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Die Gartenkunst — 9.1907

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Widmer, Karl: Die Sondergärten des Prof. M. Läuger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung: Vortrag
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Singer, Wolfgang: Über künstlerische Gestaltung des Hausgartens: Vortrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0204

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198

DIE Gr AKTENKUNST

IX, 10

Sträucher, die Thuja usw. ebenfalls zu architektonischen
Formen, zu Wänden und Mauern usf. ausgebildet. Also
das architektonische Prinzip vom großen bis ins kleine.

Und nun den eigentlichen Träger der künstlerischen
Wirkung haben wir in einer fein ausgerechneten Pro-
portionalität, also in der feinsten Beachtung der Ver-
hältnisse. Da liegt der eigentliche Reiz der Sache, da
müssen wir die eigentliche Schönheit suchen, in der Pro-
portionalität auf Grund sachlicher Einfachheit. Es liegt
auch hier eine eigentümliche Parallele zu dem modernen
Kunsthandwerk. Wir haben keine Schnörkel, keine
Spielereien, wie wir sie so oft finden, also z. B., daß
Blumen in einen künstlichen Korb gefaßt werden, oder,
daß Zwerge, Rehe usw. aus gefärbtem Ton aufgestellt
werden. Wir haben keine Imitation wirklicher Grotten,
wirklicher Felsen usE. Der Garten gibt sich als das, was
er ist, er ahmt keine Theaterszenerie nach, kein Panop-
tikum mit Wachsfiguren, keine Kunststücke, die uns ein
Stück Natur vortäuschen wollen. Wir haben überall
strenge Sachlichkeit. Die Schönheit liegt in den not-
wendigen Linien, ganz parallel zu dem Gegenstand des
modernen Kunsthandwerks. Denn hier haben wir auch
den eigentlichen Grundgedanken, nach dem sich der mo-
derne Stil des Handworks entwickelt hat. Früher war
ein Schrank womöglich die Kopie einer Renaissance-
fassade, Jeder Gabel-, jeder Löffelstiel mußte bedeckt
sein mit Renaissance- oder Rokokoornamentchen. Heut-
zutage erfreuen wir uns an der einfachen Zweckform.
Der Schrank bleibt, was er ist. Die unnötigen Profile
vorschwinden, die aufgeschraubten und aufgeleimten Leisten,
Simse, Pilaster, Säulen, Giebel fallen weg. Glatte Wände,
glatte Flächen, alles zurückgeführt auf das notwendige,
und so vom großen bis" ins kleinste, bis zu jedem Löffel
und kleinen Instrument herab, einfachste und natürlichste
Zweckform. Also das Gesetz sachlichster Einfachheit, bei
dem die Schönheit in den notwendigen Linien und ihren
Verhältnissen liegt. Dasselbe Prinzip geht durch diese
Gärten hindurch. Insofern berührt sich der Geist dieser
Gärten mit dem allgemeinen Geist des modernen Kunst-
handwerks.

Selbstverständlich spricht neben der Form auch die
Farbe ein gleich gewichtiges Wort. Es sind Farbenakkorde
versucht worden, die uns auch nach dieser Richtung hin
ein möglichst vielseitiges Bild von der künstlerischen Ver-
wertung der Pflanze geben sollten. Ich betone hier noch
einmal, daß das Versagen dos eigentlichen gärtnerischen
Teils der Aufgabe allerdings diese Seite der Sache etwas
beeinträchtigt hat. Wenn wir Läuger als Farbenkünstler
kennen lernen wollen, gehen wir am besten in das Innere
des Bades hinein, wo er sich nach freiem Ermessen be-
wegen konnte und wo wir ein außerordentliches Kunst-
werk von Farbenschönheit und -harmonie verwirklicht
haben.

Selbstverständlich gibt einen weiteren ausschlag-
gebenden Wert dieser ganzen Gartenschöpfung der per-
sönliche Geist des Künstlers, der ihn geschaffen hat. Wir
lesen da auch die Handschrift einer künstlerischen Indi-
vidualität heraus, es atmet da die Seele einer künstleri-

schen Persönlichkeit. Und Läuger ist ja seiner ganzen
Persönlichkeit nach bestimmt für eine feine, liebenswürdige
Klassizität. In dem Geiste vornehmer, fein abgewogener
Einfachheit liegt aber eben die Übereinstimmung mit der
allgemeinen Richtung der modernen Kunst.

Wir müssen im Auge behalten, daß es sich bei
allem dem um etwas Neues, Bahnbrechendes handelt, um
den Versuch handelt, Traditionen wieder neu anzuknüpfen,
also aus gewohnten Geleisen herauszugehen. Daß dabei
auch Irrtümer vorkommen können, auch Fragen aufge-
worfen werden, die damit noch nicht ein für allemal, ge-
löst sind, daß man im einzelnen vielleicht auch noch da
und dort etwas aussetzen mag, daß nicht jeder sagt: das
ist das letzte und endgültige Resultat, das ist selbstver-
ständlich; darauf kommt es auch nicht an für die Wert-
schätzung aller dieser Schöpfungen, sondern die Frage ist
hauptsächlich die: Ist das Prinzip richtig? Daß das Prinzip
richtig ist, diese Antwort gibt mir der Zusammenhang
nicht nur mit unserer ganzen heutigen künstlerischen
Kultur, der wieder erstehende und wieder gefundene An-
fang und Faden einer großen lebenumfassenden künstle-
rischen Kultur, mit der diese Gärten zusammengehen als
ein Teil eines großen Ganzen. Es gibt mir die Antwort
darauf auch die Ubereinstimmung mit dem, was zu allen
früheren Zeiton künstlerischer Kultur als recht gegolten
hat. Darin sehe ich vor allem die Bedeutung der Gärten.
Sie helfen mitbauen an einem Stück Boden für einen
neuen Stil, für eine neue künstlerische Kultur unserer
Zeit.

ilber künstlerische Gestaltung des Hausgartens.

Vortrag, auf der XX. Hauptversammlung der .D. G. f. G. in
Mannheim gehalten von W. Singer, Bad Kissingen.

Zugleich mit der Einladung, von diesem Platze aus
über die künstlerische Gestaltung des Hausgartens zu
sprechen, wurde mir von unserm verehrten Vorstande
mitgeteilt, daß vor mir 5 Herren das gleiche Thema unter
Bezugnahme auf ihre in der gegenwärtigen Ausstellung
geschaffenen Sondergärten behandeln sollten: da deuchte
es mir rechtens wahrscheinlich, daß ich als letzter der
langen Reihe mehrfach Gesagtes wiederholen würde, wollte
ich auf Einzelheiten der Hausgartongestaltung eingehen;
ich beschloß deshalb mich auf 2 generelle Fragen zu be-
schränken, die augenblicklich im lebhaftesten Streite der
Meinungen stehen:

1. Soll der Hausgarten ausschließlich und strong
architektonisch, d. h. in vermenschlichten, unser
Herrenrecht über das der Natur entlehnte Material dar-
stellenden Kunstformen, oder landschaftlich, d. h. in
freien, der Natur nachgebildeten Formen oder schließlich
in einer Vermischung dieser zwei so verschiedenen Kunst-
prinzipien gestaltet werden?

2. Wer soll den Hausgarten gestalten?

Eine Würdigung der ephemeren Ausstellungsgärten
ergibt sich dabei von selbst. — Jetzt aber höre ich,
daß die meisten der vorgemerkten Künstler ihre Vor-
 
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