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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 3
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Tapp, Willi: Tagesfragen
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Arntz, Wilhelm: Kunst und Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0052

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vermittelt. Bedingung ist nur, daß es sich hier-
bei um Lösungen handelt, die in jeder Beziehung
den Könner verraten und sich als Schöpfungen
einer künstlerischen Individualität kenntlich
machen. Denn, nehmt alles nur in allem, wir
haben weder unter unseren Gartengestaltern
einen solchen Überfluß an künstlerischen Per-
sönlichkeiten, noch unter den Gartenschöpfungen
eine solche Menge wertvoller Individual-
lösungen, daß wir vorerst ehrlichen Herzens
auf derartige Schöpfungen von Nichtzünftlern
verzichten können; solche, aber auch nur solche
sollten wir aus ideellen Gründen mit ehrlicher
Freude begrüßen.

Kunst und Garten.

Von Wilhelm Arntz, Hamburg.

(Nachdrudt nur mit Genehmigung des Verfassers.)

Die folgenden Ausführungen sind der Ver-
such, einen Gedankengang, den erschöpfend zu
behandeln Bände nötig wären, in knappster
Konzentration und allgemeinster Fassung orga-
nisch darzulegen. Es mag ihnen infolgedessen
etwas Unfertiges und Einseitiges anhaften, sie
mögen nicht glatt und klar zu lesen sein, über-
haupt formal und inhaltlich nicht ganz befrie-
digen. Allein das erscheint mir doch unwesent-
lich im Vergleich zu der veranlassenden, und
hoffentlich sich erfüllenden, Absicht, zu zeigen,
wie die Kunst, auch die des Gartens, in den
allgemeinsten und ursprünglichsten Elementen
des Daseins gründet und daß sie ein durchaus
notwendiger, ausschlaggebender Faktor in unse-
rem Dasein und in der Kulturentwicklung ist und
gerade für die Zukunft höchste Bedeutung ge-
winnen muß. Gelingt es mir nur, zum selbst-
ständigen Nachdenken und Weiterdenken über
diese Dinge anzuregen, so kann ich das als
Rechtfertigung dieses Versuches betrachten.

L

Die Grundlagen, die Forderungen und Ziele
der Kunst sind überall die gleichen. In dieser
Hinsicht gibt es keine Sondergebiete. Die Kunst-
art entsteht erst durch die besonderen Konse-
quenzen, die das Ausdruckselement — Zeit oder
Raum und deren weitere Sonderformen — be-
dingt.

Das Wesen der Kunst kann man am allge-
meinsten vielleicht fassen, wenn man sagt:
Kunst ist der Ausdruck unseres Verhältnisses
zu der Welt in ihrer Erscheinung.

Im Kunstwerk gilt ausschließlich die Er-
scheinung der Dinge, nicht ihre reale Wesen-
heit. Diese, die tatsächliche Gestalt der Dinge,
die Wirklichkeitsform, ist eine abstrakte und be-
grenzte Vorstellung, die wir uns mittelbar aus
zahllosen Wahrnehmungen und Gedankenver-

bindungen bilden. Wir bilden sie uns in dem
Bestreben, die Dinge außerhalb unseres direkten
Kontaktes mit ihnen zu betrachten, gewisser-
maßen von einem Standpunkt außerhalb unser
selber und unter Ausschaltung unserer unmittel-
barenWahrnehmung, der Erscheinung. Wir stre-
ben, unsern Gegenstand aus seiner Sphäre, aus
der Welt herauszugreifen, ihn zu isolieren und für
sich allein zu betrachten. Wir suchen aus dem
Wechsel der Erscheinungen die Norm zu finden,
das Ding an sich in unserer Vorstellung zu
kristallisieren.

Aber alles dieses hat mit der Kunst nur
indirekt zu tun. Es ist Sache des Begreifens,
des Intellektes, des Denkens, des Wissens und der
Wissenschaft.

Erscheinung ist der unmittelbare Ein-
druck der Welt, der Dinge, auf uns. Sie wird
empfunden. Sie ist nicht etwas Absolutes,
sondern besteht darin, wie der Sinn des Ein-
zelnen, des Subjektes, unmittelbar auf den Kon-
takt mit dem Ding, dem Objekt, reagiert. Darum
ist die Erscheinung etwas Subjektives. Dabei
ist freilich zu beachten, daß die Subjekte, die
Menschen, zu gleichen Zeiten und in gleicher
Rasse eine sehr weitgehende Gleichheit des
Sinnes besitzen, und daß die allgemeinsten
Anschauungseigenschaften über Zeit und Rasse
hinaus bestehen bleiben.

Die Erscheinung ist also unsere unmittel-
bare Anschauung der Umwelt. Es ist darin
nichts Isoliertes. Die Umwelt tritt uns stets
als Einheit, als unlösliche Einheit gegenüber.
Darum ist die Erscheinung jedes Dinges be-
dingt und bestimmt in der Umwelt, in der
Situation. Sie bedeutet das Ding im Zusammen-
hang und Einklang mit der ganzen Welt, mit
dem Leben. Darum ist sie auch nicht mit Schein
im absprechenden Sinne gleich zu setzen; ist
sie doch der reinste, stärkste Ausdruck des
Daseins. —

Das ideelle Element aller Erscheinung, ihr
Träger, durch den und in dem sie existiert,
sind Zeit und Raum, die zwei ersten, ange-
borenen Elemente aller Anschauung. Die Zeit
äußert sich durch den Raum, der Raum äußert
sich durch die Zeit. Nehmen wir nur die eine
oder den anderen von ihnen hinweg, so ver-
sinkt die Welt vor uns und wir selber mit
unserm Bewußtsein in das Nichts. Hingegen
steigert ein klares Gefühl von beiden unser Be-
wußtsein, unser Daseinsgefühl, gibt uns Festig-
keit und Sicherheit.

Zeit und Raum ergeben die Form, die Ge-
stalt. Form ist der bewegte Raum, der Aus-
druck des Lebens im Raum. In der Form wird
uns die Welt greifbar klar. Vermittelt unmittel-
bar wird uns die Form aber in der Erscheinung.
Die Erscheinung ist unsere direkte, unsere
innigste Beziehung zur Welt. Aus ihr erwächst

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