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Die Gartenkunst — 8.1906

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Rasch, Edgar: Balkonschmuck
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Verschiedene Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0214

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vm, 10

DIE GART ENKTJNST

201

Balustraden über die ganzen Pfronten ziehen, mufs auf ein-
heitliche geschlossene Wirkung gesehen werden. Nirgends
darf eine Lücke sein, nirgends eine unmotivierte Häufung.
Imposante Symmetrie auf der ganzen Hausfront. Gerade
da mufs das Grün des Laubes vorherrschen, die Blumen
kontrapunktieren seinen Rhythmus nur. Die Lösung solcher
Aufgaben sollte man hervorragen den Fachleuten anver-
trauen, aber nicht jeden beliebigen Kunstgärtner walten lassen.

Wir wollen auf dem Balkon am Wohnhause Schatten,
Ruhe vor Staub und neugierigen Blicken, wir wollen trotz
der Offenheit einen gemütlichen Aufenthalt, Von oben
her und soweit nötig von der Seite schützen uns Markisen
gegen Sonne und Wind. Die Seiten können wohl Efeu-
wände flankieren. Die Bepflanzung der Brüstung mufs
hoch genug sein, dafs man die auf dem Balkon befind-
lichen Personen von unten aus nicht sieht; wiederum aber
niedrig genug, dafs man, an der Rampe stehend, auf die
Strafse sehen kann. Diese Punkte sollten bei der Höhe
der Pflanzen vorzugsweise berücksichtigt werden. Mit
Ampelpflanzen sei man recht sparsam, man tut damit sehr
leicht zu viel des Guten.

Der Aufenthalt soll zu lauschiger Ruhe einladen. Grelle
Farbenzusammenstellungen und Farbenhäufungen sollten
vermieden werden. Nur hier und da sollten uns einige
Blütendolden erfreuen, dieselben werden durch sparsame
und vornehme Anwendung nur an Wert gewinnen.

Besonders wähle man gedämpftere Farben, um das oft
geradezu unerträglich flimmernde Licht in den Stadt-
strafsen wohltuend zu absorbieren.

Vor allem aber denke der einzelne mehr. Will man
ihm dabei helfen, so lasse man an Stelle der „Konkurrenzen"
sachliche Belehrung treten, für die es mancherlei Formen
gibt (gute Vorträge in geschlossenen oder öffentlichen
Versammlungen, verständig gehaltene Anleitungen in Buch-
form u. dgl.). Auch die Presse kann dazu herangezogen
werden. Anstatt, dafs die Tages- und Familienzeitungen
seichtes Romanzeug drucken, sollten sie diese Spalten
lieber der Volksaufklärung zur Verfügung stellen und u. a.
auch Aufsätze über Blumenpflege und Balkonschmuck
bringen. Dafür könnten wohl in jedem Ort Gärtner und
Gartenfreunde schriftstellerisch wirken. Ausreden wie
„keine Zeit haben" oder „kein Talent besitzen" gibt es
hier nicht. Der Mensch kann alles, wenn er seinen Willen
richtig gebrauchen leint. Wird so durch stille emsige Arbeit
das Publikum aufgeklärt und lernt es wieder ein Heim in
echt deutscher Sinnigkeit, Liebe und Traulichkeit ein-
richten und schmücken, so wird sich der deutsche Michel
nicht mehr durch Balkonkonkurrenzen blamieren. Llann
wird er wieder echt deutsch sein, aber dann erst.

Verschiedene Mitteilungen.

Die XIX. Hauptversammlung der deutschen Gesell-
schaft für Gartenkunst zu Nürnberg, 18.—23. August 1906-
Nürnberg, des deutschen Reiches Schatzkästlein rief uns
in diesem Jahre und wahrlich, um es vorweg zu nehmen: es

