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Gerhard, Eduard
Auserlesene Griechische Vasenbilder, hauptsächlich Etruskischen Fundorts (Band 2): Heroenbilder — Berlin, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.24596#0008
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4

TAFEL LXXIX — LXXXIIL

in griechische, ungleich mehr in etruskische Kunstgebilde; aber es fehlte
viel, um im griechischen Kunstgebrauch jene seltsame Bildungsweise fest-
halten zu dürfen. Ein so übernatürlicher Zusatz liefs der zur Natur und
Schönheit aufstrebenden menschlichen Bildung allzu schwer sich verknüpfen.
Siegesrosse mochten früher beflügelt werden als es für zulässig galt den
Boten und die Botinnen der Götter mit künstlichen Schwingen zu bilden;
um so weniger war mau veranlafst, die Götter, die man in eigener Majestät
zu zeigen liebte, durch dienende Wesen zu ersetzen, deren gültigen Aus-
druck die Kunst noch nicht gefunden hatte. Wie ausgedehnt auch die
spätere Bildnerei im erotischen Kreis beflügelter Knaben sich gefiel, wie
vorbildlich der Mysterieneros Grofsgriechenlands war, wie allbekannt über-
dies uns die breiten Schwingen der Siegesgöttin sein mögen, der Kunst-
gebrauch unsrer Vasenbilder gereicht einer auch sonst begründeten Ansicht
zur Bestätigung, nach welcher beide Flügelgestalten, des Eros sowohl
als der Nike, erst gegen die Zeit der Perserkriege aufkamen (4). ln rei-
chem Mafse geht jene Bestätigung aus den archaischen Vasenbildern her-
vor. Wenn deren Bilderkreis in seltenen Fällen einen beflügelten Knaben
uns erblicken läfst, so ist die Bedeutung desselben noch nicht entschieden
erotisch; sie ist zwischen dem Kampf- und Todesdämon getheilt (5). Statt
der weiblichen Flügelgestalt, die nach der für uns gangbarsten Vorstellung
Sieger bekränzt und Opfer vollführt, pflegt Pallas Athene den Kampf der
Helden zu lohnen, oder Artemis legt Hand an zur pythischen Spende (6);
ja wo eine eilende geflügelte Frau im Bereich jener älteren Kunst uns be-
gegnet, sind wir, ihrer ähnlichen Bildung ungeachtet, weniger befugt sie
für Nike zu halten, als für die später verschwundene Streitgöttin Eris (7)
oder für eine der Schicksalsgöttinnen (8).

(4) Schol. Aristopln Av. 572: vtwzeQLxbv to

tijv ]YCxi]v Hui tov Eooira tTiioojoOcu. \4qytvvov?
yug cpijai xul tov BovnüXov (01. 60) xul ‘A&iji'ido!;
TiUTfQU, ol 6k ‘AyXaocf.bJVTU tov Ouaiov ^uiygucpov
mrjvijv Igyuoao&uL ttjv IYlxijv. Im letzteren Fall
ist von Polygnots (01. 80.) Vater die Rede. Vgl.
Ueber die Flügelgestalten, S. 6.

(5) Ueber die Fliigelgestalten (a. a. 0.) S. 11.
Taf. IV, 2—7.

(6) So auch auf Vasenbildern freieren Styls (oben

Taf. XXVII — XXX), deren Vergleichung mit den
choragischen Reliefs (Millin Gail. 17, 58) nahe liegt.

(7) So erscheint Eris, durch Inschrift beglaubigt,
auf einer archaischen Schale meines Besitzes j die-
selbe Figur findet sich auch mit Gorgonenantlitz.
Vgl. Ueber die Flügelgestalten Taf. I], I—5. Die
ganz ähnliche archaische Bildung der Iris (Tgiq
ebd. II, 6) dient zur Erklärung, wie jene Figur
einer streitbaren, aber auch allgemeiner gefafsten
Götterbotin zur Götterbotin des Sieges werden
 
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