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Die Gartenkunst — 10.1908

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Geßner, Albert: Wechselwirkung der Bau- und Gartenkunst beim Miethause: Vortrag, gehalten in der Sitzung der Gruppe Brandenburg am 10. April 1907, [1]
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Barth, E.: Der Vorwerker Friedhof zu Lübeck
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0017

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X, 1

DIE GARTENKUNST.

7

Es tut uns daher not die Rückkehr zur Einfachheit
und das Streben nach Poesie. Aber nicht der Butzen-
scheibenpoesie nach dem sogenannten „Malerischen“
will ich das Wort reden, sondern jener ungekünstelten
des Formenüberschwanges baren Poesie, die wir an
den Gebäuden auf dem Lande, die wir in kleineren
Ortschaften finden, wo in vergangenen Zeiten unbe-
einflußt von Architektenströmungen und ohne äußerlich
stilistischen Formalismus einfach logisch gebaut wurde.
— Einfache, sachliche Logik und doch Poesie! — Ge-
mütstiefe sollten wir Deutsche in unsere Arbeiten
legen und wir würden die bodenständigste Heimats-
kunst schaffen, ohne immer und immer wieder Anleihen
bei den Formen der Vergangenheit machen zu müssen.
Warum soll von der deutschen Gemütstiefe gerade das
Mietshaus nichts empfangen? Ist es nicht auch zur
menschlichen Wohnung gebaut? Wollen wir nicht
endlich die Pracht und Eleganz anderen Völkern über-
lassen und uns auf unsere ureigensten Eigenschaften
besinnen? — Auch das Mietshaus bedarf, wie jede
andere Aufgabe, der liebevollen Behandlung, die sogar
besonders nötig ist, weil die Lösung schwieriger ist
durch das Zusammenfassen vieler Wohnungen in einem
Hause. — Warum müssen die fünf Etagen übereinander
gleich sein ? Doch nicht aus absoluter Naturnotwendig-
keit? Nur Gedankenlosigkeit kann wohl dazu führen!
Es gibt so viele Mittel, die Wohnungen verschieden
zu bekommen, daß es mich zu weit führen würde, sie
hier aufzuzählen. Und gerade diese individuellere Be-
handlung der einzelnen Wohnungen ist ja für die
äußerliche Gestaltung so unendlich wertvoll! Und so
verschieden diese Bedingungen sind, um so größer
muß der Reiz für den Architekten sein, doch daraus
ein Ganzes zu schaffen; und je mehr er eine klare
Gesamtform prägt, ohne das individuelle Leben der
Einzelwohnung ganz- zu verleugnen, um so mehr wird
er zum Typus hinanleiten, zum Typus des Mietshauses,
eines Hauses, welches uns anheimeln und nicht kühl
abweisen soll. Gemütlichkeit — jene Eigenschaft, die
es nirgends weiter auf der Welt gibt — muß in unserem
Wohnhaus und somit auch im Mietshaus liegen. —
Prachtstraßen als Wohnstraßen erscheinen mir sehr
überflüssig und ich muß gestehen, daß die bisher darin
erzeugte Pracht recht zweifelhafter Natur ist. — Be-
züglich der Verwendung der Materialien sei bemerkt,
daß der Mörtelputz, da wo die Mittel beschränkt sind
und wo schnell gebaut werden soll, das Gegebene ist,
und dieses wieder gebietet von selbst die glatte schlichte
Fläche. Heben wir das Portal, den Erker durch Werk-
stein heraus, verwenden wir wieder das schöne Motiv
der Fensterläden und insbesondere Blumenkränze, so
bringen wir so viel Leben in die Fläche, daß wir das
übliche Gesims und Ornament getrost fortfallen lassen
können.
Meine Herren! Nur mit schlichten Mitteln können
wir zu einer Gesundung unserer Kunst kommen und
es ist notwendig, dies in einer Zeit besonders zu be-
tonen, die mit so verschwenderischen Mitteln arbeitet,

wie die unserige. — Und welches Mittel wäre geeignet,
diese Sehnsucht nach schlichter Schönheit besser zu
erfüllen, als das Material, das durch ihre Hände geht
und das berufen sein möchte, unseren Straßenbildern,
unseren Höfen die öde Langeweile zu nehmen und im
Verein mit einer gesunden Mietshausarchitektur zu
einer künstlerischen Belebung unserer Städte beizu-
tragen. — Diese alte, ganz alte Wahrheit neu zu be-
tonen, habe ich mir in diesem Kreise heute vorge-
nommen, um auch für das Stiefkind aller Gestaltungs-
kraft, das Mietshaus, Ihr besonderes Interesse zu wecken.
Im folgenden will ich mir nun gestatten anzudeuten,
wie hier Garten- und Baukünstler Hand in Hand ar-
beiten könnten. —■ Bleiben wir zunächst bei der Straßen-
seite des Hauses — nicht weil ich sie besonders her-
vorheben möchte auf Kosten der anderen Teile —
jedes Haus soll in allen seinen Teilen gleichmäßig
behandelt sein — sondern weil sie uns in der Be-
sprechung näher liegt, so kämen hier drei Dinge in
Frage, die der besonderen gemeinsamen Arbeit be-
dürften, um das zu erreichen, was uns als ideales Bild
einer Wohnstraße vorschwebt: Die Gestaltung des Vor-
gartens, die Benutzung der Rankpflanze und der Blumen-
schmuck am Fenster und Balkon.
Meine Herren! Der großstädtische Vorgarten ist
ja ein eigenes Ding, über dessen Wert sich die Ge-
lehrten streiten; indessen möchte ich ihn — abgesehen
von den Landhausvorstädten, wo er ein Unding ist
und nur den rückwärtigen wirklichen Garten verkleinert
-— nicht missen. — Es ist freilich eine andere Sache,
ob er wirklich innen im Stadtplan in der richtigen
Weise vorgesehen ist. Erstens scheint es mir zweifel-
haft, ob es richtig ist, ihn auf beiden Seiten der Straße
vorzusehen — wenigstens sollte man die reine Nord-
seite ausschließen — und zweitens ist wohl seine jetzige
Breite nicht geeignet, ihn mit dem stolzen Namen
„Garten“ zu belegen. Entweder er müßte breiter sein,
um ein kleines Schmuckgärtchen vor dem Hause zu
ermöglichen, in das man sich wirklich auch hineinzu-
gehen getraut, oder aber es genügte ein schmalerer
Streifen Land zur Aufnahme von Rankpflanzen fürs Haus.
(Schluß folgt.)
Der Vorwerker Friedhof zu Lübeck.
Von E. Barth, z. Z. Cöln a. Rh.
Vor Ausarbeitung des Projektes waren Leichen-
halle, Gärtner- und Arbeiterwohnungen sowie die Fahr-
straße bis zur Leichenhalle bereits gebaut und mußten
somit in ihrer Lage beibehalten werden.
Der Haupteingang wird von einer breiten Allee
gebildet. In ihrer Achse liegt die Kapelle mit ge-
räumigem Vorhof in einem von Efeuhecken um-
schlossenen Hain. (S. Abbildung 2.) Ein U/ä m breiter
Weg umschließt den ebeneren, ein solcher von 3V2 m
Breite den abfallenden Teil der Anlage. Um die
Orientierung zu erleichtern, führen 5 Alleen in ver-
schiedener Breite und Bepflanzung strahlenförmig nach
 
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