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Die Gartenkunst — 10.1908

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Lux, Jos. Aug.: Die Gartenkunst und die Landschafts-Gärtnerei
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X, 10

DIE GARTENKUNST.

173

auf die natürlichen Verhältnisse, die er in den Dienst
seiner Ideen stellt. Der Landschaft gegenüber, die
der Gartenkünstler als Park- oder Gartenbesitz ein-
friedet, wird er, «.sobald sie fern genug vom Hause ist,
mit jenem Respekt begegnen, den er auch für den
überlieferten Bestand alter Kunst empfindet. Deutlicher
gesagt, er wird, soweit es irgend möglich ist, auf die
Erhaltung des Bestehenden ein Hauptgewicht legen.
Er wird sonach weder bestehende alte Bäume oder
Baumgruppen, noch Hecken oder überwachsene Gemäuer,
noch alte Wege und Pfade, noch den ursprünglichen
Wiesen- und Waldbestand antasten, weil er mehr als
die Anhänger der Landschaftsmacherei überzeugt ist,
daß in diesen alten natürlichen Anlagen jener ursprüng-
liche Rhythmus, oder wenn man will, jener naive un-
bewußte Architekturgeist vorhanden ist, der sein eigenes
bewußtes Schaffen leitet. Denn aus dem natürlichen
Werden dieser landschaftlichen Formen, auf das un-
ausgesetzt zahllose Geschlechter eingewirkt haben, ist
der menschliche Einfluß zu spüren, der unvermerkt
übersichtliche Ordnung und Einheit angestrebt hat.
Allerdings geschah es niemals auf Kosten der lokalen
und territorialen Bedingungen. Niemals auf gewaltsame
Weise. Terrainwellen, gewundene Wasserläufe und
ähnliche aus der natürlichen Beschaffenheit sich er-
gebende Verschiebungen, geologische Verschiedenheiten,
von denen die Verschiedenheit der pflanzlichen Kulturen
abhängt, bestimmen im wesentlichen das Menschenwerk,
von dem das Antlitz der Landschaft beseelt ist. Auch
diese natürlichen Verschiedenheiten kommen künst-
lerisch in Betracht. Wer in der Natur zu sehen ge-
wohnt ist, wird bald bemerken, wie stark die archi-
tektonische Auffassung dem von der Menschen-
arbeit beeinflußten Landschaftsbild zugrunde liegt.
Einzelne, weithin sichtbare Bäume dienen der Land-
bevölkerung als Orientierungszeichen und erfüllen im
Grundriß der Landschaft eine geradezu architektonische
Funktion. Die Wege, Straßen und Pfade führen nach
einem solchen Punkt, der eine Kreuzungsstelle bildet
und es fehlte, um es unserem Sinne zu verdeutlichen,
gerade noch, daß die monumentale Erscheinung des
Baumes zur Säule würde oder zur Plastik. Oftmals
ist ein solcher Baum primitiv künstlerisch ausgezeichnet
durch einen Bildstock oder durch ein Holzkreuz. Die
Wege, die heran und weiter führen, sind zwar ursprüng-
lich von dem Axiom bestimmt, daß die kürzeste Ver-
bindung zwischen zwei Punkten eine gerade ist. Aber
die Terrainwellen zwingen sie zur Kurvenführung oder
der Besitzstand von regelmäßig angelegten Feldern und
Wiesen führt eine Brechung der geraden herbei. Auf
diesem hundertfältig modifizierten Wege entstehen nach
und nach jene landschaftlichen Zustände, die wir als
„malerisch“ empfinden. Im Grunde sind sie architek-
tonisch. Niemals war ihr Entstehen von jener unan-
genehm süßlichen Sentimentalität und Motivenjägerei
bestimmt, die wir in der absichtlichen, sogenannten
Landschaftskunst wahrnehmen, sondern immer führte
eine Notwendigkeit die Entscheidung herbei. Das ur-

sprüngliche Waldbild zeigt ähnliche Erscheinungen.
Hier stehen Bäume verschiedener Art, hohe und niedere
und Strauchwerk, Arten, die sich miteinander gut ver-
tragen, keineswegs aber derselben Familie angehören.
Ein Gegenbeispiel zu diesem natürlichen und von dem
Künstler respektierten Zustand bilden die Staatswal-
dungen im „geräumten“ Zustand, wie der Fachausdruck
besagt, wo dieselbe gleiche Art von Bäumen in Reih
und Glied unsagbar monoton dasteht und vom Unter-
holz pedantisch gesäubert ist. Nur einem Landschafts-
gärtner kann es passieren, daß er am Rande eines
solchen dürftigen Gehölzes, um Stimmung zu machen,
Pfingstrosen pflanzt. Hier liegt ein Fall vor, wo ein
„künstlerisch“ angehauchter Landschaftsgärtner das
„Motiv“ suchte. Das Motiv legt stets die Gefahr der
Willkür und der Vergewaltigung nahe. Künstlerische
Arbeit zeichnet sich stets dadurch aus, daß sie zweck-
volle Notwendigkeit zu betonen und zu adeln
sucht. Nach diesem Grundsatz haben auch die Eng-
länder stets in den weitläufigen, vom Hause fernent-
rückten Parkbezirken und freien Landschaftsgebieten
verfahren. Sie haben nach der ursprünglichen Beschaffen-
heit der Landschaft unter Beibehaltung alter Pfade
und Wege, die in der Regel unter den gegebenen Um-
ständen die zweckvollste Lösung darstellen, benützt,
um nach der vorhandenen Disposition die Spazierwege,
Reit- und Fahralleen anzulegen, die niemals ohne Not
in Kurven gehen, Kurven und Biegungen dort beachtet,
wo sie durch Terrainverschiedenheiten und andere ältere
Anlagen bedingt waren, sie haben an hochgelegenen
oder aussichtsreichen Punkten Aussichtswarten, Garten-
und Waldhäuser angelegt, die alle in der Regel von
vornherein durch Wege verbunden waren, wie immer
in der offenen Landschaft solche architektonisch charak-
teristische Punkte eine Wegverbindung unterhalten, sie
haben stattliche einzelne Bäume oder Baumgruppen mit
Sitzbänken versehen und ihre natürliche Funktion als
Ruhepunkte dadurch betont. Auf diese Art kommt
ein planvolles Gefüge zustande, in dem sich in natür-
licher, verhältnismäßig ungezwungener zweckdienlicher
Form Wiesenflächen, Waldbestände, Bäume und Baum-
gruppen, Wassergefälle, Verbindungswege, Alleen, Reit-,
Fahr- und Spazierwege, Ruhebänke, Aussichtsstellen,
Warten und Pavillons zu einem organisch überein-
stimmenden, abwechslungsreichen und wenn man will,
„malerischen“ oder „motivenreichen“ Bild vereinigen,
das im Grunde aber regelmäßig, streng architektonisch,
gegliedert ist. Wie immer' bei solchen Anlagen, bei
alten Rittergütern und Landschlössern ersichtlich, gra-
vitiert dieser landschaftliche oder parkmäßige Umkreis
seiner Anlage nach in der Richtung zum Herrensitz,
wo er an den beschnittenen Hecken des eigentlichen
mehr oder weniger weitläufig angelegten Hausgartens
in die strenge Gebundenheit des Architekturgedankens
übergeht.
 
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