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Die Gartenkunst — 29.1916

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Engelhardt, Walter von: Deutsche Heldenhaine
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0040

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Deutsche Heldenhaine*).

L

Unter dieser Überschrift hat der Kgl. Gartenbau-
Direktor Willy Lange im Auftrag der Arbeitsgemein-
schaft für Deutschlands Heldenhaine eine Abhand-
lung herausgegeben. Sein Vorschlag, jedem gefal-
lenen deutschen Krieger eine Eiche als „Lebensmal"
zu setzen und durch die Zusammenfügung dieser
Erinnerungszeichen zu geschlossenen, regelmäßig ge-
pflanzten Hainen in allen Stadt- und Landgemeinden
unseres deutschen Vaterlandes Weihestätten zu
schaffen, die in die kommenden Jahrhunderte hinein
an die bedeutende und große Zeit gemahnen, die
wir miterleben dürfen — dieser Vorschlag, den W.
Lange schon vor einem Jahr in der Täglichen Rund-
schau vom 8. Dezember 1914 zum ersten Male ver-
öffentlicht hat und in der vorliegenden Schrift aus-
führlich behandelt, hat von vielen Seiten wärmste
Zustimmung erfahren. Davon legen die zahlreichen
Zuschriften, von denen ein Teil auszugsweise in dem
Buch wiedergegeben ist, ein beredtes Zeugnis ab.
Es ist daraufhin eine Arbeitsgemeinschaft gegründet
worden, die sich zur Aufgabe gemadit hat, die Pflan-
zung von Heldenhainen in ganz Deutschland ins
Werk zu setzen. Neben den zustimmenden Äuße-
rungen scheint es aber auch an Widerspruch und
Einwänden nicht gefehlt zu haben. Lange begegnet
diesen Hemmungen seiner Idee in einem besonderen
Abschnitt des Buches mit zum Teil gut begründeten Er-
örterungen, wenn auch mitunter in etwas gereizter
Haltung. Das möge man ihm aber nicht allzu sehr ver-
argen, weil ihm verständlicherweise jede Störung bei
derVerwirklichung seiner schönen Idee unwillkommen
sein muß. Und zur Durchführung eines Planes von solch
weitem Umfange gehört zweifellos ein Stück „Eigen-
sinn", der nicht jedem anderen Sinn gerecht werden
kann, vielmehr geneigt ist, in ihm „fachliche und
ästhetische Voreingenommenheit und bloßen Wunsch
zum Andersmachen" (S. 63) zu wittern. Solchen
Verdacht hoffe ich von mir fernhalten zu können,
wenn ich offen bekenne, daß midi der Heldenhain-
gedanke beim Lesen der ersten Veröffentlichung
nicht angenehm berührte — anderen ist es ähnlich
ergangen — einerseits, weil eine nüchterne klare Er-
örterung der Verwirklichungsmöglichkeit fehlte, und
andererseits, weil mich das geschraubte Pathos der
Ausdrucksform störte, was zugestandenermaßen
mandiem anderen ein unerläßliches Zubehör bei
Darlegung ernster Angelegenheiten sein mag. Ge-
nug, beim Lesen des vorliegenden Buches ist mir
der Bereich der Verwirklichungsmöglichkeiten klarer
geworden. Eine Reihe anschaulicher maßstäblicher
Grundrisse und Ansichten gibt eine Vorstellung da-
von, wie würdig und schön sich Heldenhaine in
Abänderungen gemäß Geländeform und Eigenart
der nächsten Umwelt in das Landschaftsbild ein-
gliedern lassen. Die Mahnung, gärtnerischen Schmuck
und parkartige Haltung in den Eichenhainen zu
vermeiden, wird mit gutem Grunde öfters wieder-
holt und wird hoffentlich von denen beherzigt werden,
die ehrwürdige Ruinen mit Ziersträuchern und ge-
schorenem Rasen glauben schmücken zu müssen
und den deutschen Wald durch „Coniferensorti-
mente" zu verschönern trachten. Die Vorschläge
bezüglich der Gliederung der Anlage mit Grenz-
graben und Wall und ihre Bepflanzung mit heim-
ischen Gehölzarten, die Anleitung zu künftiger Pflege
der Knicks, die Hinweise auf Vogelschutz, die Fern-
haltung der Schädlinge, die Pflanzart von Eichen im
Verband, der Linde mit dem Steinring, alles das

*) Willy Lange, Deutsche Heldenhaine. Verlag von J. J.
Weber, Leipzig 1915.

läßt nichts zu wünschen übrig und ist auf gute
Kenntnis und Erfahrung gegründet.

