Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Gartenkunst — 31.1918

DOI Artikel:
Heicke, C.: Kleingartenbau und Siedlungswesen in ihrer Bedeutung für eine künftige deutsche Gartenkultur, [1]
DOI Artikel:
Betula, ...: Dorfblumen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22268#0075

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tung zugewendet werden muß, wie den großem Anla-
gen, weil bei seinem geringenUmfang auch der kleinste
Mißgriff von einschneidender Bedeutung wird.

Audi ist der Kleingarten am ersten der Gefahr
ausgesetzt, aufgegeben zu werden, wenn es nicht
gelingt, seinen Nutznießer auch dann noch an ihn
zu fesseln, sobald die wirtschaftliche Notwendigkeit
es nicht mehr vorteilhaft erscheinen läßt, sich der
Mühe der Gartenarbeit zu unterziehen. Man be-
denke aber, daß der Kleingarten immer nur als ein
Notbehelf angesehen werden darf, der da gelten ge-
lassen werden kann, wo das Verlangen nach einem
Stückdien Gartenland, z. B. in Großstädten, nicht
anders befriedigt werden kann. Das Ziel soll und
muß sein der Garten am Hause. Denn nur da kann
ein wirkliches Gartenleben sich entfalten. Beim Klein-
garten, abgelegen vom Hause, durdidringt Haus-
und Gartenleben einander nie so, wie wenn beide,
Haus und Garten, eine räumliche Einheit bilden.
Wir wollen die Gartenliebe durch den Kleingarten
da wecken, wo die Verhältnisse die Schaffung von
Gartensiedelungen nicht ohne weiteres gestatten.
Er, der „Garten ohne Hau s“, soll die Brücke
bilden vom „Haus ohne Garten“ zum „Haus
im Garten“.

Audi muß verlangt werden, was schon öfter
betont und an manchen Stellen auch angestrebt
wurde, daß die Kleingartenanlage des eine sdiön-
heitlidie Ausgestaltung erschwerenden Charakters
einer vorübergehenden Einrichtung entkleidet werde.
Wo sie nicht zu entbehren ist, muß sie zu einer
Dauereinrichtung gemacht und das dafür nötige Ge-
lände, ebenso wie für öffentliche Grünanlagen, als
dauernder Bestandteil des Bebauungsplanes festge-
legt werden. Nur dann kann erwartet werden,
daß Behörden sich bereit finden lassen, für diese
Art Anlagen etwas mehr zur Ausgestaltung aufzu-
wenden, als es bisher geschah, daß aber auch die
Nutznießer sich veranlaßt sehen, Anpflanzungen und
Neueinrichtungen zu treffen, die sich erst lohnen,
wenn die Sicherheit vorhanden ist, das Stückchen
Gartenland längere Zeit bewirtschaften zu können.
Sonst wird es nie gelingen, dieser Art Anlagen ihren
behelfsmäßigen Eindruck zu nehmen, der ihnen

bisher überall anhaftete und sie auch äußerlich zu
einer Noteinrichtung stempelte.

Wenn wir in dieser Weise auf die entstehende
Gartenbewegung Einfluß gewinnen, dann dürfen wir
hoffen, daß es gelingt, einen reichen Ersatz
für den voraussichtlich zu erwartenden
Ausfall an reinenLuxusgärten zu schaffen,
einen Ersatz, der zum Segen unseres gan-
zen Volkes werden kann, wenn das bei
diesen Ausführungen vorschwebende End-
ziel erreicht wird, die Gartenliebe mit
all ihren guten Folgeerscheinungen in den
breitesten Schichten unserer Bevölke-
rung zu befestigen, und zwar gerade in den
Schichten, auf die sich unsere ganze Zukunft als
Volk und Staat aufzubauen hat. Wenn das ge-
lingt, dann hat der Krieg auch auf diesem Gebiete
eine gar nicht hoch genug zu veranschlagende Nach-
wirkung hervorgerufen.

