderen
Gärten auf dem Wege nach Peterhof, wo auf mehr als
30 Sommersitzen vornehmer Privatpersonen die Garten-
kunst eifrig gepflegt wurde.

Berühmte Gärten waren ferner auch der an der
schlüssolburgischen Landstrafse beim Kloster des
Heiligen Alexander Nowsky gelegene, sowie der an
der oberen Newa gelegene Fürst Weasomskische und
Neplujeffsche Garten. Letzterer, der an dem ätifsersten
Ende dos Newastromes lag, hatte eine überaus reizende
Lage und wurde in der Folge von der Kaiserin Katharina
angekauft, die diesen Ort nach ihrem feinen Geschmack
in einen schönen Sommeraufenthalt umwandelte. Dieser
Garten hat viele glänzende Feste erlebt; es ist dies das
jetzige Schlofs und Park Jelagin, das durch seine
hervorragenden Treibereien berühmt ist.

Der gröfste und prächtigste im regelmäfsigen Stile
von Peter dein Grofsen geschaffene Prunkgarten ist jedoch
der bei dem Kaiserlichen Lustschlofs Peterhof
von einem der begabtesten Schüler Lenötres, von Le Blond
angelegte.

Dreifsig Werst von Petersburg entfernt, bildete dieser
Lustgarten späterhin die gewöhnliche Sonimerresidenz des
kaiserlichen Hofes. Diese grandiose Schöpfung galt mit
Recht als das russische Versailles. In bezug auf die land-
schaftliche Lage übertrifft jedoch Peterhof den berühmten
Prunkgarten Ludwigs XIV. bedeutend.

Auf einem hohen Plateau, 40 Fufs über dem Meeres-
spiegel gelegen, bietet das Schlofs eine überaus grofs-
artige und reizende Fernsicht, die weit über den finnischen
Meerbusen hin bis nach Kronstadt und Petersburg reicht,
von dem die vielen vergoldeten Kuppeln und Türme
glänzend herüber leuchten. Der Park von Schlofs Peterhof
mit all seinen Naturschönheiten, Pomp und Kostbarkeiten
des damaligen Geschmacks ist noch heute der am meisten
besuchte und bekannteste Prunkgarten Rufslands. Schlofs
Peterhof hat auch wiederholt in den letzten Jahren die
Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich gelenkt, so
namentlich beim Besuche Kaiser Wilhelms II. und der
französischen Staatsoberhäupter, bei welchen Gelegenheiten
glänzende Feste gefeiert wurden und der Garten mit all
seinen vielen Wasserkünsten märchenhaft illuminiert war.
 
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