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Gensel, Julius; Preller, Friedrich [Ill.]
Friedrich Preller d. Ä. — Künstler-Monographien, Band 69: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.74630#0068
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Abb. 64. Der Stern im Park. Sepiazeichnung.
Nach einer Photographie von Kemlein. (Zu Seite 80.)

aber in ihrer Haltung, ihren Bewegungen, ihrer Stimme lag eine wunderbare Anmut,
und aus ihren Augen sprach die reinste Herzensgute. In ihrer Gegenwart wagte sich
nichts Ungeziemendes hervor, und auch die Söhne verstand sie mit ihrer ruhigen, sicheren
Art fast ohne Worte zu zügeln und zu lenken. Auf die Arbeiten ihres Mannes ging
sie geräuschlos mit Liebe und feinem Verständnis ein, und wenn ihm einmal der Mut
sank, richtete ihn ihre zuversichtliche Zusprache bald wieder auf. Unübertrefflich war
ihre Kunst, alles Störende von ihm fernzuhalten; besonders Wenn er an dem quälen-
den Kopfweh litt, das ihn zuweilen auf einen oder zwei Tage heimsuchte. Treu-
lich unterstützt wurde
Frau Marie von ih-
rer Mutter, die man
fast stets mit Häus-
licher Arbeit beschäf-
tigt fand. Großmut-
ter Erichsen (Abb.5l),
das Bild eines ge-
segneten und segens-
vollen Lebensabends,
wußte in ihrem Flens-
burger Platt Verstän-
digen Rat zu erteilen
und zu trösten, wo es
not tat, und war bei
jung und alt beliebt
und verehrt.
Fast als Fami-
lienglied galt auch
„Tante Linda" —
Fräulein Olinda
Bouterweck (Abb. 52).
Tochter des Göttinger
Professors der Ästhe-
tik, war sie nach des-
sen Tod im Anfang
der dreißiger Jahre
mit ihrer Schwester
Malwina, die sich bei
dem bejahrten Mei-
ster Johann Nepomuk
Hummel in der Musik
fortbilden wollte,
nach Weimar gezogen.
Schon früh Hatte sie
das rechte Auge Ver-

loren, auch war sie stark schwerhörig, aber sie ersetzte diese Mängel durch feinste Aus-
bildung des innern Sinns. Sie war eine der fleißigsten Schülerinnen Prellers, von
ihren Arbeiten bekam jedoch nicht leicht jemand etwas zu sehen, und ebenso sprach
sie, zu des Meisters Freude, in Kunstsachen nur aus, was sie sich durch Anschauung
und Nachdenken völlig zu eigen gemacht hatte. Ihr Beruf war, zu helfen, wo sie
konnte, und sie sah rasch und sicher, wo es fehlte. Abends war ihr Platz ein- und
für allemal im Prellerschen Familienkreis, an der linken Seite des Meisters, der sich
ihr gut verständlich zu machen wußte. „An Euch und sie," schreibt er einmal von
der Reise nach Hause, „muß ich immer zugleich denken, denn sie gehört ja so zu uns
wie niemand sonst."
 
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