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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 18.1895

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Heft VI
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Bode, Wilhelm von: Die Fürstlich Lichtenstein'sche Galerie in Wien, [5]: Die altniederländische und die altdeutsche Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.4066#0159
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Die altniederländische und die
ALTDEUTSCHE SCHULE.


'EX ältesten niederländischcn und deutschen Meistern hat der regierende Fürst
Johann sein Interesfe nahezu ebenso lehr zu Theil werden lassen, wie den
gleichzeitigen Italicnern; nur kommen gute Werke dieler Schulen schon seit
mehreren Jahrzehnten weit seltener in den Handel, als gute Gemälde altitalienischer
Mcister. Ankäufe solcher Werke konnten daher nicht l'o zahlreich sein, als von
Werken der italienischen und der späteren niederländischen Schulen. Diele neuen Erwerbungen
bilden mit dem alten Besitz der Galerie eine ansehnliche und interessante Sammlung. Bei den
Deutschen fehlen freilich noch die grossen Meister Dürer und Holbein; unter den Niederländern sind
sie dagegen durch Hugo van der Goes. Hans Memling und Quinten Massys vertreten.
Das Triptychon von Hugo van der Goes ist ein kleines, aber kostbares Werk dieses seltenen
grossen Xaturalisten. Es hat in Wien selbst, in der kaiserlichen Galerie eine Art Gegenstück in dem
noch immer den Roger van der Weyden zugeschriebenen Triptychon, das die Beweinung Christi mit
Adam und Eva auf den Flügeln darsteilt. Beide Bilder sind (wenn auch das Liechtenstein'sche Bild
einen sehr schmutzigen Firniss hat) durch ihre gute Erhaltung ausgezeichnet; daher besitzen sie noch
die ausserordentliche Leuchtkraft und die emailartige Wirkung der Farben, während die geputzten
Bilder, wie zwei der Tafeln des berühmten grossen Flügelaltars in Santa Maria Nuova zu Florenz und
der Tod der Maria in der Galerie zu Brügge einen unangenehmen hellen, kalten bläulichen Ton
haben. Van der Goes iit einer der strengsten Beobachter der Natur, selbst innerhalb der alt-
flandrischen Schule, die darin nur von den Chinesen und Japanern erreicht wird. Rücksicht auf
Schönheit kennt der Künstler dagegen nicht; manche seiner Typen, namentlich im Tod der Maria zu
Brügge und in dem grossen Altarwerk, das er, als letztes grösseres Werk, für König Eduard von
Schottland ausführte (jetzt im Schlösse Holyhood bei Edinburgh), sind geradezu hässlich. Aber der
gewaltige Ernst und die Charakteristik kommen darin umlb überzeugender und wirkungsvoller zum
Ausdruck; und die treffliche Zeichnung seiner Gestalten, die erstaunliche Modellirung und Stosf-
behandlung, die Wahrheit in der Schilderung der landschaftlichen Hintergründe, die prächtige
Färbung in den gut erhaltenen Bildern, geben denselben eine künstlerische Vollendung, wie sie ausser
den Brüdern van Eyck und dem Meister des Merode-Altars wohl keiner der altniederländischen
Meister im gleichen Masse besitzt. Wenn der Künstler trotzdem verhältnissmässig wenig beachtet ist,
so liegt die Schuld daran, dass seine Werke rcgelmässig unter den Namen der verschiedensten seiner
Zeitgenossen gehen, während ihm selbst ganz fremdartige oder geringerwerthige Gemälde zuge-
schrieben werden. Zur Vervollständigung der oben genannten zweifellosen Werke des Künstlers, zu

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