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Die Gartenkunst — 33.1920

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Der Kulturmensch in seinem Verhältnis zum Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20812#0089

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Besitzung Dr. Kr., Alsbach a. d. Bergstraße.

Mittlerer Teil des Obstgartens.

Gartenardutekt F. Wirtz, Frankfurt a. M. und Heidelberg-Sdilierbadi.

Der Kulturmensch in seinemVerhältnis zum Garten

Trotz all unserer Aufklärung müssen wir uns Dieses Großunternehmen der Weltneuaus-
bescheiden, den Menschen als eine rätselhafte gäbe nach dem Maße der menschlichen Ideen und
Zweiheit zu betrachten. Als Natur und Geist, als Bedürfnisse verläuft freilich nicht ohne inneren
unbewußte Welt und bewußte Widerspiegelung Widerspruch im Menschen selbst. Denn unser
dieser Welt in der Empfindung und im Gefühl, Verhängnis ist es eben, vergewaltigender Geist
als blinden Instinkt und bewußten Willen zu und vergewaltigte Natur in einer Person zu sein;
persönlichen Zwecken. Diese geheimnisvollen lebensfähig nur als Natur, weltüberwindungs-
Kräfte.die wir unter dem Namen Geist zusammen- fähig nur als Übernatur, sind wir statt einer
fassen, können ihre wunderbare Arbeit nur in Zweieinigkeit viel eher eine Zweiuneinigkeit. Der
einem seltsam eingerichteten Atelier verrichten: Protest unserer Sinne: „Zurück zur Natürlichkeit"
in einem Klumpen merkwürdig gefurchter grau- kreuzt sich beständig mit dem Postulat des Geistes:
weißer Hirnmasse. Das Hirn des Menschen ist „Noch viel mehr Herrschaft über die Welt, noch
schwerer an Gewicht und komplizierter gebaut viel mehr Zivilisation!" Ein Gipfel des Lebens
als das seiner Kollegen aus dem Tierreich. Ein ist erreicht, wenn sich diese Gegensätze versöhnen:
bißchen Hirnsubstanz mehr im Schädel eines wenn, wie einst in Hellas in klassischer Vor-
Menschenaffen und von etwas feinerer Modellie- bildlichkeit, das Natürliche durchgeistigt und das
rung .... und die Natur ist Natur gewesen. Der Geistige vernatürlicht wird. Dieser beglückende
Erdball, der seit Jahrmillionen mit seiner orga- Friedensschluß heißt Kultur. Wir Modernen sind
nischen und unorganischen Fracht so vergnüglich von einem solchen freundschaftlichen Sichent-
und unbekümmert durch den Weltraum trollte, gegenkommen unserer primitiven Naturtriebe
erlebt eine tragische Katastrophe: aus seinem undunserergeistigenEdeltriebehimmelweitfern.
eigenen selbstherrlichen und sich selbst genügen- Die irdische Natur hat nie so schlimme Zeiten
den Zweck wird er degradiert zum untertänigen erlebt, war der Willkür des Geistes noch nie so
Mittel. Er muß sich hergeben zum Baumaterial bedingungslos ausgeliefert wie heute. Der Zivili-
und zur Ausstattung eines neuen Alls, dessen sationsgeist aberkennt ihr das Daseinsrecht. Was
Mittelpunkt fortan der Mensch ist. auf Erden sich nicht darüber ausweist, daß es

Gartenkunst Nr. 6, 1920.

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