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Die Gartenkunst — 10.1908

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Goecke, Theodor: Die Gartenkunst im Städtebau: Vortrag, gehalten in der Hauptversammlung des Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst in Mannheim 1907, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0102

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92

DIE GARTENKUNST.

X, 6


Lerchenstraße in Heilbronn.

in die Bebauung bis zum Jägerhofe hineinziehende
Teil aber ist heute noch trotz mancherlei Umgestaltung,
um nicht zu sagen Verunstaltung, späterer Zeiten deut-
lich als ein architektonischer erkennbar.
Grundlage und Umgebung bilden aber noch nicht
den Garten; sie bestimmen wohl den Gartenplan, aber
nicht für sich allein auch die Gartenform. Die Pflanze
baut erst den Garten auf, wie das Haus die Stadt,
doch mit einem Unterschiede, denn die Pflanze ist
nicht nur Baustoff in den Händen des Gärtners, sondern
auch ein Lebewesen, das zwar unserem Willen unter-
tan, doch zu mehr oder weniger freien Entwickelung
gebracht werden kann. Das hochstzulässige Maß an
Freiheit erschließt uns der landschaftliche Garten.
Im französischen Garten war die Eigenart der Pflanze
unterdrückt und da sich nicht jede Pflanze darin
schickt, der Reichtum der Natur ungenützt gelassen.
Wir wollen heute aber auch Heimatkunst im Garten-
bau, so daß sich diese doch wohl mit den Lebens-
bedingungen und Lebensformen der bodenständigen
Pflanzen auseinanderzusetzen hat. Die Gartenform
darf nicht zum Prokrustesbett der Pflanze werden,
wenn sich auch selbstverständlich die einzelne Staude,
der einzelne Baum der Gesamtanlage einzuordnen und
anzupassen, Buchs und Taxus darin zu fügen haben,
als einrahmende Glieder zurechtgeschnitten zu werden.
Ähnliches gilt für die Farbengärten. Form und Farbe
machen also noch nicht den Garten; dazu kommt das
Leben der Pflanze und zuletzt auch noch die Persönlich-
keit dessen, der den Garten schafft und für wen er
ihn schafft. Etwas Persönliches sollen heute Zimmer,
Wohnung und Haus zum Ausdruck bringen, warum
nicht auch der Garten?! Darin sind eben die Erfolge
von Olbrich, Schultze-Naumburg u. a. be-
gründet. Alles höchstpersönliche Schöpfungen!
Trotzdem steht, wie wir gesehen haben, der wahre
landschaftliche Garten mit dem freier bewegten archi-
tektonischen auf demselben Grunde; daran ändert
nichts die etwaige Einstreuung von Naturbildern, der
Landschaft abgelauschten Einzelgruppen, sofern nur

die künstlerische Gesamtwirkung gewahrt bleibt. Zum
unwahren landschaftlichen Garten kommen wir erst
auf einer künstlich unregelmäßig hergestellten Grund-
lage, soweit diese nicht wie im Schulgarten, im Botani-
schen, oder Ausstellungsgarten insbesondere für fremd-
ländische Gewächse, zur Belehrung und für Liebhaber-
gelüste gerechtfertigt ist, in Nachahmung der
Natur, die doch niemals erreicht wird, mit falschen
Felsenriffen und Wasserfällen, in unmotiviert ge-
schlängelten Wegen und Teichrändern, in sentimen-
taler Stimmungsmacherei als ein Werk der Unnatur
und Unkunst zugleich. Gartenkünstler können dar-
in keinen Vorwurf erblicken; sie werden sich viel-
mehr eins fühlen mit den Architekten, die eine wesens-
verwandte Unnatur und Unkunst in den historischen
Stilübungen und unechten Palastfasaden unserer
modernen Strassen zu beklagen haben und die eben-
falls erst von außen her, was bei Reformen ja fast
stets der Fall gewesen, den Anstoß erhalten mußten,
nach neuen sachlichen Ausdrucksformen zu suchen.
Doch nun, meine Herren, zu den Einzelheiten
mit der Bitte, mit dem Vorgarten beginnen zu
dürfen.
Offen gestanden, gehöre ich mit vielen anderen, die
sich den Fragen des Städtebaues und der Gartenkunst
im Städtebau gewidmet haben, nicht zu seinen Ver-
ehrern, wenigstens nicht derjenigen Form, die er meist
unter dem Drucke polizeilicher Vorschriften in den
städtischen Straßen angenommen hat. Gegen die
Nachbargrenzen eingefriedigt und nach der Straße hin
geöffnet — dank durchsichtigen Gittern —, die vieler-
orts nur aus Eisen bestehen dürfen und auf einen
Mauersockel von bestimmter Höhe, zuweilen sogar von
bestimmtem Materiale und — dies kommt auch vor
— von bestimmter Farbe erstellt werden müssen.
Obwohl Privateigentum, doch nur ein Schaustück für
die Menge, und nicht einmal immer ein schönes! Ins-
besondere der Miethausbesitzer hat nichts weiter da-
von als Kosten, demgemäß ist die verordnete Be-
pflanzung oft billig und schlecht, auf das Notdürftigste
 
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