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Die Gartenkunst — 8.1906

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Hoemann, Reinhold: Neuzeitliche Bestrebungen auf dem Gebiete der Gartengestaltung: Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der D.G.f.G. am 19. August 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0221

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208

DIE GARTENKUNST

VIII, 11

Schauen wir uns z. B. auch einmal seine Garten-
literatur an, was wurde in England auf diesem Gebiete
in den letzten Jahren geboten. Bücher, die bei uns kaum
einen Vorleger finden, sind dort geradezu populär. Es
vergeht kein Monat, in welchem nicht das Erscheinen
eines neuen Gartenwerkes angekündigt wird. Vergleichen
wir damit unsere eigene Produktion, so ist das Resultat
für uns, die wir uns so gerne das Volk der Denker und
Dichter nennen, geradezu beschämend.

Doch zurück zu Muthesius. Habe ich seine Aus-
führungen über den architektonischen Garten auch rück-
haltlos loben können, so muss ich auch hier registrieren,
dai's er einer der ersten ist, welcher sich von der so-
genannten Landschaftsgartenkunst völlig lostrennt, er
spricht dorn Landschaftsgarten ohne Einschränkung jewede
Berechtigung, jedweden Kunstwert ab, er nennt die
Kunst, welche ihn entstehen läfst, die Kunst des Wachs-
figurenkabinetts. Ich behalte mir vor, auf diesen Punkt
zurückzukommen.

Als weiterer Vorkämpfer für den tektonisch ge-
gliederton Garten lernen wir dann Bauer-Magdeburg
kennen und zwar tritt uns erfreulicherweise der Fachmann
entgegen. Bauers Arbeiten begegnete ich (das ist auch
charakteristisch) nicht etwa in einem Fachblatte, sondern
in einer Kunstzeitschrift (Kunst und Dekoration, Darm-
stadt), wo er unter den Schülern Paul Burks mit einer
stimmungsvollen Gartenszenerie auftrat. Dann kam er
nach Düsseldorf und war dort auf unserer Spezialaus-
stellung vielleicht der einzige wirklich moderne Garten-
fachmann. Später begegneten wir seinen Arbeiten bei den
Preisausschreibungen in Dessau, Düsseldorf, Worms.
Überall aber trat uns Bauer als ein hochbegabter, eigen-
artiger Künstler entgegen, der dem architektonischen
Garten in ganz neuzeitlichen Formen Stimmungsworte von
ganz eigenem Reize abzugewinnen wufste.

Was Bauer uns in seinen Hausgartenentwürfen vor-
führte, das nannte ich bereits an anderer Stelle eine echte,
rechte Heimatskunst, seine Gärten sind architektonisch
und landschaftlich zugleich wohl das Beste, was uns im
Entwurf wenigstens die neuzeitliche Bewegung brachte.
Auch sein jüngster Aufsatz in der Gartenkunst ist ein
Zeugnis für das feine und tiefe Schönhcitsompflndon
Bauers, zumal man die oigenen Empfindungen sehr klar
und deutlich herausfühlt.

Hierzu rechne ich allerdings nicht sein glattes Ver-
dammungsurteil des landschaftlichen Gartens ä la
Muthesius, hier scheint Bauer, ihm selbst unbewul'st,
unter anderem Einflüsse zu stehen.

Nächst Bauer trat von Gartenfachloutcn dann
Camillo Schneider mit seinem bekannten Werke in die
Erscheinung. Ich halte das Werk dieses Autors neben
Schultze-Naumburgs „Gärten" für das Beste, was uns die
neuzeitliche Fachliteratur brachte.

Schulter an Schultor mit den vorher genannten
kämpft Camillo Schneider für den architektonischen
Garten, und sein Gewaffon ist scharf und schneidig. Bei
seinen Reformvorschlägen kann man allerdings zuweilen
andorer Meinung sein.

Bemerkenswert ist, dafs Camillo Schneider der
sogenannten landschaftlichen Gostaltungsweise eine Be-
rechtigung nicht absprechen kann, in dieser Hinsicht also
auf ganz anderem Standpunkt wie Muthesius und
Bauer steht. Im übrigen setze ich das Werk als so
bekannt voraus, dafs es sich erübrigt, näher auf dasselbe
einzugehen.

Jetzt seien noch zwei Männer kurz erwähnt, die auf
die Gartengestaltung in modernem Sinne einen Einflufs
ausübten, der eine ist Behrens, der andere Olbrich.
Sie kennen wohl alle den Behrens-Garten in Düsseldorf,
dessen Kritik durch Prof. Ree ja mit ein Anlafs zur
Bildung unserer Gesellschaft wurde. Das hohe Kunst-
ereignis, welches Reo damals im Behrens-Garten sah,
haben viele (Fachleute und Laien) nicht in demselben
gefunden, wohl aber zeigte er jedem, der offenen Auges
danach suchte, reizvolle, anregende Einzelmotive. Be-
fruchtend aber hat der Behrens-Garten in den Rheinlanden
kaum gewirkt, wenigstens nicht nach meiner Beobachtung.
Wenn ich in der Praxis vorsuchte, einen Garten archi-
tektonisch zu gestalten, so war mir ein Hinweis auf den
bekannten Behrens-Garten mehr hinderlich wie förderlich.

Und nun Olbrich. Seine Farbongärten sind noch
in aller Erinnerung. Ich habe mich schon vergangenes
Jahr hierzu geäufsert, kann mich also hier kurz fassen
und brauche gesagtes nicht zu wiederholen.

Die Verwendung von Blumen, die auf einen Ton ab-
gestimmt werden (übrigens früher schon mit Erfolg, aller-
dings ohne das Epiteton Farbengärten, versucht), hat
sicherlich eine hohe künstlerische Berechtigung und wird
zweifelsohne in Zukunft an passender Stelle, besonders
bei Ausschmückung von Stadtplätzen, bei Einzeldekora-
tionen etc. gute Verwendung finden, der allgemeinen Ein-
führung etwa bei den Vorgärten, sprechen aber so manche
Gründe entgegen, dafs ich an diese allgemeine Einführung
nicht glaube, sie auch nicht erhoffe.

Beherzigenswertes zeigen Bohrens und Olbrich wieder
in der Verwendung plastischen Schmucks im Garten und
ich hoffe dieser Anregung reichsten Erfolg. Auch ist
beiden gemeinsam die reichliche Verwendung der Blumen.
Vielleich könnte ich nun noch andere Vertreter derselben
Richtung nennen, doch wesentlich Neues bringen diese
Neuen nicht mehr, es ist ja auch nunmehr Haupt-
aufgabe;, zu verwirklichen, was jene Männer erstrebten.

Leicht erklärlich ist es nun, dafs solche Lehren, solche
Auffassungen den Widerspruch mancher Fachleute her-
ausforderten, die in anderer Auffassung ihren Beruf
bisher ausübten, und dafs diese andere Richtung auch ihre
Kämpen ins Feld schickte. Der bedeutendste und in-
teressanteste dieser Gegenkämpen scheint mir unstreitig
Willy Lange zu sein.

Auch Lange ist keiner, der stillstand, während alles
um ihn voranstrebte, im Gegenteil. Eifrig arbeitete dieser
Mann an seiner Weitorentwickelung und an der Weiter-
entwickelung seiner Kunst. Er kommt, auf anderen
Gartonbegriffen aufbauend, unter Ausnutzung der neuzeit-
lichen Forschungen auf dem Gebiete der Naturwissenschaft
(Ökologie) zu ganz anderen Resultaten als jene Modernen.
 
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