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Die Gartenkunst — 32.1919

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Leibig, Joseph; Loth, Ulrich: An der Schwelle einer neuen Zeit, [4]
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0083

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Wünschenswert wäre es aber wirklich, wenn sich
die berufensten Fachleute eingehend mit dieser Frage
befassen würden. Loth, Oranienburg.

* *

*

Fragezeichen. Durch das Streben nach Ausgleich
in allen Schichten und auf allen Gebieten unserer
Volksgemeinschaft werden die verschiedenen Berufe
ganz von selbst an die Stelle gerückt, welche ihnen
nach ihrer Bedeutung im Wirtschaftsleben zukommt.
Landwirtschaft und Gartenbau müssen wir mehr
denn je als über alles wichtige Faktoren ansehen,
ohne deren gesteigerte Leistungen die schlechte Lage
unseres Volkes nicht gehoben werden kann. Nur
durch höhere Arbeitsleistung bleiben wir daseins-
berechtigt. Und obgleich diese Tatsachen selbstver-
ständlich sind und keineswegs entmutigend auf den
sachlichen Gärtner zu wirken brauchen, muß man
doch feststellen, daß gerade jetzt der gebildete Gärt-
ner vielfach mit dem Ausdruck der Trostlosigkeit
im Gesicht dasteht und nicht weiß, wo und wie er
sich als brauchbares Glied in der langen Wirtschafts-
kette unseres Volkes behaupten soll. Selbst Fach-
leute, die der Krieg nicht 4 Jahre aus ihrem Berufs-
leben gerissen hatte, gefallen sich geduldig in dieser
Mutlosigkeit und erwarten Wunderdinge von staats-
wegen. Woran liegt es?

Durch die Umgestaltung des Wirtschaftslebens
sind mehr oder weniger alle Menschen (selbst
Künstler) gezwungen, sich den Forderungen der
Gegenwart schleunigst anzupassen. Auch in ver-
schiedenen Zweigen des Gartenbaues ist eine Um-
stellung der Betriebe erforderlich, soll die Nutzbar-
keit gesichert bleiben. Die Gartenbaukunst muß
sich gegebenenfalls restlos in den Dienst unserer
gesamten Gartenkultur stellen können, will sie
in dieser, über unsere Zukunft entscheidenden Zeit
ihren schuldigen Teil zum Volkswohl beitragen. Die
Gartenkunstleute müssen ihr Augenmerk auf för-
dernde Bestrebungen aller Art richten, auf das Sied-
lungswesen und überhaupt auf alle Notwendigkeiten
zur Hebung herrschender Notstände, soweit sie mit
dem Gartenbau Zusammenhängen. Auch dies sind
unter dem Gesichtswinkel der wirtschaftlichen Ereig-
nisse Selbstverständlichkeiten, und dennoch stehen
besonders Vertreter des bildenden Gartenbaues
mutlos abseits, und sind gar geneigt, in dem Beruf
selbst die Ursache ihrer Hilflosigkeit zu erblicken.
Woran liegt es?

Nun wir wissen, daß in einer Reihe von Jahren
vor dem Kriege eine bewußte Gliederung und Ar-
beitsteilung auch im Bereich des Gesamt-Gartenbaues
allgemein als zweckdienlich angestrebt wurde. Wir
wissen, daß die höheren Gärtnerlehranstalten bei
ihren Besuchern die Wahl zwischen Kulturen, Handel,
Obst- und Weinbau und der Gartenbaukunst stark
beeinflußt haben und schließlich zur angeblichen
Hebung des Berufes und Standes hinter Diplomen
und Titulaturen eine besondere Gärtnerklasse auf-
zurichten verstanden. Wir wissen schließlich auch,
daß die Mehrzahl des Nachwuchses in dieser Klasse,
vielfach trotz Mangel an Gründlichkeit, Berufsliebe
und künstlerischem Empfinden, auf dem Gipfel der
Gartenkultur — der Gartenkunst — zu stehen ver-
meinten. Und so liegt schließlich die Wurzel des
Übels zum größten Teil in den Bildungsstätten, indem
viele ihrer Schüler nur das Bestreben hatten, sich
recht bald hinter dem Schild eines Titels zu ver-
kriechen, an welchem berechtigte Vorhaltungen und
Angriffe abprallten. So ist es gekommen, daß inner-
halb des gesamten Gartenbaues Verständnislosig-
keit und Zersplitterung zutage tritt und handwerks-
mäßig tüchtige Fachleute selten sind. Heute, wo es
heißt, sich gemeinnützig zu betätigen, erkennt man
klar den Schaden dieser zu weit geführten Speziali-

sierung. Erschreckende Mangelhaftigkeit bis Unfähig-
keit kann bei Diplom-Inhabern und -Meistern fest-
gestellt werden. Wer hat die Schuld an diesem Fach-
schaden? Wer hat Einseitigkeit und Unzulänglich-
keit gefördert? Mußten sich auch die Gärtner an
dem allgemeinen Hindrängen zur Staats- resp. Be-
amtenkrippe beteiligen?