Diese dankenswerten Anregungen Lange's wer-
den durch eine interessante Abhandlung von Willi
Pastor über altgermanische Gebräuche und Heilig-
tümer unterstützt und besonders durch den Beitrag
von Dr. Joh. Speck befürwortet, der die Bedeutung
des Heldenhaines für die heute neu emporblühende
Jugendpflege hervorhebt. Der Drang unserer Jugend
zur freien Natur, die gesunde Flucht vor dem Ge-
dränge und den vielfach oberflächlichen Genüssen
der Großstadt findet am Hain einen würdigen Ziel-
und Sammelpunkt, dessen unmittelbare Nachbar-
schaft Raum für Turn- und Wettspiele und Übung
soldatischer Zucht bieten könnte, um den Körper
zu stählen und im nahen Zusammenhang mit dem
schönen Eichendenkmal Geist und Sinn zu veredeln
und Ehrfurcht lebendig werden zu lassen. In einem
weiter eingefügten Abschnitt gibt Dr. Moeller-Ebers-
walde Anweisung zur Behandlung der Eiche in forst-
licher Hinsicht und gerät dabei mit den Ausfüh-
rungen W. Lange's in einigen Widerstreit. Der
Umfang der Pflanzung, die örtlichen Wachstums-
bedingungen und die verfügbare Menschenkraft
werden dafür maßgebend sein, ob man den Rat
des einen oder anderen zu befolgen hat.

Ich würde mich einer falsch angebrachten Rück-
sichtnahme schuldig machen, wenn ich es bei der
Besprechung dieses Buches unterlassen wollte, neben
aller aufrichtig gezollten Anerkennung gewichtige
Bedenken zur Sprache zu bringen, die mir bei
Langes Darlegung seines großen Planes aufgestiegen
sind. Zunächst scheint mir der Bereich seiner Ver-
wirklichungsmöglichkeiten bedeutend enger zu sein,
als Lange es in seiner Begeisterung annimmt und
ersehnt. So schön und würdig die Eichenpflanzung
um den kreisrunden Festplatz auch von beträcht-
lichem Durchmesser sich ausnehmen wird (wie die
Abbildungen Nr. 1, 2, 3, 6, 7, 8, auch 10 und 11 mit der
Friedenslinde und auch 12 und 13 vorschlagen), so
werden Pflanzungen mit 2010 Eichen auf einem
Quadratkilometer (= 100 ha) (vergl. Abb. 4) und erst
recht ein Wald von 5076 Bäumen auf einer Fläche
von 2.56 Quadratkilometer (= 256 ha) (vergl. Abb. 5)
die beabsichtigte Wirkung einer umfriedigten Weihe-
stätte nicht erreichen. Haine von solcher Abmes-
sung könnten im günstigsten Falle auf einer weiten
baumlosen Ebene, von einer Höhe aus gesehen,
Eindruck machen. Die Bedingung hierfür ist aber
unerfüllbar. Mit der Überschreitung eines an-
nähernd auf 20-25 ha beschränkten Flächenmaßes
würde der gewünschte Eindruck verblassen, ja
schwinden müssen. Sind doch alle von Menschen-
hand geformten Gebilde in ihrer räumlichen Aus-
dehnung an mehr oder weniger genau begrenzte
Schranken gebunden, deren Überschreitung die Ge-
brauchsfähigkeit und die künstlerische Wirkung der
Gebilde und ihrer Form- und Stimmungswerte min-
dert und schließlich aufhebt. So auch im vorliegen-
den Fall. Lange scheint diese Schranken nicht an-
zuerkennen, denn er äußert keinerlei Bedenken bei
der gesteigerten Ausdehnung seiner Heldenhain-
flächen (S. 32 unten).

Indessen braucht diese „Maßlosigkeit" nicht Be-
sorgnis zu erregen. In den größeren Städten
Deutschlands wird das nötige Gelände für eine ent-
sprechend umfangreiche Eichenpflanzung nicht vor-
handen sein und erst recht nicht in einigermaßen
würdiger Umgebung. Und gesetzt den Fall, es
fände sich etwa im Weichbild einer rheinischen
Industriestadt oder in deren nächster Umgebung
ein geeignetes Gelände von 100 ha, so würden die
Kosten des Erwerbs eine so unerschwingliche Höhe
erreichen, daß der ganze Plan daran scheitern
müßte. Der Morgen Land muß schätzungsweise

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