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Die Gartenkunst — 32.1919

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Bergfeld, Rudolf: Naturalismus im Garten
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Technische Fragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0057

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Für die Weganlage des Naturformgartens gibt
es keine Analogie. Während im regelmäßigen Garten
der Weg schon als künstlerisches Motiv eigenen
Wert besitzt, ist er hier nur das Mittel zu dem
Zweck, den Garten zu erschließen. Die natürlichen
Wege sind entstanden aus dem Willen, ein Ziel
möglichst in gerader Linie zu erreichen. Die man-
gelnde Befähigung des Einzelnen, diesen seinen
Gestaltungswillen durchzusetzen, läßt auch hier
wieder die Naturform entstehen. Die Zufälligkeiten,
kleine Abweichungen in der Richtung, welche erst
in der Perspektive recht wahrnehmbar sind, lassen
oft reizvolle Bilder entstehen, welche häufig den
Malern als besondere Motive dienen. Wir bilden
unsere Wege in dem Sinne solcher Naturwege aus
und lassen die Wegränder ungestochen sich natür-
lich auswachsen. Plötzliche Krümmungen sind durch
in der Planung befindliche Hindernisse motiviert.
Die gleichmäßig geschwungene Linie, die schöne
Kurve, welche mit der Naturform nicht harmoniert,
muß durchaus vermieden werden. Die Wegränder
sollen nicht parallel verlaufen, sondern wir lassen
die Breite der Wege über ein Minimum hinaus
variieren bis zur platzartigen Erweiterung. Über
Bäche und flache Gewässer, zu kleinen Inselchen
können wir Pfadsteine führen lassen, um Brüdcen
nach Möglichkeit zu vermeiden. Wo durch die Er-
schließung des Gartens Baulichkeiten nötig werden,
Bänke, Häuschen oder Brücken, passen wir ihre
Bauweise harmonisch dem Charakter der Umgebung
an. Naturbauten weisen uns hierzu den Weg, nicht
etwa die Spielereien der Borkenhäuschen oder Natur-
holzbänke, sondern solide Bauten aus geschnittenem
Holz, mit Stroh- oder Schilfdach, deren Farben in
der Umgebung verschwinden. Ein roh behauener,
vom Sturm gefällter Baumstamm, ein Steinquader

dient als Bank, alles ohne Verwendung eines Motives
in den einfachsten konstruktiven Formen.

Die restlose, harmonische Durchführung des
Naturformstils, welcher durch nichts aus der Rolle
Fallendes gestört werden darf, ist die Voraussetzung
einer naturalistischen Gartenkunst. In der Gestal-
tung ist alles erlaubt, was technisch und künstlerisch
möglich ist. Das Studium der pflanzlichen und geo-
logischen Formationen der Natur bietet zwar unserer
Phantasie Nahrung, aber der Zauber einer Örtlich-
keit bleibt immer geheimnisvoll und läßt sich nicht
in Regeln kleiden. Die wahre Kunst ist immer
originell und kann nur unmittelbar aus der Phan-
tasie heraus entstehen. Eine Theorie, wie in der
Musik und Architektur, kann es in der natura-
listischen Kunst niemals geben, denn die geheime
Ordnung in all den tausend „Zufälligkeiten“ der
Wildnis ahnen wir wohl, wenn wir uns in ihre
Schönheit versenken, wie in das Konzert eines
rauschenden Waldes, aber der wissenschaftliche
Überblick des Zusammenhangs bis ins einzelne geht
uns verloren.

Wenn nicht die Zeichen trügen, leben wir in
einer Zeit, welcher das Gefühl der ungebundenen
Naturfreiheit wieder zum Bedürfnis geworden und
welche für eine naturalistische Kunst empfäng-
lich ist. Und da sich auch die Kosten der Pflege
eines solchen Gartens wohl in mäßigen Grenzen
halten werden, könnte der Gartenkünstler dem Na-
turalismus sein Interresse wieder zuwenden, ohne
befürchten zu müssen, einer Entwicklung der Garten-
architektur damit zu schaden, denn ein jedes Ding
gehört an seinen Platz. Rudolf Bergfeld.

Ausführlicheres in meinem Buche „Der Naturformgarten.
Ein Versuch zur Begründung des Naturalismus im Garten.“
Verlag von Trowitzsch & Sohn in Frankfurt a. 0.

Zur Bodenreformfrage. Im Februarheft der
Gartenkunst finde ich auf Seite 27 Ausführungen,
welche mich zu lebhaftem Widerspruch reizen. Ich
kann diesem Ausdruck geben, weil ich auch nicht
einen Fußbreit Boden mehr mein eigen nenne,
also persönlich in keiner Weise irgendwie in-
teressiert bin.

Nach 20 Jahren wird ein gesetzlicher Höchst-
gewinn von 10°/o gnädigst gestattet. Dies wird als
das „allgemein übliche Maß beim Verkauf von
Waren“ angesehen und genehmigt. Hier schon
muß ich widersprechen. Ein Händler, der eine
Ware 20 Jahre lang auf Lager hat, würde kalku-
lieren: Einkaufspreis -f Zinseszins + Anteil an den
allgemeinen Geschäftsunkosten -J- Unternehmer-
gewinn von 10 °/o; dies zu fordern, dürfte er
vollauf berechtigt sein. Allerdings, ob er einen
Käufer findet, der für solchen Preis die Ladenhüter
nehmen würde, das ist eine Frage, welche ich
nicht bejahen möchte.

Schließlich heißt es nun zwar:

„die Zinsen des Erstehungspreises können
„nicht zum Erstehungspreis geschlagen werden.
„Jedes Grundstück wirft für sich eine Boden-
rente ab, die für sich die Verzinsung des
„Anlagekapitals darstellt“.

Gestatten Sie, daß ich auch dieser Behauptung
widerspreche. Ich habe vor Jahrzehnten auf dem
Lande einen größeren Garten für mich angelegt,
und weiß also, welche Kosten damit verbunden
sind. Obwohl die Anlage durchaus einfach gehalten
war (Park, Naturrasen, hochstämmige Obstbäume,
Gemüseland für den Hausbedarf), erforderte den-
noch die ordnungsmäßige Unterhaltung und Pflege
alljährlich Unkosten, welche weit über die Verzin-
sung des ursprünglichen Bodenwertes hinausgingen.
Glücklicherweise hatte ich noch alle für das ganze
Gut gemachten Auslagen für Meliorationen aller
Art zu Buch und konnte damit nachweisen, daß ich
keinerlei Gewinn gemacht hatte, als ich die Be-
sitzung nach 30 Jahren für das dreifache des An-
kaufspreises veräußerte. Die Steuerbehörde wollte
gar zu gern von mir die gesetzliche Wert-
zuwachssteuer einziehen; mußte aber auf Grund
der von mir vorgelegten Abrechnungen und Be-
lege vollständig davon absehen. Nicht einen
gebogenen Pfennig hat sie bekommen. Zinsen
hatte ich noch gar nicht mal in Rechnung zu stellen
brauchen.

Bei den Verkäufen der Jetztzeit ist außerdem
noch die jammervolle Entwertung unserer einst so
stolzen Valuta in Betracht zu ziehen. H. M.

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