io6 VI.
Inhalt dichten und die Melodie dazu finden, gemeinhin für eine und dieselbe That; und
zu jeder Aufserung, des Gedankens oder der Empfindung, schien ihnen die begleitende
Geberde so wenig entbehrlich, dafs bald selbst der blofse Flötenbläser sich angewöhnte,
sein Spiel mit einer Art von Orchema zu begleiten 2). Auch ist es nur aus dieser An-
sicht, dafs Sirnonides sagen konnte, der Tanz sei stumme Poesie, und die Poesie der
ausgesprochene Tanz. In der früheren Zeit ward also bei diesem Volke jedes Gedicht
zum wenigsten gesungen, viele aber zugleich mit Tanz begleitet, im Dienst ihrer Tem-
pel wie bei anderen Anlässen 3). Und überall möchte es schwer zu begreifen sein, wie
nur der Mensch darauf hätte verfallen können, seine Gedanken, wie affectvoll und bild-
lich sie auch sein möchten, in so vielfach gebundene Formen zu zwängen, die, an sich
melischer und orchestischer Art, mit dem Gedanken selbst sonst nichts zu thun haben;
wenn ihn nicht jene ursprüngliche Absicht leitete, den Ton des Affectes und die Ge-
berde der Handlung mit dem Worte des Gedankens .zusammenstimmend zu verbinden.
Wohl findet man frühe schon die Kunst der Töne für sich selbständig ausgeübt, oder
den Tanz nur von Instrumentenspiel geleitet; aber Gedichte mufsten, wie gesagt, we-
nigstens gesungen werden, und sie blofs herzusagen, konnte nur die späteste Beschrän-
kung der Schulgelehrtheit mit sich bringen.
Den Griechen besonders war die Vermählung der genannten Kunstzweige durch
ihre Sprache selbst schon sehr nahe gelegt, worin das so deutliche Sylbenmafs, und die
freie Betonung mächtige Aufforderungen zu Gesang und rhythmischer Bewegung ga-
a) Atbenaios berichtet, der erste, der dies eingeführet, sei ein gewisser An dron aus Katanea ge-
wesen, weshalb auch in jenen Zeiten dies Begleiten des Spieles mit entsprechenden tänzerischen Bewegun-
gen des Leibes — rJxfAi'^cir — genannt worden wäre.
3) Hyporchema (vtre^xif1*}. hiefs, so. wie überhaupt jede Tanzmusik, so auch insbesondere jeder
Gesang, der zu einem Tanze gedichtet und gesungen ward. Das liijrtiologicuin magnum glebt ein solches
Hyporchema an, welches um den Schlachtopfer-Altar ausgeführt wurde, während die Flamme das Opfer
verzehrte; und der Rbetor Menander fia prooemio) sagt im Allgemeinen, das Hyporchema habe so wie der
Paian zu dem Tempeldienst Apollons gehört. Dafs jedoch das im Etymologicum angeführte für alle
Schlachtopfer gelten soll ohne Rücksicht auf den Gott, leuchtet von selbst ein. Darum aber waren nicht
alle Hyporchemen gottesdienstliche Gesänge und Tänze: denn Athenaios (Lib. 14. cap. 7. pag 6.10. DJ füh-
ret unter eben diesem Namen welche an, von lustigem und scherzhaftem Inhalt, deren Tanz dem Kordax"
sehr ähnlich gewesen. Wiederum aber war nicht aller Gesang, wozu getanzt wurde, darum Hyporchema; son-
dern nur der, welcher einem gegebenen Tanze untergelegt wurde. Wo der Tanz die Hauptsache war, dem
das. Lied nur als leitende Musik beigegeben war, da war dieses ein Hyporchema, nicht aber da, wo dem
Gesaqge der Tanz, als begleitende Geberde beigefügt wurde, wie in den dithyrambischen und dramatischen
Spielen,
Inhalt dichten und die Melodie dazu finden, gemeinhin für eine und dieselbe That; und
zu jeder Aufserung, des Gedankens oder der Empfindung, schien ihnen die begleitende
Geberde so wenig entbehrlich, dafs bald selbst der blofse Flötenbläser sich angewöhnte,
sein Spiel mit einer Art von Orchema zu begleiten 2). Auch ist es nur aus dieser An-
sicht, dafs Sirnonides sagen konnte, der Tanz sei stumme Poesie, und die Poesie der
ausgesprochene Tanz. In der früheren Zeit ward also bei diesem Volke jedes Gedicht
zum wenigsten gesungen, viele aber zugleich mit Tanz begleitet, im Dienst ihrer Tem-
pel wie bei anderen Anlässen 3). Und überall möchte es schwer zu begreifen sein, wie
nur der Mensch darauf hätte verfallen können, seine Gedanken, wie affectvoll und bild-
lich sie auch sein möchten, in so vielfach gebundene Formen zu zwängen, die, an sich
melischer und orchestischer Art, mit dem Gedanken selbst sonst nichts zu thun haben;
wenn ihn nicht jene ursprüngliche Absicht leitete, den Ton des Affectes und die Ge-
berde der Handlung mit dem Worte des Gedankens .zusammenstimmend zu verbinden.
Wohl findet man frühe schon die Kunst der Töne für sich selbständig ausgeübt, oder
den Tanz nur von Instrumentenspiel geleitet; aber Gedichte mufsten, wie gesagt, we-
nigstens gesungen werden, und sie blofs herzusagen, konnte nur die späteste Beschrän-
kung der Schulgelehrtheit mit sich bringen.
Den Griechen besonders war die Vermählung der genannten Kunstzweige durch
ihre Sprache selbst schon sehr nahe gelegt, worin das so deutliche Sylbenmafs, und die
freie Betonung mächtige Aufforderungen zu Gesang und rhythmischer Bewegung ga-
a) Atbenaios berichtet, der erste, der dies eingeführet, sei ein gewisser An dron aus Katanea ge-
wesen, weshalb auch in jenen Zeiten dies Begleiten des Spieles mit entsprechenden tänzerischen Bewegun-
gen des Leibes — rJxfAi'^cir — genannt worden wäre.
3) Hyporchema (vtre^xif1*}. hiefs, so. wie überhaupt jede Tanzmusik, so auch insbesondere jeder
Gesang, der zu einem Tanze gedichtet und gesungen ward. Das liijrtiologicuin magnum glebt ein solches
Hyporchema an, welches um den Schlachtopfer-Altar ausgeführt wurde, während die Flamme das Opfer
verzehrte; und der Rbetor Menander fia prooemio) sagt im Allgemeinen, das Hyporchema habe so wie der
Paian zu dem Tempeldienst Apollons gehört. Dafs jedoch das im Etymologicum angeführte für alle
Schlachtopfer gelten soll ohne Rücksicht auf den Gott, leuchtet von selbst ein. Darum aber waren nicht
alle Hyporchemen gottesdienstliche Gesänge und Tänze: denn Athenaios (Lib. 14. cap. 7. pag 6.10. DJ füh-
ret unter eben diesem Namen welche an, von lustigem und scherzhaftem Inhalt, deren Tanz dem Kordax"
sehr ähnlich gewesen. Wiederum aber war nicht aller Gesang, wozu getanzt wurde, darum Hyporchema; son-
dern nur der, welcher einem gegebenen Tanze untergelegt wurde. Wo der Tanz die Hauptsache war, dem
das. Lied nur als leitende Musik beigegeben war, da war dieses ein Hyporchema, nicht aber da, wo dem
Gesaqge der Tanz, als begleitende Geberde beigefügt wurde, wie in den dithyrambischen und dramatischen
Spielen,