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Die Gartenkunst — 8.1906

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Heicke, C.: Die Nachahmung der Natur in der Gartenkunst, [1]: Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der D.G.f.G. am 19. August 1906
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VIII, 11

DIB GARTENKUNST

211

Die Nachahmung der Natur in der Gartenkunst.

Vortrag gehalten auf der Nürnberger Hauptversammlung der
D. G. f. G. am 19. August 1906
von

C. Heicke, Frankfurt a. M.

Wir stehen in der Gartonkunst in einer Periode leb-
hafter Entwickelung. Auch auf allen anderen Kunst-
gebieten gärt und brodelt es und man glaubt insbesondere
auf dem Gebiete der Baukunst jetzt einen neuen Stil —
oder richtiger gesagt den Stil, der unserer Zeit entspricht,
gefunden zu haben. Aber was sich uns zeigt, ist nicht
ein einheitlicher Stil, etwa wie der gotische und andere
historische Baustile, die trotz gewisser Modifikationen in
den einzelnen Ländern und Zeitabschnitten in ihrem Wesen
so deutliche und charakteristische Zeichen aufweisen, dafs
selbst der Laie nicht im Unklaren sein kann, wohin er
einen ihm gerade vor Augen befindlichen Bau zu rechnen
habe. — Nein soviel moderne Baukünstler, soviel Stile
und Richtungen. Hie Olbrich — hie Behrens — hie
Billing — so schallt es, wenn wir z. B. nur das eng-
begrenzte Gebiet der Kunstausstellung in der Flora zu
Köln ins Auge fassen. Und ziehen wir den Kreis weiter,
so werden wir ebensoviele Richtungen antreffen, als wir
Künstler in den Kreis einbeziehen.

Im Gegensatze hierzu finden wir die modernen
Künstler einig in der Auffassung, sobala es sich um die
Gestaltung des Gartens handelt, einig namentlich in der
Bevorzugung streng regolmäfsiger Formen im Gartongrund-
rifs, einig in der rücksichtslosen Verwerfung dessen, was
man sich untor der Bezeichnung „Landschaftliche
Gartengestaltung" im Laufe der Zeit zu verstehen ge-
wöhnt hat.

Der eine lehnt sich an an die neuesten englischen
Gärten, die wiederum auf der Wiederbelebung englischer
Gartenformen aus der Zeit vor dem Emporblühen des
landschaftlichen Gartenstiles beruhen, der andere schöpft
aus der deutschen Empire- resp. Biedermeierzeit, der
dritte knüpft an die italienische Renaissance an oder wo
irgend sonst sich ein regelmäfsiges Gartenmotiv findet.

Sogar — man möchte darüber fast staunen — Japan,
das Land der bizarren Unregelmäßigkeit im Gartenstil,
scheint dabei eine Rolle zu spielen; denn wenn man Werke
über japanischo Gartonkunst studiert, begegnen einem sehr
häufig Formen bei Einfriedigungen, Pforten, Brunnen und
dgl.. die einom gar nicht fremd vorkommen, denn man
ist ihnen in den modernen Künstlergärten der letzten Jahre
wiederholt begegnet, und es mag eine nicht uninteressante
Aufgabe sein, einmal nachzuweisen, wie weit der Eintlul's
solcher japanischer Vorbilder auf dem Gebiete modernster
Gartengestaltung sich erstreckt.

Mir kommt es im wesentlichen heute darauf an, fest-
zustellen, dafs bei aller Vorschiedenartigkeit der Auf-
fassungen, wo es sich um geistreiche Woiterentwickelung
dessen handelt, was wir modernen Baustil nennen, unter
den modernen Künstlern grofse Einmütigkeit herrscht, so-
bald sie an das Gebiet der Gartengestaltung herantreten.
Aber ganz im Gegensatz zu der Ansicht eines Darm-

städters ist mir diese Einmütigkeit nicht ein Beweis für
die Richtigkeit dessen, was die modernen Baukünstler im
Garten anstreben, sondern ein Zeichen dafür, dafs sie noch
weit entfernt sind, das Wesen des Gartens und seine
Kunst vonGrund aus zu erfassen. WeilsieeinGebiet betreten,
das ihnen seinem Wesen nach noch fremd ist, deshalb
bevorzugen sie die ihrem eigentlichen Schaffensgebiete —
der Baukunst — eigenen Formen, deshalb die Bevorzugung
strengster Rogelmäfsigkeit und Gradlinigkeit, deshalb die
grundsätzliche Ausschliefsung alles dessen, was an den
„Landschaftlichen Gartenstil" erinnert.

Wenn nun auch die meisten meiner Berufsgenossen
mit ihren Bedenken gegen Einseitigkeit in der Verwen-
dung strong regelmäfsiger Gartonformen nicht zurückhalten,
so nehmon wir auch gerne jede Gelegenheit aufs neue
wahr, um nachdrücklich und wiederholt zu botonen. dafs
auch wir rückhaltlos anerkennen, dafs in der sö-
ge nannte n Land Schafts gär tnereitrostloseZustän de
herrschon, dafs die Gedankenlosigkeit in der Aus-
übung dieses Berufs eine Handwerksmäfsigkeit
schlimmster Art gezeitigt hat. Wir erkennen an,
dafs hier Abhilfe dringend not tut und wir be-
grüfsen das Interesse der Künstler für den Garten
mit Freuden', denn wir versprechen uns von ihrer
Mitwirkung wesentliche Förderung.

Man dürfte erwarten, dafs von dieser in unseren
Kreisen herrschenden Auffassung loyaler Weise überall
Notiz genommen würde, aber das ist nicht der Fall.

Mir ist es wiederholt begegnet, dafs man aus dem
Vortrage, den ich im vorigon Jahre auf unserer Darm-
städtor Versammlung gehalten habe, nur dasjenige heraus-
gelesen hat, was ich gegen diese einseitige und meiner
Ansicht nach unberechtigte Bevorzugung der streng regel-
mäl'sigen Richtung in der Gartengestaltung gesagt habe,
dafs man aber darüber hinweggegangen ist, dafs ich nach-
drücklich und eingehend an meine Berufsgenossen die
Mahnung gerichtet habe, sich auf sich selbst zu besinnen,
mit der gedankenlosen Wiederholung angelernter Formen
zu brechen, die Mahnungen und Kritiken aus Nichtfach-
kreisen nicht in den Wind zu schlagen, insbesondere allen
Äul'serungen und Betätigungen aus jenen Künstlerkreisen
Beachtung zu schenken.

Ich wiederhole das auch heute und bitte alle die-
jenigen, welche mit mir in dieser Beziehung überein-
stimmen, es bei jeder sich bietenden Gelegenheit
zu tun. Es ist bitter nötig. Man glaubt gar nicht,
wie spurlos alle Regungen und Äul'serungen solcher Art
an den meisten unserer Berufsgenossen vorübergehen.

Ganz im Gegensatz zu Kollegen Hoemann weii's ich,
dafs in den sogenannten Fachkreisen die modernen Schriften
über Gartenkunst und verwandte Gebiete so gut wie un-
beachtet bleiben.

Die Leute kennen Schultze-Naumburg nur vom Hören-
sagen, gelesen haben sie ihn nicht, Schneiders Buch ist
ihnen ein fremdes Dorf, von allen anderen ganz zu
schweigen.

Für jeden, der berufsmäfsig Gartonkunst
ausübt, ist] die Kenntnis solcher Schriftsteller
 
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