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Genelli, Hans Christian
Das Theater zu Athen: hinsichtlich auf Architectur, Scenerie und Darstellungskunst ueberhaupt erläutert — Berlin und Leipzig, 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.842#0008
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I.

ren wäre: und dafs man sodann sie nach ihrer Erzeugung und Ausbildung historisch
entwickelnd, und nach ihren Verhältnissen zu den andern Kunsterscheinungen bei dem-
selbigen Volke, ein Ganzes der Anschauung zu schaffen suchte, welches vor dem Ein-
schleichen fremdartiger Vorstellungen wohl verwahrt, sich immer rein und klar vor
dem Sinn erhielte. Freilich ein schwieriges Unternehmen, das aber auch meines Wis-
sens so noch nicht versucht worden ist: denn ich befürchte nicht, dafs man mich auf
romanhafte Schilderungen älterer Gelehrten, wie jene von Barthelemy, verweisen
werde, oder auf die zerrissenen und durch einander geworfenen Notizen der Schulcom-
pendien, die schwerlich in ihren Verfassern selbst ein Bild der Anschauung erzeugt ha-
ben. Wie ich nun dergleichen nicht vorgefunden, so ist es jezt mein Vorsaz, was in
dieser Materie ich geraume Zeit hin gesucht und gedacht habe, in dieser Schrift, so
gut ichs vermag, zu einem Ganzen zusammen zu stellen: sicher nicht in dem Wahn,
die Materie erschöpft, oder in Allem das Rechte gefunden zu haben, noch weniger um
mir einen Plaz unter den Antiquaren und Philologen zu erwerben, zu welchen ich mei-
ner Bildung nach nicht gehöre; sondern lediglich in der Absicht, vielleicht gelehrtere
und begabtere Männer anzuregen, sie gleichsam winkend daran zu erinnern, dafs es
auch hier noch eine Bahn für sie zu betreten giebt.

Dieser mein Vorsaz aber schränkt sich, wie schon die Überschrift anzeiget, blofs
auf die Athenische Bühne ein, und scheidet also jedes andere Theaterwesen aus. Viel-
leicht bliebe es selbst dann noch rathsam, die Untersuchung bei Einer Bühne anzufan-
gen , und zwar bei der eigentümlichsten, wenn wir auch von mehr anderen eben so
viel wüssten: besonders wenn diese anderen durch Abstammung oder Übertragungen
mit jener in Einigem verwandt wären. Seitenblicke führen leicht irre; und solche Ähn-
lichkeiten verleiten oft unmerklich voraus zu sezen, Manches, was noch weiter sich
hier vorfindet, müsse eben so auch dort Statt gefunden haben. Nun ist aber sogar das
Theater der Athener uns heut zu Tage das bekannteste, das, wovon uns neben den
Meisterwerken auch noch die mannigfaltigsten Nachrichten übrig geblieben sind. Von
der römischen Bühne sind die älteren und besseren Tragiker verloren gegangen; wir
besizen von ihnen nur jenen Seneca, der das Gepräg eines verderbten Zeitalters auf
der Stirn trägt, und dessen gedunsene Declamationen nicht darauf angelegt waren, den
freien Sinn eines Volkes in seinen Tiefen zu erregen und zu bilden, wenn überall sie
zu wirklicher Aufführung geschrieben wurden. Auch kann eben deshalb keine Kennt-
nifs des Spieles weiter was zum Verständnifs und zur Würdigung dieser Gedichte bei-
tragen, die an sich hinlänglich verständlich sind. Mit der Komödie der Römer steht es
 
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