Wiederkehr der Gleichartigkeit in verschiedenen Epochen.
Es ist sehr möglich, daß der Meister E. S. die Münster
von Freiburg, Straßburg, Konstanz gesehen hat. Diese
Kunst reizte ihn vielleicht besonders zur Anknüpfung,
weil sie im Gegensatz zu der Kunstrichtung der älteren
Generation seiner eigenen Zeit stand. An die auf die Land-
schaft hinaussehenden Figuren am Turm des Freiburger
Münsters, aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, erinnert
die weibliche Rückenfigur auf dem Stich L. 216.
Der Kupferstich spielt jetzt dieselbe Rolle im Kunst-
ieben wie im frühen Mittelalter die Kleinplastik — also
jene Figuren, die nicht an besonders sichtbaren, wich-
tigen Stellen angebracht waren. Hier konnten die Künstler
ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Siel waren nicht durch
die Vorschriften der architektonischen Großformen ge-
bunden. Sie waren sogar freier gegenüber! religiösen Ge-
setzen. In den Bogen und Kämpferfriesen, den Säulen-
kapitellen, den Chorschranken, kommt noch etwas von
der alten, heidnischen Phantasie zum Ausdruck, die mit
der vornehmen, ritterlichen Welt des 13. Jahrhunderts
wenig zu tun hat. Der Kupferstecher des 15. Jahrhunderts
ist der Erbe dieser Phantasie. Manches ist schon vorher
hindurchgesickert — an Chorgestühlen findet man noch
vieles, was an die alte Kunst erinnert —. Aber der Meister
E. S. ist der erste, der diese alte Volksphantasie zu neuem
Leben erweckt, sie aus der Verborgenheit hervorzieht.
Auch er durfte seine ganze Gestaltungskraft frei ent-
falten, seine Stiche waren ja nicht für ganz bestimmte
sakrale Zwecke gedacht. In der Hauptsache wenigstens
nicht. Er mußte sich nicht immer nach dem Geschmack
des Publikums richten, da er ja nicht immer auf Bestel-
lung arbeitete. Er machte den Weg frei für Dürer. In
der Dürerschen Apokalypse ist vielmehr von dem Geist
der Bamberger Propheten zu spüren, als von der, wenn
mitunter auch sehr feinen, bürgerlichen Welt des 15.
Jahrhunderts. Und darin liegt die große Bedeutung des
Meisters E. S. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes der
Es ist sehr möglich, daß der Meister E. S. die Münster
von Freiburg, Straßburg, Konstanz gesehen hat. Diese
Kunst reizte ihn vielleicht besonders zur Anknüpfung,
weil sie im Gegensatz zu der Kunstrichtung der älteren
Generation seiner eigenen Zeit stand. An die auf die Land-
schaft hinaussehenden Figuren am Turm des Freiburger
Münsters, aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, erinnert
die weibliche Rückenfigur auf dem Stich L. 216.
Der Kupferstich spielt jetzt dieselbe Rolle im Kunst-
ieben wie im frühen Mittelalter die Kleinplastik — also
jene Figuren, die nicht an besonders sichtbaren, wich-
tigen Stellen angebracht waren. Hier konnten die Künstler
ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Siel waren nicht durch
die Vorschriften der architektonischen Großformen ge-
bunden. Sie waren sogar freier gegenüber! religiösen Ge-
setzen. In den Bogen und Kämpferfriesen, den Säulen-
kapitellen, den Chorschranken, kommt noch etwas von
der alten, heidnischen Phantasie zum Ausdruck, die mit
der vornehmen, ritterlichen Welt des 13. Jahrhunderts
wenig zu tun hat. Der Kupferstecher des 15. Jahrhunderts
ist der Erbe dieser Phantasie. Manches ist schon vorher
hindurchgesickert — an Chorgestühlen findet man noch
vieles, was an die alte Kunst erinnert —. Aber der Meister
E. S. ist der erste, der diese alte Volksphantasie zu neuem
Leben erweckt, sie aus der Verborgenheit hervorzieht.
Auch er durfte seine ganze Gestaltungskraft frei ent-
falten, seine Stiche waren ja nicht für ganz bestimmte
sakrale Zwecke gedacht. In der Hauptsache wenigstens
nicht. Er mußte sich nicht immer nach dem Geschmack
des Publikums richten, da er ja nicht immer auf Bestel-
lung arbeitete. Er machte den Weg frei für Dürer. In
der Dürerschen Apokalypse ist vielmehr von dem Geist
der Bamberger Propheten zu spüren, als von der, wenn
mitunter auch sehr feinen, bürgerlichen Welt des 15.
Jahrhunderts. Und darin liegt die große Bedeutung des
Meisters E. S. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes der