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Die Gartenkunst — 15.1913

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Nr. 16
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Bitzenberger, A.: Rolle Rad!
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https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0253

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XV, 16

DIE GARTENKUNST.

245

Rolle Rad!

Von Ai Bitzenberger, Stuttgart.

Als ich den Aufsatz des HerrnRasch über „Barock“
mit vielem Interesse durchgelesen hatte, war es mir
sofort klar, daß die wohlgemeinten, guten Anregungen
bei verschiedenen Lesern auf entschiedenen Wider-
spruch stoßen werden.

Dieser vorhergeahnte Widerspruch hat sich denn
auch in den von Herrn Hardt, Düsseldorf „auf die
vorschriftsmäßigen,
modernen Kunst-
prinzipien“ gestützten
Ausführungen in Heft Nr.

II bereits offen gezeigt.

Es ist nunnichtmeine
Absicht, in nutzloser, per-
sönlicher Polemik speziell
Stellung zu der Frage
zu nehmen, ob die von
Herrn Rasch empfohlenen
Kunstformen künst-
lerische Berechtigung ha-
ben oder nicht, denn ich
für meine Person könnte
ganz gut auskommen,ohne
die lustigen Vogel- und
Menschengebilde.

Während Herr Rasch
seine „Anregungen“ in
keinerlei Verbindung mit
einem „Kunstgesetz“
bringt, stützt Herr Hardt
seine „Abwehr“ solcher
unzweckmäßigerSpie-
lereien auf das oberste
Gesetz der „Zweckkünst-
ler" , nämlich auf die
„Zweckmäßigkeit“ und
in diesem besonderen
Spezialfalle auf die Ma-
terialechtheit, oder
noch besser Materialgerechtheit. Da es sich
in diesem Falle aber nicht nur um eine einfache be-
deutungslose Meinungsverschiedenheit handelt, sondern
vielmehr die Lebensfrage der modernen, freien Kunstent-
wicklung intensiv berührt wird, so erscheint es von
größter Wichtigkeit, die hieraus resultierenden Ergeb-
nisse in gewissenhaftester Weise zu prüfen.

Eine Prüfung solch bedeutsamer Ergebnisse vom
Gesichtspunkte rein gartenkünstlerischer, oder baukünst-
lerischer Kunstgesetze aus, ist kurz gesagt ein Ding
der Unmöglichkeit, weil beide Berufszweige (Kunst-
zweige) resp. deren Produkte erst dann Anspruch auf
„Kunst“ erheben können, wenn sie die Merkmale der-
jenigen geistigen Erzeugnisse tragen, deren Urb e Stim-
mung ihrer Berufskategorie die Bezeichnung „bildende
Künste“ rechtfertigt.

Aus dieser Tatsache ergibt sich die logische Schluß-
folgerung, daß jedes Kunsterzeugnis mit demselben
Maßstabe gemessen werden muß, selbst wenn dasselbe,
wie z.B. in der Baukunst (Außen- und Innenarchitektur),
Gartenkunst etc., in erster Linie gewissen praktischen
Zwecken dient.

Nachdem sich meine Voraussetzungen in sehr präziser
und logischer, um ja nicht zu sagen wissenschaftlicher Bahn
bewegen, wird es wohl notwendig sein, Farbe zu bekennen.

Während dies noch vor ca. 3 Jahren ein äußerst

gefährliches Beginnen ge-
wesen wäre, kann man
sich heute wohl getrost
offen als entschiedenen
Kämpfer für die ideale,
freie Kunstentwicklung
bekennen.

Weil dem Fernerstehen-
denund auch vielen Kunst-
ausübenden noch die kla-
ren Begriffe von dem in-
neren Wesenszuge unse-
rer Kunstbewegung abge-
hen, so muß derjenige,
welcher in Wort oder
Schrift für die letztere ein-
tritt, stets bestrebt sein,
das Wesentliche vom Un-
wesentlichen zu trennen
und den Hauptfaktoren
der zu behandelnden
Kunstfrage eine äußerst
bestimmte Form geben.

Dies ist um so wichti-
ger , als sich im Laufe
unserer neuangebroche-
nen Kunstepoche, wenn
ich sie so nennen darf,
starke und berechtigte
Zweifel ergeben haben,
an der Berechtigung und
Lebensfähigkeit der auf-
gestellten Kunstprinzipien als vorgeschriebene
Kunstgesetze.

Diese vorerwähnte Taktik wollen wir nun auch in
unserem Falle streng verfolgen und ohne auf weitere
Kunstfragen überhaupt einzugehen, direkt unserem Ziele
zustreben.

Wir wollen in kurzen Umrissen die neue Kunst-
epoche Revue passieren lassen und wir werden b e i
völliger Unbefangenheit recht interessante, ja
sogar merkwürdige Vorgänge entdecken.

Wir wissen, daß zu der Zeit, als noch die Seuche
des zweck- und ziellosen Schlendrians in den Studien-
sälen der Kunstakademien und kunstgewerblichen Lehr-
anstalten, sowie in den Meisterateliers grassierte, die
Vorkämpfer der neuen Kunstrichtung bereits einen
stillen, verzweifelten-Kampf für ihre Ideale kämpften —

Abb. 8. Garten der C. E. B.: Brunnenlaube mit Settiganos
Christusbübchen. Aufnahme von Gustav Wolf, Breslau.
 
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