Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Geffcken, Johannes
Der Bildercatechismus des funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther (Band 1): Die zehn Gebote, mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438 — Leipzig, 1855

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1411#0114
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
104

Glaube, Aberglaube und Unglaube, die Sitte und Unsitte, die Richtungen und Verirrungen der Zeit, sind in
tausend kleinen Zügen zu erkennen, die zusammengefasst, ein anschauliches Bild uns darbieten und in das
Volksleben jener Zeit tief uns hineinführen. Wir sehen die wahre Vorgeschichte der Reformation vor uns,
und es zeigt sich uns, wie noch in ganz anderer Weise, als dies auf den grossen Kirchenversammlungen offenbar
wird, Alles auf die Reformation hindrängt, und wie auch die, welche sich desselben am Wenigsten bewusst
sind, sich doch diesem Drange nicht entziehen können. Ich bin bemUht gewesen, die Actenstücke in den Bei-
lagen mitzutheilen, welche mir die bedeutendsten zu sein schienen und im Texte aus den grösseren weitschichtigen
Werken die Züge hervorzuheben, von welchen ich glaubte, sie seien besonders lehrreich. Dass mir mein
Bemühen immer gelungen sei, muss ich selbst billig bezweifeln. Jedenfalls werden die Erforscher der Kirchen-
und Culturgeschichte und, wenn ich nicht irre, auch der Rechtsgeschichte in den von mir genannten Werken
noch reiche Nachlesen halten können. Auch die deutschen Sprachforscher werden nach den gegebenen Proben,
in denen die verschiedensten Dialecte vertreten sind (die Rechtschreibung der alten Drucke und Handschriften
ist getreu beibehalten, wenn sie auch noch so ungleich war) vielleicht urtheilen, dass diese Werke ihrer Auf-
merksamkeit nicht unwerlh seien. Freilich sind die meisten nur in einzelnen Exemplaren oder wohl gar nur
in Handschriften erhalten, schwer zugänglich und dem allgemeinen gelehrten Gebrauche fast ganz verschlossen.
Es ist daher gewiss zu wünschen, dass mehrere dieser Werke neu abgedruckt werden, und scheint dies auch
gar nicht unausführbar, da jedes derselben, ausser dem allgemeinen, noch ein besonderes provincielles Interesse
hat. Sollte nicht z. B. Oesterreich die Herausgabe seines Slephan von Landskron (vgl. Beilage IX. und
Nachträge), Hannover die seines Ludolf von Göltingen (Beilage VII. und Nachträge), Schwaben die seines
Marcus von der Lyndauwe, Mecklenburg die seines Nicolaus Rus (Beilage XVII.) zu fördern geneigt sein?
Namentlich ist das Werk des Rus als Denkmal der uiedersächsischen Sprache von, wie mir scheint, unver-
gleichlichem Werthe, denn die Bibelübersetzung * Lübeck 1494 ist als Uebersetzung aus dem Oberdeutschen bei
Weitem nicht so eigenthümlich und ursprünglich. Der Sele'Trost endlich, ein Werk, das bisher weder auf
einen bestimmten Verfasser noch auf eine bestimmte Provinz sich zurückführen lässt, hat ein so mannigfaches
Interesse, dass die Herausgabe desselben am Wenigsten lange ausbleiben wird, obgleich sie wegen der ab-
weichenden Drucke und Handschriften (vgl. S. 45—49, Beilagen, S. 98—106 und Nachträge) mit ganz besondern
Schwierigkeiten verbunden ist.

In dieser ersten Abtheilung ist die Geschichte des ersten Hauptstückes behandelt, und allerdings hat
sich diesem der Eifer des fünfzehnten Jahrhunderts ganz besonders zugewendet, die andern Hauptstücke sind,
so viel ich bis jetzt zu urtheilen vermag, nicht in demselben Maasse bearbeitet, doch liegt auch für sie gar
Vieles mir vor. Der Eifer, mit welchem das fünfzehnte Jahrhundert sich der zehn Gebote bemächtigte, erklärt
sich leicht genug, war es doch eben diese Zeit, in welcher die Gesetzgerechtigkeit ihren Gipfel erreichte, und
mit dem grössten Eifer auf die Werke getrieben wurde. Diese in unserm Zeiträume vorherrschende Rich-
tung verfolgen auch die späteren katholischen Werke eines Johann Eck, David a Mauden, Thomas Sanchez,
Tamburini, Garibaldi'*) und Anderer, während die protestantischen Werke eines Selneccer, Dannhauer,
Henning und Sperling**) um nur Einige zu nennen, einen ganz andern Geist athnien. Das in der Sele

*) 'Johann Eck Christenliche Predigten von zehn Geboten **) Nicolaus Selneccer Paedagogiae Cbristianae Pars Prima,

(fünfter and letzter Theil der Predigten; Ingolstadt 1539, Fol. Unterweisung in den Hauplstücken aus dem Lat., Deutsch von

*David a Mauden Discursus Morales in Decem Decalogi Prae- Lucas Majas, Leipzig 1569, 4. (Hamb. Bibl.). * Johann Conrad

cepta. Lovanii 1627, Fol. '* Thomas Sanchez Opus Morale in Dannhauer Catechismas Milch (10 Theile). Th.I.—II. neueAuf-

Praecepta Decalogi, Tom I. — IL, Parma 1723, Fol. * Thomas läge, Strasburg 1680—93. 4. * Johannes Henning Catechismus

Tamburini Explicatio Decalogi, Part I. — II., Monachii 1659, 4., Postille, Frankr. a. M. 1691. 4., S. 1—292. *Paul Friedrich

auch in 'Opera Omnia, Lugduni 1669, Fol. * Sebastian Garibaldi Sperling Moses informans. Der sehr fleissig unterrichtende

Decem Praeceptor. Decalogi Mitralis Discussio, Bononiae 1712, F. Moses, Leipzig 1705, in 4., 1116 Seiten.
 
Annotationen