Daran mitzuarbeiten, dazu beizutragen, ist eine
dankbare und verantwortungsvolle Aufgabe. Sie
darf nicht zagend und zaudernd angefaßt, sondern
muß in Erkenntnis ihrer großen Bedeutung mit Nach-
druck von unseren Besten in Angriff genommen
werden. Wenn wir die verschiedenen Seiten des
Problems in weitern Aufsätzen demnächstbehandeln,
so geschieht das nicht in der Erwartung, daß es uns
allein gelingt, die Frage erschöpfend zu behan-
deln. Wir verfolgen den Zwedi, auch andere an-
zuregen , dazu Stellung zu nehmen und ihre Mei-
nung zu sagen. Bis jetzt ist das viel zu wenig
geschehen. Wir machen leider auch hier die Wahr-
nehmung, daß wohl hier und da Einzelne, die die
Wichtigkeit der Sache erkannt haben, sich mit ihr
befassen, aber weniger in dem Sinne, zur allge-
meinen Förderung beizutragen, als um sich selbst
Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten zu erschließen
und andern darin zuvorzukommen. Das ist in einer
Frage von so allgemeiner Bedeutung, zumal in Zei-
ten, wo viele Berufene und Befähigte durch den
Waffendienst an der Mitwirkung verhindert sind,
durchaus zu verwerfen. Hier heißt es, gemeinsam
handeln und die eigenen Vorteile zum Besten der
Gesamtheit in zweite Linie zu stellen. Heicke.

Dorfblumen.

Kurz vor dem Kriege ist von dem Kgl. Landrat
des Kreises Lüneburg eine Verfügung an die Ge-
meindevertretungen seines Kreises hinausgegeben
worden, worin es unter anderem heißt:

„Nur ab und zu sieht man einige kümmerliche
Rosen oder eine Staude, während die prächtigen
Sommerblumen und die alten alljährlich wieder-
kommenden Pflanzen, die Stauden, mit ihren oft
weithin leuchtenden Blüten zur Seltenheit geworden
sind. Ich denke dabei besonders an: Fuchsschwanz
(Amaranthus caudatus, A. tricolor); Strohblumen
(Helichrysum); Malven (Athaea rosea, Lavatera tri-
mestris); Astern (Aster grandiflorus; A. Trades-
canti; A. chinensis); Löwenmaul (Antirrhinum
majus; A. purpureum); Ringelblume (Calendula
officinalis); Goldlack (Cheiranthus Cheiri); Flam-
menblume (Phlox paniculata); Bartnelken (Dian-
thus barbatus); Feuerlilien (Lilium bulbiferum);
weiße Lilien (Lilium candidum); Sturm- oder
Eisenhut (Aconitum Napellus); Glockenblumen
(Campanula pyramidalis, C. persicifolia); Christ-
rosen (Helleborus niger); Pfingstrosen (Paeonia
officinalis); Trän endesHerz (Diclytra spectabilis);
Schwertlilien (Iris germanica); Centifolie (Rosa
Centifolia); Moosrosen (Rosea Centif. muscosa).

Wenn wir die Liebe zum eigenen Heim und

dadurch zur Heimat wieder stärken wollen, müssen
wir die Anpflanzung der schon von unseren Vor-
fahren mit Liebe und Sorgfalt gepflegten schön-
blühenden, alten Gartenblumen in jeder Weise wie-
der betreiben. Ihr Schönheitswert wird dann bald
nicht nur vom Eigentümer, sondern auch von den
Vorübergehenden wieder geschätzt werden, und der
trauliche Eindruck unserer Dörfer wird erhöht. Zur
Erfüllung dieser Aufgabe durch Rat und Tat bei-
zutragen, bin ich gern bereit.“

Man kann diese Verfügung als einen erfreulichen
Beweis betrachten, daß auch in den Kreisen der
preußischen Verwaltungsbeamten das Gefühl und
Verständnis für Heimatschutz sich durchsetzt, und es
verdient ein, solcher Erlaß Beifall und Anerkennung.
Wer ihn geschrieben hat, ist ein Mann von echtem
deutschem Heimatsgefühl. Aber auch die deutschen
Gartenarchitekten sollten das ihrige dazu beitragen,
den Schutz und die Verbreitung unserer deutschen
Dorfblumen zu pflegen und die Sucht steuern, den
Städtern nachzuahmen, all die Gaben der Neuzeit
aufzunehmen, dabei die Schönheit und Biederhaftig-
keit unserer Dorfstraßen veröden zu lassen! Ein
gutes Stück Heimatkultur ist in Gefahr, wenn der
Erlaß des Lüneburger Landrats eine vereinzelte Er-
scheinung und ohne praktische Folgen bleibt.

70
 
Annotationen