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Die Gartenkunst — 14.1912

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Ammann, Gustav: Aus den Gärten von Versailles und Trianon, [1]: Versailles
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0121

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XIV, 8

DIE GARTENKUNST.

113

Aus den Gärten von Versailles und Trianon.*)

Von Gustav Ammann, Gartenarchitekt, Zürich.

Mit io Originalaufnahmen des Verfassers.

Versailles.

Ludwig XIV. — Versailles — Trianon —• drei Namen,
die uns die Geschichte überlieferte. Eine Blütezeit
der Kunst, die weit über Frankreich hinaus ihre
Kreise zog. Ihr Zentrum war Versailles, jenes durch
königliche Macht und Mittel veredelte Stück Boden,
das wir heute noch mit einer gewissen Ehrfurcht be-
treten. Noch stehen Schloß und Gärten in wenig ver-
änderter Form, und wenn die sinkende Sonne die letzten
Strahlen darüber wirft und der silbrig rötliche Abend-
himmel das Rot und Blau des Marmors zusammen-
schmilzt zum Purpur, die Baumkronen sich tief über
die dunkeln Wasser neigen, so könnte man Schloß und
Gärten dem Paradiese vergleichen.

Von den Gärten und ihrer Pracht zu erzählen, die
mit feinem Sinne heute noch gepflegt und auch eifrig be-
sucht werden, ist ein Unternehmen, das Bücher füllen
müßte. Ihr Inhalt ist so reich, ihre Reize sind so groß,
daß das Wort versagt und daß selbst Pinsel und Stift
kaum imstande sein werden, sie wiederzugeben. Für
den, der sich über die Geschichte der Entstehung und
der Veränderungen orientieren will, sei „Andre Perate’s
Versailles im Verlage von E. A. Seemann 1906“ ge-
nannt, dem ich auch die Notizen zu den Bildern meiner
Kamera entnehme.

Von der obersten Terrasse hinter dem Schlosse
aus, das sich in den zwei mächtigen Marmorwasser-
becken spiegelt, strahlen die drei Hauptachsen aus;
die größte nach Westen zu hinaus in den unendlichen
Himmel, deren
Pforte für das Auge
die Pappeln bilden,
die den Hügel
hinter dem großen
Wasserbecken krö-
nen ; nach Süden
die Orangerie und
das Schweizer-
becken , umsäumt
vom schweren Rah-
men der Kastanie
und nach Norden zu
endlich die wasser-
reichen Terrassen,
die im Neptunbek-
ken ihren Abschluß
finden.

Abb. 1. Wen-
den wir uns zuerst
der südlichen Ent-

wicklung zu. Das Bild zeigt den Übergang der obersten
Terrasse zur nächstfolgenden, die über der Orangerie
liegt. Breit gelagerte Marmorstufen, deren Härte grüne
Flechten zu brechen suchen. Die Sphinxgruppe mit
dem kleinen Liebesgotte aus Bronce, dahinter die vom
Alter gewundenen und knorrig gewordenen Granaten-
bäume. Es ist eine Arbeit des Bildhauers Lerambert;
die Gruppe stand früher auf der Mauer des großen
Hufeisens, das sich direkt nach Westen zu an die
Springbrunnenterrasse anlehnt und in dem 1670 der
Brunnen der Latona erstellt wurde. Konnte sich
der Schöpfer einen bessern Platz gewählt haben? Das
Grün der Buxushecke, die sich an die Mauer lehnt,
im Hintergrund die ruhigen Massen der Bäume des
Parkes umklammern den harten Stein. In die Horizontale
des Steines und des Bildwerkes ragen die geschlossenen
Krönender Granaten. Die Einfachheit der Profile steigert
das Leben der anmutigen Gruppe. Sie entstand vor 1670.

Abb. 2. Steigen wir an der Orangerie die 100 Stufen-
Treppe zur Linken hinunter, so sehen wir durch die
Lanzen des pylonengeschmückten Tores den Spiegel
des Schweizerteiches. Das Werk einer Nacht, wie man
sagt, dem Sonnenkönig beim Erwachen eine Über-
raschung zu bereiten! Wieder jene wunderbare Ein-
fachheit in den blaugestrichenen, wohl 4 m hohen
Lanzenzäunen mit den wuchtigen, vasengekrönten Stein-
pfeilern. Die goldenen Troddeln an den Spitzen der Lan-
zen bilden das Band, das die Masse der Pfeiler verbindet.

Abb. 3. Von der Straße aus besehen wir uns den

Eingang der westli-
chen 100 Stufen-
Treppe. EinWasser-
graben mit Brü-
stungsmauer trennt
den Garten der
Orangerie von der
Straße. Diese riesige
Treppe hat den schö-
nen Rahmen der
Bäume der Königs-
gärten, während die
östliche durch die et-
was zerrissene Linie
der Nebengebäude
verliert, die sich an
den südlichen Flü-
gel des Schlosses
lehnen.

Abb. 4. Neben
dieser westlichen

Abb. 1. Versailles: Sphinxgruppen von Sarrazin und Lerambert
an dem Treppenaufgang der Südterrasse.

*) Wir bringen diese Beschreibung der Gärten zu Versailles und Trianon als Einladung an der Studienfahrt der
D. G. f. G. nach Paris und Umgebung im nächsten Sommer. Die Schriftleitung.
 
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