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Geffcken, Johannes
Der Bildercatechismus des funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther (Band 1): Die zehn Gebote, mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438 — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1411#0048
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Johann Gerson hatte mit der grössten Unerschroekenbeit den, an dem Herzoge von Orleans auf An-
stiften des Herzogs von Burgund verübten Mord gerügt, und die Verdammung eines, von Jean Petit verfassten
Buchs zur Vertheidigung dieses Mordes auf dem Concil in Constanz verlangt. Die Rachsucht des Herzogs von
Burgund vergönnte ihm daher nicht, nach Paris zurückzukehren, sondern er musste, als 1418 das Concil zu
Ende war, den Pilgerstab ergreifen und ins Exil gehen. Er ist daher auch oft Peregrinus genannt, und in den
älteren Ausgaben seiner Werke im Pilgerkleide abgebildet worden. Er ging, von tiefem Schmerz über den
traurigen Ausgang des Concils erfüllt, nach Tyrol, nach Wien, und als er den (10. Sept. 1419) gewaltsamen
Tod des Herzogs von Burgund erfuhr, nicht nach Paris zurück, sondern nach Lyon, wo er die letzten 10 Jahre
seines Lebens in der Gesellschaft seines Bruders, der dort Prior war, verlebte. Hier hat er viele seiner Werke
geschrieben, hier aber auch der religiösen Unterweisung der Jugend mit dem grössten Eifer sich gewidmet.
"Gewiss ist es," um mit Schmidt zu reden, "ein rührendes Schauspiel, Gerson in seinen alten Tagen von
Kindern des Volkes umgeben zu sehen, bemüht, sie zu Christo zu führen."*) Ich füge zu dem, was Schmidt
angeführt hat, über diese Zeit, in welcher der hochberühmle Kanzler von Paris seine Ehre darin suchte, in
einer Vorstadt von Lyon Schullehrer zu sein, noch eine Hinweisung auf das rührende Schreiben hinzu, in
welchem sich Gerson's Bruder über die letzte Lebenszeit desselben ausgesprochen hat. (Opp. Tom 111. Zz6sqq.)
Noch am Tage vor seinem Tode ging er, wie er pflegte, mit seinen Kleinen zur Messe, und Hess sie mit einem
Vorgefühl seines nahen Todes beten: "Dieu mon createur ayez pitie de votre pauvre serviteur Jean Gerson."
(Vita Joh. Gerson in praef. ed. Dupin pag. XXIV.)

Neben Gerson ist auch noch Hus zu nennen, dessen lateinische in Constanz verfasste Schrift über die
zehn Gebole und das Vaterunser "de mandatis Dömini et Oratione Dominica, quibus praemittitur fldes recte
credere in symbolo," (*Historia et Monumenta Jo. Hus, Tom I., p. 3S sqq.) ohne Zweifel den Zweck hatte,
seinen Schülern eine Anleitung zu geben, wie sie dem Volke die zehn Gebote und das Vaterunser auslegen sollten.

Sechstes Capitel.

Schriften in der Landessprache zum Volksgebrauche.

Wollte man die Frage aufwerfen, welches europäische Land den Andern in dieser Beziehung voran-
gegangen sei, so würde sich für Frankreich viel sagen lassen, doch wird eine Entscheidung immerhin schwer
sein, da die Acten uns noch nicht vollständig vorliegen, und wir mancher Schrift ein bestimmtes Datum nicht
anweisen können. Ich werde daher mit dem Wenigen beginnen, was ich über Frankreich, England und Italien
habe zusammenbringen können, und dann die deutschen Schriften, von denen ich Kunde geben kann, verzeichnen
und beschreiben.

In Frankreich tritt uns zuerst der frere Laurent entgegen, (gest. gegen 1285) von dessen Somme le
Roi (denn so wird der Titel des Buchs im Französischen geschrieben) in der Beilage V. S. 81 —85 eine nie-
derländische Uebersetzung beschrieben, und aus derselben der Abschnitt über die zehn Gebote mitgetheilt ist.
Ueber diesen Laurent (auch Lorens und Laurentius Gallus) handelt die Hisloire lil. de la france Tom XIX.,

*) Essay sur Jean Gerson par Charles Schmidt. Strasbourg et Paris, 1839, 8.. p. 58 flgg.
 
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