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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 21.1898

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Eine Zeitschrift der französischen Holzschneider
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https://doi.org/10.11588/diglit.4070#0049
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EINE ZEITSCHRIFT DER <\(
Y
HOLZSCHNEIDER

$ FRANZOSISCHEN

Der Holzschnitt spielt heute in Frankreich unter den graphischen Künsten die Rolle eines
Aschenbrödels. Er, dessen Wesen so eng mit dem der Buchausstattung verknüpft ist, ist aus dem
Buche fast völlig verbannt. In den Zeitschriften ist an seine Stelle grösstentheils die mechanische
Vervielfältigung getreten und aus dem Buche, wo er so sehr an seinem Platze wäre, hat ihn seine
vornehmere Sehwester, die Radirung, verdrängt. Die französische Bücherliebhaberei ist recht
eigentlich zur Bibliomanie geworden. Dies zeigt sie am meisten in der Wahl der Radirung zur
Buchdecoration. Sie zieht ein in wenigen Exemplaren, aber herzlich schlecht gedrucktes Buch,
das mit einigen beigegebenen Radirungen, womöglich in verschiedenen Abdruckszuständen,
geschmückt ist, einem gut gedruckten, mit einfachen Holzschnitten verzierten vor. Dass dieses
aber das künstlerisch vornehmere von beiden ist, wenn es auch einen Abdruck in unzähligen
Exemplaren zulässt, kommt ihr nicht in den Sinn.
Doch liegt der Grund des Niederganges des Holzschnittes nicht allein in dieser verkehrten
Richtung der Bibliophilie; er selbst hat unter den Händen geschickter Virtuosen seinen alten ein-
fachen decorativen Charakter verloren, er hat sich sein eigenes Grab bereitet. Geht man auf die
Illustrationen der romantischen Zeit zurück, so findet man zwar in ihren Holzschnitten schon
durch die Technik, durch die Anwendung des Stichels und des Hirnholzes, das Streben nach dem
Malerischen ausgedrückt, das der französischen Buchillustration so verhängnisvoll geworden ist;
aber obwohl diese Werke meist schlecht gedruckt sind, obwohl in ihnen der Holzschnitt oft keinen
anderen Zweck zu haben scheint, als eine leer gebliebene Stelle auszufüllen, so haben sie doch
manches für sich: ihre grosse Anspruchslosigkeit, ihr Eingehen auf den Zeitgeschmack und endlich
einen gewissen decorativen Zug, der sich bei einzelnen Initialen und Vignetten in der starken
Betonung der Umrisse ausspricht. Dieser Rest der alten decorativen Bedeutung des Holzschnittes
ist aber in der folgenden Periode, die unter dem Einflüsse des ungeheuer fruchtbaren Gustave
Dore gestanden hat, gänzlich verloren gegangen. Die grosse Schätzung Dores ist uns heute kaum
mehr begreiflich; wir erkennen in ihm eines jener falschen Genies, die bald sehen lassen, dass ihnen
das fehlt, was vielleicht das Wichtigste in der Kunst ist, nämlich wahrer künstlerischer Fleiss und
ehrliche Arbeit. Denn so gross auch Dores Erfindungsgabe erscheint, so mangelt es ihm doch
 
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