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Gerke, Friedrich [Hrsg.]
Das Christusmosaik in der Laurentius-Kapelle der Galla Placidia in Ravenna — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 104: Stuttgart: Reclam, 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.63639#0053
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der Religionspolitik der Galla Placidia ergibt: 1. In der
Mitte schwebt die Crux caelestis über den duces aposto-
lorum. 2. Der hl. Laurentius trägt die Crux Christi durch
den Feuertod in das himmlische Reich zurück. 3. Christus
hält das vexillum im Paradiese thronend bei Fuß und
empfängt hier die Märtyrerapostel, die sich ihm in der
Gestalt weißer Lämmer nahen.
Das Christus-victor-Mosaik des Laurentius-Oratoriums
hat eine große Wirkung gehabt; bis in die Zeit des gro-
ßen Theoderich hinein und noch unter Justinian läßt
sich die Geschichte dieser Idee der Galla Placidia ver-
folgen. Schon Neon ließ in das Programm seines Tauf-
hauses die beiden Formen des Christus victor aufnehmen
in Stuck: den Kämpfer mit geschultertem Kreuz, worin
ihm der Erzbischof in seiner Hauskapelle folgte, und
den Sieger (Kreuz bei Fuß), worin ihm Justinian in
S. Michele in Affricisco im Apsismosaik folgte. Wie vor
dem Kaiserpalast in Konstantinopel das Standbild des
„Christus ambulans super aspidem et leonem“ stand, so
war ein Stadttor von Ravenna mit einem Mosaik des
gleichen Motivs geschmückt (Abb. 32). Endlich wird der
kreuztragende Märtyrer und Apostel seit der theodo-
sianischen Zeit ein fundamentales Motiv ravennatischer
Kunst: Petrus, Paulus und Laurentius sind die vornehm-
sten unter diesen Staurophoroi.
Das ehrwürdige Christusmosaik im Oratorium des
Laurentius formosus zu Ravenna erhält durch unsere
neue Deutung eine Schlüsselstellung in der Triumphal-
kunst des 5. Jahrhunderts. Seine Komposition ist nicht
eine letzte Form spätantiker Hirtenlandschaften, auch
keine Verklärung einer frühchristlichen Idee vom Guten
Hirten. Weder mit dem lukanischen Gleichnis vom ver-
lorenen Schaf noch mit der Cyprianischen Paradiesidee
(„patriam nostram esse paradisum“) hat das Mosaik
etwas zu tun. Vielmehr setzt diese Komposition Figural-
kompositionen der militia Christi voraus und formt die
Idee des unbesiegten Kreuzes unter dem Einfluß von
Hirtenbildern dahin um, daß der Pastor Bonus durch
die Crux als der gekennzeichnet ist, der sein Leben für
seine Schafe ließ und der nun seine als Lämmer dar-

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