Wenn etwas verbesserungsbedürftig ist, dann
ist es das gärtnerische Bildungswesen. Unser heu-
tiges Lehrlings-, Lehranstalts- und Prüfungswesen
entbehrt durchaus der Gründlichkeit und des Verant-
wortungsgefühls. Von unseren höheren Lehranstalten
müssen wir unbedingt verlangen, daß sie künftig mit
Strenge auf Vertiefung der Berufsausbildung hin-
wirken. Als gebildeter Gärtner kann gelten, wer
alle Voraussetzungen echter Berufsliebe und wahr-
haften Pflichtgefühls erfüllt. Die Grundbegriffe der
ganzen Zunft müssen auf Erkenntnis des sozialen
Wertes und gesunder Anschauung beruhen, denn
nur diese schützen vor Anmaßung und Überhobenheit.

Nur dann können auch die angestrebten Fach-
hochschulen erst grundlegend fruchten. Nur dann
können Kaufleute, Wissenschaftler und Kulturtech-
niker je nach Besetzung der Lehrstühle guten Ge-
winn daraus ziehen und ihrerseits vorbildlich weiter
wirken. An gebildeten Gärtnern für die Berufs-
praxis wird es sonst weiterhin mangeln. Das
Schlagwort: „Dem Tüchtigen freie Bahn“ beweist
in erster Linie das Fehlen der Tüchtigen.

Wollte man die aufgeworfenen Grundfragen
sogleich beantworten, müßte man kurzweg die
Behauptung aufstellen: Wer sich heute als gebil-
deter Fachmann nicht auf den Boden der Wirklich-
keit zu stellen vermag, wer sein Vorwärtskommen
im Berufsleben unterbunden glaubt, der hat in den
meisten Fällen den volkswirtschaftlichen Wert des
Gartenbaues nie verstanden, wie er auch sonst die
Kulturgeschichte unseres Volkes nie verstanden
haben mag. Fritz Last, Berlin.

Büdierschau.

Heinrich de Fries: Wohnstätten der ZuKunft.

Neugestaltung der Kleinwohnungen im Hochbau der
Großstadt. Verlag der Bau weit Berlin 1919.

Im vorliegenden Werke fällt mir besonders ein
Abschnitt des Vorwortes auf, den ich als besonders
glücklich bezeichnen muß und aus diesem Grunde
wörtlich anführe: „Es sei unumwunden zugestanden,
daß es sich hierbei (bei der Neugestaltung der großen
Stadt) nur in zweiter Linie um rein bautechnische
Frage handeln kann. Die reichen und wertvollen Er-
fahrungen der Bauwissenschaft können erst zur
Anwendung kommen, wenn der Grundgedanke
einer Anlage fe st steht, s ein e organische
Gestaltung gefunden ist.“ Nach all den Vor-
schlägen über Siedlungswesen, deren Zahl Legion
ist, verdient die vorliegende Auffassung des Sied-
lungsgedankens besondere Beachtung. Den breitesten
Raum im Buche nehmen baufachliche Vorschläge
im Rahmen des Kleinwohnungsproblems der Groß-
stadt ein, die eine Lösung des Existenzminimums
in idealem Sinne erstreben, jedoch nicht im Sinne
der Flachsiedlung, sondern im Großstadt-Baublock
und seinem Einzelgliede, dem Doppelstockhaus.
Auf Seite 54, Abb. 34, zeigt der Verfasser einen
derartigen Baublock, der für den Gartenarchitekten
von Interesse sein dürfte. Durch den Verzicht auf
Flachsiedlung und die damit verbundene Möglichkeit
intensiver Betätigung auf eigener Scholle ist eine
gänzliche Abkehr vom „Selbstversorgersystem“ be-
dingt, ja selbst die ideale Betätigungsmöglichkeit des
Bewohners eines solchen Doppelstockhauses im
Kleingarten ist sehr beschränkt. Der Verfasser hat

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