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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 11.1888

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Heft V
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Bode, Wilhelm: Die Fürstlich Liechtenstein'sche Galerie in Wien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3329#0139
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Geschichtliche, allegorische und mythologische Darstellungen.
Nr. 122. »Ajax und Cassandra.« Leinwand. Höhe 2-09, Breite 2-72. — Radirung von
W. Unger.
Nr. 111. »Findung des Erichthonius«. Leinwand. Höhe 2-18, Breite 3'18. — Holzschnitt
von F. Scheu nach einer Zeichnung von R. Raudner.
Nr. 100. »Heinrich IV. von Frankreich ergreift die Gelegenheit beim Schöpfe.«
Skizze. Holz. Höhe 0-61, Breite 0-50. — Photogravure von R. Paulussen.
Nr. 101. »Sieg König Heinrich's IV. von Frankreich bei Coutras.« Skizze. Holz.
Höhe 0-64, Breite 0-50. Gegenstück des vorigen Bildes. — Photogravure von R. Paulussen.
Nr. 117. »Vermälung von Amor und Psyche.« Skizze zu einem Plafond. Holz. Höhe 0'64,
Breite 0'49. — Photogravure von R. Paulussen.


eben den Gemälden mit den Darstellungen des Todes von Decius Mus besitzt die
Liechtenstein-Galerie noch verschiedene umfangreiche Compositionen aus der alten
£ Geschichte. Zwei derselben sind der mythischen griechischen Geschichte entlehnt:
»Ajax und Cassandra« und »Die Findung des Erichthonius.«
Während die »Findung des Erichthonius« sowohl von Smith wie von Waagen
ausserordentlich hoch gestellt wird, bezeichnet Smith »Ajax und Cassandra« als »very indifferent, and
probably the work of a scholar« und Waagen erwähnt das Bild überhaupt nicht. Diese Geringsehätzung
scheint mir in keiner Weise gerechtfertigt. Das Bild hat genau denselben Anspruch auf Originalität
wie die Decius-Folge: die Erfindung gebührt Rubens und macht seinem Talent volle Ehre, die
Ausführung verräth dagegen im Wesentlichen die Hand eines Schülers; wie ich glaube, wiederum
die des Anton van Dyck. Demnach würde die Entstehung des Bildes mit der der Decius-Bilder etwa
gleichzeitig sein. Auffasfung, Typen und Behandlung scheinen mir dies vollauf zu bestätigen. Rubens,
der ja griechisches Leben und griechische Kunst nur im Spiegel der römischen kannte, hat hier im
Ajax fast getreu die Figur seines Decius wiedergegeben: im Bau, im Kopf, in der Tracht, bis auf den
Panzer und den rothen Mantel, gleichen sseh beide zum Verwechseln. Das Motiv hat der Künstler
mit Decenz und groföem Geschick zur Anschauung gebracht. Man denke sich dasselbe von einem
Künstler unserer Zeit behandelt. Entweder würde der Moment, wie der mit Blut bedeckte und durch
die Aufregung des Kampfes und Sieges fast rasende griechische Held, der im Tempel vor dem Altar
noch nicht Halt macht und die Hand selbst an die Dienerin der Göttin legt, mit möglichster Treue
und, fast möchte ich sagen, mit grösstem Behagen an dem wilden Kampfe und an dem Grässlichen
der Handlung wiedergegeben sein; oder der Künstler würde dasselbe nur zur pikanten und mög-
lichst drastischen Ausgestaltung einer wüsten Liebesscene benutzt haben. Ganz anders Rubens. Der
Künstler verzichtet, mit Einschränkung seines eigenen Talentes, auf das hochdramatische Moment
des Kampfes, ja fast auch auf jede sinnliche Wirkung. Ganz im Geilte der griechischen Kunst sucht
er vielmehr die Heiligkeit des Ortes, die Ehre der jungfräulichen Priesterin und das Heldenthum
des griechischen Heerführers auch in diesem Frevel, der später so furchtbar durch die beleidigte
Göttin an dem Missethäter gerächt wurde, wenigstens äusserlich zu wahren; nur ein Liebeswerben,
der vergebliche Kampf jungfräulicher Unschuld gegen die entfesfelte Sinnlichkeit des Mannes,
ist das Motiv des Bildes. Um inne zu werden, mit welcher Keuschheit Rubens dies Motiv wieder-
 
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