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Die Gartenkunst — 14.1912

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Müller-Thurgau, Hermann: Die Geschichte der Gartenkunst als Lehrfach
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Zur Tagesgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.20815#0273

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266

DIE GARTENKUNST.

XIV, 17

als ein reifes Werk der Gartenarchitektur hinstellen
dürfen. Es treten als neue Formen auf, derXystus,
ein Parterre, ganz unter dem Einfluß der Hauptsäulen-
front der Villa stehend, die Böschung mit geschnittenen
Tierfiguren aus Buxus, der Laubengang, die Grund-
rißform des Hippodroms, ein Rosarium in Kr eis -
form, Ballspielplätze, Badegarten, Gartenhof
mit Plantanen und einem Mittelbassin. Ferner neue
Formen der Gartenarchitektur, wie das Stibadium
und das Gartenhaus — cubiculum, eine Vorstufe des
Casinos der Renaissancegärten. Es sind zweifellos
viele uns unbekannte Versuche gemacht worden, bis man
an die Gartenkunst des Tuscums oder des Laurenti-
nums gelangte So wissen wir, daß Pollius Felix in
Puteoli eine Villa bauen ließ, bei der viele Erdbe-
wegungen geschaffen werden mußten, so von einer
Villa des Manilius Vopiscus, bei der die von einem
Berge stürzenden Kaskaden sich vor der Villa teilten,
um unterhalb derselben sich wieder in einem gemein-
samen Bett zu vereinen, ein Motiv, das erst in
die Renaissancegartenkunst hineinzugehören scheint.
Man sieht, bis zur Gartenkunst der Renaissance ist nur
ein Schritt und eine Tafel mit dem Plan der Villa
d’Este z. B. wird dem Schüler anschaulich den Haupt-
fortschritt dieser gartenkünstlerischen Epoche zeigen
können. Dieser liegt in der bewegteren Gelände-
gestaltung und in der Ausbildung gartenarchitektonischer
Einzelwerke, wie Treppen, Bassins, Mauern, Wasser-
werke. Man kann nun den Weg einschlagen die Ge-
schichte einzelner Kompositionselemente im Zusammen-
hang zu verfolgen, z. B. die des Parterres, das im
späteren französischen Garten so reiche Formen an-
nimmt und steten Veränderungen unterworfen ist. Aber
ich würde vorziehen den Garten als Gesamtkunstwerk
erst in seinen verschiedenen Haupttypen darzustellen.
Der Garten der Villa d’Este würde dem Schüler be-
sonders lehrreich sein können bezüglich seines per-
spektivischen Aufbaues, die Mittel der optischen Ver-
größerung von Vorder- oder Hintergrund können an
ihm gezeigt werden. Von jetzt ab wird auch auf die
bestmöglichste Raumwirkung der Gartenteile zu achten
sein und so der künstlerische Reichtum der Anlage
gegenüber dem römischen Beispiel erklärt werden
können. Auch werden die Versuche der Italiener die
Pflanze zu stilisieren in Hecken- und Nischenform, als
Baumwand oder als Einzelobjekt in Verbindung mit
der Gartenarchitektur verfolgt werden müssen und sie
werden im französischen Barockgarten im Vordergrund
des Interesses stehen. Der Plan von Versailles müßte
nun gezeigt und nachgewiesen werden, inwiefern L e n 61 r e
unsern Formenschatz bereichert hat mit seinen Rasen-,
Hecken-, Bassinformen, mit seinen Holzarchitek-
turen, mit den verschiedenen Bosketformen (Kreis,
Stern, Ellipsenform). Charakteristische Formen wären
im Aufriß zu zeichnen, und zu ergänzen mit Beispielen
aus der französischen Gartenperiode in Holland, Eng-
land und Deutschland. Deutschland besonders zeigt
ganz neue Grundrißlösungen und höchst eigenartige

Heckenformen, während die Wiener Barockgärten in
den Details der Gartenarchitekturen von höchstem Reiz
sind. Die Gartenkunst des Barock verdient meines Er-
achtens das eingehendste Studium deshalb von uns,
weil die Architektur dieser Stilperiode ganz von der
Gartenidee beherrscht ist. So wie die Kolonaden
Berninis am Petersdom in Rom die Arme weit aus-
strecken, um den Bau der Kirche in Beziehung zur
Umgebung zu setzen, so ragt das Barockschloß mit
seinen Treppen und mit seinen Flügelbauten weit in
den Garten hinein (Schwetzingen, Benrath, Nymphen-
burg) und verlangt nach gartenarchitektonisch gestalteter
Umgebung. Das Barock ist in diesem Sinne gefaßt die
reifste Periode der Gartenkultur und müßte dasselbe
im Lehrgang der Geschichte der Gartenkunst weiteste
Berücksichtigung finden. Mit dem Entstehen des land-
schaftlichen Gartenstils tritt nun für den Formenschatz
der Gartenkunst und seine Vermehrung ein Stillstand
ein, denn von einer Bereicherung desselben durch die
sentimentalen Gartenbauten (Heldengräber, Grotten,
Einsiedeleien, Obelisken, Pyramiden) kann wohl kaum
die Rede sein. Fast ico Jahre dauert dieser Stillstand
in der Entwickelung des Stilgartens. Nur Schinkel und
Lenne lassen noch einmal in ihren Potsdamer Arbeiten
erkennen, daß der Geist wahrer Gartenkunst von der
Landschaftsgestaltung nicht unterdrückt werden konnte.
Und so langen wir nach unserm kurzen Rückblick bei
der Neuzeit an, in der fast jedes Glied des Gartens
seine eigenartige Um- oder Weiterbildung erfahren
hat. So wird man den modernen Garten und seinen
künstlerischen Gehalt erst ganz verstehen, wenn man
die Geschichte seiner Teile kennt. Auf der Schule
muß die Zeit dafür gegeben sein, den Schüler in die
früheren Zeiten hereinzuführen, damit er später für die
unserige schaffen kann.

(In Bezug auf den Untericht in der Kunstgeschichte
sei auf die Ausführungen auf S. 235 d. Gartenkunst
verwiesen. Die Schriftleitung.)

Zur Tagesgeschichte.

Beschlüsse der 25. Hauptversammlung der
„Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst“.

(Bonn 6. —13. Juli 1912.)

1 und 2 der Tagesordnung: Prüfung des Jahres- und Kassen-
berichtes und des Voranschlages für 1913. Allgemeine Be-
sprechung der Geschäftsführung und der Zeitschrift. Wahl
des Tagungsortes für 1913.

In der Jahresrechnung und Vermögensaufstellung sollen
in Zukunft auch die entsprechenden Zahlen des Vorjahres an-
gegeben werden. Der Voranschlag für 1913 wird genehmigt,
dem Geschäftsführer wird Entlastung erteilt. Es sollen Spezial-
ausschüsse gebildet werden für die Fach- und Tagespresse,
den Städtebau, das gärtnerische Bildungswesen, das Ausstel-
lungswesen und das Sachverständigenwesen. Zu jedem von
diesen Ausschüssen soll von jeder Gruppe ein Mitglied ge-
wählt und bis zum x. Oktober ds. Jrs. dem Vorstande mit-
geteilt werden. Ihre Geschäftsführung sollen dann diese Grup-
 
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