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unser Auge sie fordert. Die Reform zu einer mehr künstlerischen Ausfassung der photographischen
Aufnahme, welche den Reiz momentaner Naturstimmungen ohne störcnde Einlässlichkeit in der
Wiedergabe des Unwichtigen festzuhalten sucht, war die Folge einer ganzen Anzahl neuerer
Erfindungen, die die photographische Optik und Chemie sowie die Arbeit des Mechanikers so sehr
vervollkommneten, dass aus dem alten schwerfälligen photographischen Apparat ein schnell wirken'des,
leicht transportables und bequem handliches Werkzeug geworden ist.
An Stelle des nassen Collodiumprocesses sind die leicht verwendbaren Bromsilber-Gelatineplatten
getreten; die Empfindlichkeit der Platten ist ausserordentlich gesteigert worden und ermöglicht
Aufnahmen in unglaublich kurzen Momenten; die Verfeinerung der »Entwickler« gestattet ungeahnte
Modulationen im Hervorrufen der Bilder; isochromatische Glasplatten übersetzen die natürlichen
Farbenwerthe nach dem Grade ihrer Sättigung in nahezu entsprechenden Schwarz- und -Weiss-
Tönen, und auch für die Copie kommen vorzügliche neue Papiere dem Streben nach einer mehr
künstlerischen Wirkung der Photographie entgegen.
Nicht nur die Fachphotographen, auch die immer mehr zunehmende Schar künstlerisch
gebildeter Amateure hat sich diese Fortsehritte der photographischen Technik zunutze gemacht.
Mit besonderem Eifer gingen die Engländer, die zuerst die Anwendung der Bromsilber-Gelatineplatten
allgemein verbreiteten, voran und sachten mit dem photographischen Apparate landschaftliche Auf-
nahmen zu gewinnen, bestimmte Natureindrücke, wie sie das Auge der modernen naturalistischen
Maler auffasst, in harmonischer Bildwirkung wiederzugeben. Den Fehdezug gegen die trockene
Schärfe des älteren photographischen Bildes eröffnete P. H. Emerson. In seinem Werke »Naturalistic
Photography« trat er entsehieden für die moderne »impressionistische« Richtung der Photographie
ein, welche dann in George Davison einen ausgezeichneten Förderer gefunden hat.
Um Bilder zu schaffen im Sinne einer künstlerischen Wirkung kommt es bei der Wiedergabe der
Natur nicht an auf die objeflive Wahrheit der Dinge, nicht darauf, wie sie in Wirklichkeit sind und
wie sie der photographische Apparat sicht. Was uns interessirt, ist der Eindruck, den die Natur auf das
künstlerische Auge macht, was wir wollen, ist eine subjeclive Wahrheit, deren Empfindungsgehalt
uns alle Abweichungen von dem Vorbilde übersehen lässt. Wenn man nun erwägt, wie seiten die
Natur als künstlerisches Bild uns entgegentritt, dann sieht man ein, welcher Schulung des Auges
es bedarf, um am rechten Ort und im rechten Momente das mit dem Apparate darstellbare Bild zu
finden und in günstiger Beleuchtung aufzunehmen. Es braucht auch nicht des Näheren ausgeführt
zu werden, dass es mannigfacher Kniffe beim Einstellen und dann beim Entwickeln und Copiren
bedarf, um das künstlerische Moment des Vorwurfes mit überzeugender Kraft hervortreten zu lassen.
Die Wiener Internationale Ausstellung künstlerischer Photographien im Frühjahr 1891 hat
gezeigt, zu welcher Geschicklichkeit und zu welcher feinen empfindungsreichen Bildung des
Auges es unsere Photographen und Amateure gebracht haben. Ihre Landschaften besonders haben
nicht nur die Fachgenossen interessirt, sie warben ihnen auch unter den Künstlern, die als Juroren
die Auswahl trafen, lauten Beifall. Denn wenn wir absehen von dem individuellen Reiz, den die
Handschrift des Künstlers seinem Werke leiht, so bieten die mit dem Apparate aufgenommenen
Landschaften so viel künstlerischen Genuss hinsichtlich der Wahl der Motive und der Feinheit
stimmungsvoller Abtönung, dass es wohl begreissich ist, wenn mancher, der wohl Bilder aufnehmen,
aber keine malen kann, allen Ernstes wähnt, dasselbe zu lcisten, was derjenige vollbringt, der seine
Bilder mit eigener Hand schafft, der also ein wirklicher »Könner«, ein Künstler ist.
Es war ein guter Gedanke der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, in einem Album mit
Photogravuren von Richard Pauluffcn nach bemerkenswerten künstlerischen Naturausnahmen
 
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