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nachdem ich in diesem Teile des Vatikans einige Klarheit erlangt hatte, wandte ich
mich zu den hohen Meisterwerken der Malerei. Ich fing mit Rafael an und ging
dann zu Michel Angelo über, dessen geheimnisvolle Größe und Ernst mich nicht wieder
losließen. Die Sistinische Kapelle schien mir das Höchste, was die Welt in der Malerei
besäße. In den Galerien außerhalb des Vatikans beschäftigten mich am meisten die
Werke von Claude Lorrain
Abb. 28. Landung des Odhiseus aus Ithaka.
Römisches Haus, Leipzig.
Nach einer Photographie von H. Vogel in Leipzig. (Zu Seite 49.)
wenige rühmen konnten." Reinhart lud ihn auch zur
und den beiden Poussins,
vor allen aber Tizians
herrliche Landschaft in der
Galerie Camuccini (später
nach England verkauft),
deren Staffage, ein Götter-
mahl, von Giovanni Bellini
gemalt ist. Dieses Bild
schien mir die Krone aller
Landschaften, und ich habe
danach studiert, solange ich
in Rom war." Von den
antiken Meisterwerken, die
an öffentlichen Plätzen auf-
gestellt sind, besuchte er am
häufigsten die beiden Ko-
losse des Monte Cavallo.
Inzwischen hatte Preller
nun auch Reinhart kennen
gelernt, der, eine Kraft-
gestalt, in seinem Wesen
herb und verschlossen, von
seinem Freunde Koch auf-
fallend abstach. „Sein
Kopf," sagt Preller, „war
von edler Form, der Aus-
druck seiner Mienen groß-
artig, aber etwas rauh.
Bei näherer Bekanntschaft
trat bald eine hohe geistige
Bildung und großes Wissen
Hervor. Er war schwerer
zugänglich als Koch und
hatte daher auch wenig
Einfluß auf die jüngeren
Künstler. Ich habe selbst
oft den höchsten Genuß ge-
habt, wenn er mir eine
seiner gefüllten Mappen
vorlegte — eine Auszeich-
nung, deren sich nur sehr
Teilnahme an seinen Jagd-
ausflügen ein, doch gönnte sich Preller dieses Vergnügen nur ausnahmsweise.
Von den sonstigen älteren Künstlern zogen ihn besonders der Däne Thorwaldsen
und der Lübecker Overbeck an. Jener, damals aus der Höhe seines Ruhmes stehend,
fiel, obwohl nur von mittlerer Größe, durch sein Äußeres sofort auf: ein prächtiger
Kopf mit hoher Stirn, vollem graublonden Lockenhaar und leuchtenden blauen Augen.
Er hielt sich gern zu den deutschen Künstlern, und sein liebenswürdiges Wesen wirkte
nachdem ich in diesem Teile des Vatikans einige Klarheit erlangt hatte, wandte ich
mich zu den hohen Meisterwerken der Malerei. Ich fing mit Rafael an und ging
dann zu Michel Angelo über, dessen geheimnisvolle Größe und Ernst mich nicht wieder
losließen. Die Sistinische Kapelle schien mir das Höchste, was die Welt in der Malerei
besäße. In den Galerien außerhalb des Vatikans beschäftigten mich am meisten die
Werke von Claude Lorrain
Abb. 28. Landung des Odhiseus aus Ithaka.
Römisches Haus, Leipzig.
Nach einer Photographie von H. Vogel in Leipzig. (Zu Seite 49.)
wenige rühmen konnten." Reinhart lud ihn auch zur
und den beiden Poussins,
vor allen aber Tizians
herrliche Landschaft in der
Galerie Camuccini (später
nach England verkauft),
deren Staffage, ein Götter-
mahl, von Giovanni Bellini
gemalt ist. Dieses Bild
schien mir die Krone aller
Landschaften, und ich habe
danach studiert, solange ich
in Rom war." Von den
antiken Meisterwerken, die
an öffentlichen Plätzen auf-
gestellt sind, besuchte er am
häufigsten die beiden Ko-
losse des Monte Cavallo.
Inzwischen hatte Preller
nun auch Reinhart kennen
gelernt, der, eine Kraft-
gestalt, in seinem Wesen
herb und verschlossen, von
seinem Freunde Koch auf-
fallend abstach. „Sein
Kopf," sagt Preller, „war
von edler Form, der Aus-
druck seiner Mienen groß-
artig, aber etwas rauh.
Bei näherer Bekanntschaft
trat bald eine hohe geistige
Bildung und großes Wissen
Hervor. Er war schwerer
zugänglich als Koch und
hatte daher auch wenig
Einfluß auf die jüngeren
Künstler. Ich habe selbst
oft den höchsten Genuß ge-
habt, wenn er mir eine
seiner gefüllten Mappen
vorlegte — eine Auszeich-
nung, deren sich nur sehr
Teilnahme an seinen Jagd-
ausflügen ein, doch gönnte sich Preller dieses Vergnügen nur ausnahmsweise.
Von den sonstigen älteren Künstlern zogen ihn besonders der Däne Thorwaldsen
und der Lübecker Overbeck an. Jener, damals aus der Höhe seines Ruhmes stehend,
fiel, obwohl nur von mittlerer Größe, durch sein Äußeres sofort auf: ein prächtiger
Kopf mit hoher Stirn, vollem graublonden Lockenhaar und leuchtenden blauen Augen.
Er hielt sich gern zu den deutschen Künstlern, und sein liebenswürdiges Wesen wirkte