wird niemand gereut haben, der Einladung zur Hauptver-
sammlung gefolgt zu sein. Welch eine Stadt! Welch neu-
artige Schönheit begegnet hier dem modernen Städtebauer und
Städteverschönerer auf Schritt und Tritt. Neuartig, weil es in
keiner grofsen Stadt Deutschlands in dem reichen MaCse mehr
erhalten geblieben ist, das alte und derbe, aber so überaus
malerisch wirkende der mittelalterlichen Baukunst, in seiner
architektonischen Anordnung und seiner reichen Gliederung.
Wir modernen Grofsstädter, gewohnt die lange Zeile, eingefafst
von riesenhohen Steinpalästen, in endloser Linie vor uns zu
sehen, müssen zum Vergleich herausgefordert werden, beim
Durchwandern der Strafsen des alten Nürnberg, des Nürnberg,
das früher schon eine Grofsstadt war, berühmt durch seinen
Handel, und doch eine Bauart zuliefs, die noch heute fast un-
verändert erhalten ist.

Lassen sich nicht auch heute noch so malerische Städtebilder
erzielen? Ja und immer wieder ja! Gerade das Studium
Nürnbergs, auch heute noch eine Grofsstadt im modernen Sinn,
beweist es. Wir haben uns übersatt gesehen an den langen
Hausfluchten mit ihren, wenn auch in tausenden Formen aus-
gebildeten, so doch im Grunde immer gleichartigen Baikonen,
Erkern und anderen Verlegenheitsmittelchen, satt gesehen an
den die gerade Linie noch deutlicher zum Bewufstsein
bringenden Parallelen: Vorgartengitter, Baumreihen, Laternen-
pfähle, Masten der Strafsenbahn, und Gleise selbst. Eine
andere Bauart ist möglich, ohne dafs der Erbauer sich den
Vorwurf, unpraktisch, verkehrshemmend gebaut zu haben, ge-
fallen zu lassen braucht. Nürnberg beweist es, und mancher
Teilnehmer an der Hauptversammlung wird gerade in diesem
Sinne Vergleiche mit der Stadt seines Wirkungskreises an-
gestellt haben.

Doch ich wollte ja von der Hauptversammlung selbst er-
zählen. Man verzeihe mir dieses Abweichen vom Thema, aber
es erscheint mir fast das Wichtigste gerade auf das Motiv hin-
zuweisen, was den Vorstand veranlafst hat, der Einladung-
Nürnbergs nachzukommen. Die Wahl des Vorortes der jedes-
maligen Hauptversammlung ist wohl der wichtigste Punkt der
Tagesordnung, wird doch dadurch schon dem ganzen Verlauf
derselben im bestimmton Sinne die Richtung vorgeschrieben.
Darum ist der Beschlufs des Ausschusses unserer Gesellschaft,
für die Zukunft unabhängig von etwa vorliegenden Einladungen
den Ort der Tagung zu wählen, mit Freude zu begrüfsen, weil
er die Möglichkeit zuläfst, den jeweils auf der Tagesordnung-
stehenden Gegenständen und den Tagesfragen in unserer Kunst
selbst mehr als bisher Rechnung zu tragen.

In Nürnberg war es nicht allein die Stadt selbst, die uns
dort zu tagen veranlafste, sondern auch die bayerische Landes-
ausstellung auf einem Gelände, an sich schon reizvoll, hat dazu
beigetragen, uns die Wahl Nürnbergs leicht zu machen. Bayern
hat alte und feinst ausgebildete Gartenkunst, (es genügt
Nymphenburg und Linderhof zu nennen) und es war an-
zunehmen, dafs auf der Ausstellung in gartenkünstlerischer
Beziehung Neuartiges und Schönes gezeigt würde. Bayern —
München — ist die Geburtsstätte einer neuen Kunst, die heute
entwachsen den Kinderschuhen und nach glücklichem Bestehen
der Kinderkrankheiten sieghaft in blühender Jugend an-
gestaunt, bewundert und hoch geachtet wird. Konnte nicht
auch für unsere Kunst hier etwas Neuartiges erstanden sein ?

Auch diese Erwägung wird manchen denkenden und sich
durch den Widerstreit der zurzeit herrschenden Richtungen heifs
hindurch arbeitenden Gartenkünstler nach Nürnberg gelockt
haben. Es ist uns kein neuer Prophet erstanden, trotz
vielem Schönen; niemand, der sich turmhoch über das Bekannte
 
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