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Geffcken, Johannes
Der Bildercatechismus des funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther (Band 1): Die zehn Gebote, mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438 — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1411#0031
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leben," aber eine besondere Hindeutung auf die Gebote kommt in den Abschwörungsformeln doch nicht vor.
Was die Beichte betrifft, so möchte man, wenn man sich mit der Praxis des 15. Jahrhunderts bekannt gemacht
und es wahrgenommen hat, wie in der Beichte die zehn Gebote die erste und vornehmste Stelle behaupten,
geneigt sein, auch in der früheren Zeit etwas Aehnliches anzunehmen. In den allen Beichtformeln, die wir
bei Massinann (S. 122—154) gesammelt finden, ist dies doch wirklich nicht der Fall.*) Selbst in dem von
Oberlin herausgegebenen ßeichtbuche aus dem 14. Jahrhunderte erscheinen die zehn Gebote noch gar nicht,
während die sieben Todsünden den grössten Theil der Beichte einnehmen.**) Am Ende des 14. Jahrhunderts
und im 15. Jahrhunderle treten nun auf einmal die zehn Gebote mit einer solchen vorherrschenden Geltung
hervor, dass sie die anderen Sliicke des Catechismus fast zurückdrängen. Denn so müssen wir doch nun den
Begriff des Catechismus auffassen, dass wir nicht nur, was sich auf die Taufe bezog, sondern alles darunter
begreifen, was Gegenstand des religiösen Unterrichts der Jugend und des Volkes war. Fassen wir den Begriff
Catechismus in dieser Weise, so kann gar kein Zweifel sein, dass die zehn Gebote im 15. Jahrhunderte ein
Stück, und zwar das vornehmste Stück des Catechismus ausmachten, denn iiberkeins ist damals mehr geschrieben
worden, keins wurde eifriger getrieben. Die in den Beilagen gegebenen Abschnitte aus zum Volksgebrauche
bestimmten Schriften, werden dies deutlich zeigen, nicht minder die Werke, welche ich noch zu nennen habe.
Aber man würde sich täuschen, wenn man nun meinen wollte, damit sei der Catechismus abgeschlossen
gewesen wie jetzt, die zehn Gebote, der Glaube, das Vater Unser und die Sacramente allein hätten seinen
Inhalt gebildet. Der Catechismus war eben noch nicht so abgeschlossen, noch nicht in eine so feste, seinem
Kern nach unveränderliche Form gebracht, und daher wurden bald diese bald jene Stücke hinzu genommen.

Vor Allem sind da die sieben Todsünden zu nennen. Man kann sagen, dass diese, ehe die zehn
Gebote eine so allgemeine Behandlung im Volksunterrichte erlangten, die Stelle derselben vertraten, und
dass sie im 15. Jahrhunderte bis zur Reformation ihre Stelle neben den zehn Geboten unverändert behauptet
haben. Schon in sehr alter Zeit finden wir neben den Beichtformeln Verzeichnisse der Hauptsünden, die
dazu bestimmt waren, um zu fragen, ob der Beichtende sich dieser Sünden schuldig gemacht habe. Diese
Verzeichnisse aber waren länger, und beschränkten sich nicht auf siebeu. Ein Verzeichniss einer Wolffen-
bütller Handschrift (Massmann a. a. 0. S. 121) hat z. B. zwanzig. Nach und nach stellte sich aber die
Zahl sieben fest, nämlich: Hoffart (superbia), Neid (invidia), Zorn (ira), Trägheit (accidia), Frassheil
(gula), Geiz oder Habsucht (avaricia), Unkeuschheit oder Unraynygkayt (luxuria). So erscheinen die sieben
Todsünden vielfältig (vgl. auch Beilagen S. 18, 50, 82, 86, 89, 108, 120, 148, 190, 194) in einer Reihe von
Werken, die später näher zu beschreiben sind, in *Nicol. de Lira Preceplorium, * Antonini Confessionale, in
welchem sie nächst den zehn Geboten den Hauptgegenstand bilden, in *Discipuli (Jo. Heroll) de eruditione
Christi fidelium, in *Nicolai Dinkelspühel Tractatus, in *Andreas Hispanus Modus confitendi, in den Beicht-
büchern des *Bartholomaeus von Chajm von Mailand, des * Jacob Philipp von Bergamo, in *Ludovici Viualdi
Aureum opus de veritate contritionis, in Albertus Magnus *Epitome theol. veritatis lib. III. cap. 14 — 21, in
Oberlins Beichtbuch, in Johann Wolffs von Frankfurt Beichtbuch 1473 und vielen andern Werken. So
wurden die sieben Todsünden auch schon ähnlich, wie die zehn Gebote und das Symbolum, bildlich dar-
gestellt, (Beilagen Seite 18 —19), und so recht eigentlich in den Volksgebrauch eingeführt. Jacob Koning
hat ein xylographisches Werkchen von 16 Seiten über die sieben Todsünden, das er besass, beschrieben***)

*) Räumer, S.254flgg. *GrupervAlte Beichte Hann. 1767, 4. ***) *Verhandeling over den Oorsprong, de uitvinding, ver-

**) Bihtebuoch aus dem XIV. Jahrh. von Prof. Oberlin, betering en volmaking der Boekdruckkunst. Harlem 1816.

Strasb. 1784, in 8. In der Beichte, die S. 1—74 steht, werden 8. S. 116 u. 104.
die Todsünden, S. 30—74, abgehandelt.
 
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